Glocke Bremen: Astreine Akustik
ErfolgsgeschichtenEin besonderes Konzerthaus: Die Glocke wird 90
Musiker von Rang lieben sie. Für viele ist „Die Glocke“ in Bremen auf der Tournee gesetzt. Das Konzerthaus im Herzen Bremens punktet mit einer Weltklasse-Akustik. Es lässt eine ganz besondere Nähe zwischen Künstlern und Publikum zu und ist eine Augenweide im Stil des Art Déco. In diesem Jahr feiert das Haus seinen 90. Geburtstag.
„Jeder, der hier dirigiert hat, sagt: grandios“
Für Stardirigent Herbert von Karajan (1908 - 1989) gehörte die Glocke in Bremen zu den drei besten Konzerthäusern Europas. „Die Glocke ist ein absoluter Diamant“, schwärmt auch der Intendant des Bremer Musikfestes, Professor Thomas Albert. „Jeder, der hier dirigiert hat, sagt: ‚grandios‘.“ Der besondere Klang des Großen und des Kleinen Saals ist auch heute noch über die Grenzen Bremens bei Künstlern wie bei Besuchern bekannt und geschätzt. Nicht nur beim Musikfest Bremen 2018 vom 25. August bis zum 15. September werden sich Klassikliebhaber daran wieder erfreuen können. In diesem Jahr feiert die Glocke ihren 90. Geburtstag.
Die Glocke Bremen: Selbst das leiseste Piano dringt bis in den hintersten Winkel
„Eigentlich ist der Große Saal selbst ein Instrument, ein Resonanzkörper“, schwärmt Professor Albert. Unter dem Parkett verbirgt sich ein Resonanzraum. Die Decke ist mit Stahlseilen frei schwebend über dem Saal aufgehängt. Auch die mit Schellack polierten Holzpaneele können mitschwingen, denn sie sind nicht unmittelbar an den Wänden befestigt. Selbst das leiseste Piano dringe bis in den hintersten Raum, lobt Albert. „Es ist fast wie bei einem kammermusikalischen Tête-à-Tête. Der Raum ist so kompakt, dass er eine Nähe, eine Unmittelbarkeit zulässt zwischen Künstler und Publikum.“ Auch der 395 Plätze bietende Kleine Saal schwingt dank ähnlicher Bauweise mit.
Am Standort war früher ein Kloster
Die Glocke steht auf dem ältesten besiedelten Flecken Bremens, gleich neben dem Dom. Wo jetzt Kammermusik, Symphonien, Jazz und Pop erklingen, stand ursprünglich ein Kloster. Ab Mitte des 18. Jahrhunderts wurden die Gebäude zur Domschule umfunktioniert, 1857 zog der Künstlerverein ein. Der Verein begründete durch die Installation eines zweistöckigen Konzertsaals die musikalische Tradition des Standorts. 1915 brannte das Gebäude bis auf die Grundmauern nieder.
Auf edle Materialien in der Glocke wert gelegt
Die Domgemeinde und der Künstlerverein schrieben 1920 einen Architekturwettbewerb aus. Doch der Siegerentwurf des Bremers Walter Görig konnte wegen Geldmangels nicht gleich umgesetzt werden. Erst durch den Verkauf von Anteilsscheinen und die Aufnahme einer Hypothek auf den Dom kam das nötige Kapital zusammen. Das floss denn auch in edle Materialien. Im Foyer beispielsweise wurden kaukasischer Nussbaum, Marmor und Solnhofener Kalkstein verbaut.
Klassische Schuhkartons: Schmal und lang
Die beiden Konzertsäle der Glocke in Bremen sind nach dem klassischen Schuhkartonprinzip gebaut. Sie sind recht schmal, lang und hoch. „Der Große Saal wirkt kleiner und handlicher, als er zahlenmäßig ist“, sagt der Intendant der Bremer Philharmoniker, Christian Kötter-Lixfeld. „Die meisten Gäste staunen, dass er 1.400 Plätze hat. Es ist ein sehr transparenter Saal, der auch in sich sehr homogen und geschlossen klingt.“ Manch Besucher ist sich nicht bewusst, dass das Rascheln von Bonbonpapier oder ein Hüsteln viel deutlicher zu hören ist als in anderen Konzertsälen – bis hinauf zur Bühne. „Man kriegt sehr viel mit, selbst Geräusche aus den hintersten Reihen“, sagt Kötter. „Letztendlich gehört man als Publikum mit zum Klangkörper“, meint Thomas Albert.
Die Glocke: Zu erotisch?
Die beiden Konzertsäle sind, auch wenn sie sich ähneln, doch unterschiedlich gestaltet. Der Große ist mit Zedernholz verkleidet, die Balkone sind mintgrün lackiert. „Die Farbe ist besonders“, sagt Kötter. In sich sei der Saal aber schlüssig. „Es ist ästhetisch ein geschlossener Raum, authentisch“, meint Albert. Im Kleinen dominiert Mahagoni, eine Szene mit zwei spärlich bekleideten Frauen und einem Mann mit Lyra über der Bühne galt Anfang der Sechzigerjahre als anstößig und wurde sogar vorübergehend überstrichen.
Bremens zweitgrößte Orgel steht in der Glocke
In der Glocke ist auch die mit ihren 76 Registern zweitgrößte Orgel Bremens beheimatet. Bei Stücken wie Richard Strauss‘ „Also sprach Zarathustra“ hat die spätromantische Sauerorgel einen ihrer spärlichen Konzerteinsätze. Sie ist eine der wenigen großen, noch komplett erhaltenen Konzertorgeln des frühen 20. Jahrhunderts. Manch‘ Pfeife reicht bis in den Dachboden hinauf. Doch um sie optimal zu erhalten, muss sie regelmäßig gespielt werden. „Da muss Luft durch“, sagt Albert. Abhilfe schaffen hier Orgelstudenten der Hochschule.
Endlich ein Bühneneingang im traditionellsten Konzerthaus Bremens
Den Zweiten Weltkrieg überstand die Glocke fast unbeschadet, bis 1950 diente sie als US-Armeeklub. Von 1995 bis 1997 stand eine umfassende Sanierung an, inklusive baulicher Veränderungen. „Bis 1997 gab es keinen Liefereingang, alles musste durch den Haupteingang“, sagt der Historiker Dr. Ulrich Büttner, der regelmäßig Besucher „backstage“ durch die Glocke führt. Die Architekten Gerhard Müller-Menckens und Klaus Rosenbusch verlegten die Besuchergarderobe in den Keller. Dort entstanden zudem Umkleiden und Duschen für bis zu 120 Ensemblemitglieder. Die Backstage-Touren, die für Besucher regelmäßig angeboten werden, führen auch zu den im Innenhof liegenden, mit Tageslicht erfüllten Solistengarderoben. „Hier ist es total ruhig“, sagt Ulrich Büttner. Auf Anregung einer Künstlerin, die sich am liebsten bügelnd auf ihren Auftritt einstimmt, gibt es dort sogar Dampfbügeleisen. „Vor allem klassische Künstler sind in der Regel sehr unprätentiös“, erklärt Büttner.
Programm für alle Altersstufen
Bis heute gehört das Konzerthaus der Domgemeinde, betreut wird es von der Glocke Veranstaltungs GmbH. „Nur mit klassischer Musik kann man ein Konzerthaus nicht betreiben“, sagt Büttner. „Die Betreibergesellschaft versucht daher möglichst viele verschiedene Publikumsarten und Altersstufen ins Haus zu holen.“ Pro Jahr gibt es so etwa 330 Veranstaltungen, nur 15 Prozent davon sind hauseigen. Das Angebot reicht von Musikvermittlung und Familienkonzerten bis hin zur Vokal- oder Jazz-Reihe. Bei Eigenveranstaltungen steht den Künstlern ein Abendspielleiter bereit, der sich um die Wünsche der Musiker auf und hinter der Bühne kümmert. „Die Anweisungen an ihn können eine Seite oder hundert Seiten lang sein“, schmunzelt Büttner. Geigerin Anne-Sophie Mutter beispielsweise esse vor dem Auftritt gerne einen Teller Spaghetti – und zwar kalt.
„Das Haus befindet sich im Prozess der Optimierung“
Was die Akustik der Glocke betrifft, sind Albert und Kötter wunschlos glücklich – fast zumindest. Denn der Kleine Saal hat ein hörbares Manko: Passieren Straßenbahnen die Weichen an der Domsheide, einem der wichtigsten Verkehrsknotenpunkte der Hansestadt, sind die Erschütterungen im Saal zu spüren. Bald könnte es dafür aber eine bauliche Lösung geben. Auch das Ambiente des Konzerthauses, etwa im Foyer, soll künftig einladender werden. „Das Haus befindet sich im Prozess der Optimierung“, sagt Thomas Albert.
Die Glocke bietet einmal im Monat öffentliche Backstage-Führungen an. Eine telefonische Voranmeldung wird empfohlen.
Pressekontakt:
Carsten Preisler, Pressesprecher, Glocke Veranstaltungs GmbH, Tel.:+49 421 33 66660, E-Mail: preisler@glocke.de
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Foto 1: Bereits seit 1973 steht das Gebäude unter Denkmalschutz. © Mark Bollhorst
Foto 2: 1.400 Besucher fasst der Große Saal des Bremer Konzerthauses. © Mark Bollhorst
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