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20.6.2025 - Insa Lohmann

Frischer Wind für die Wallmühle

Lebensqualität

Der freiwillige Müller Oliver Kliebisch gibt Einblicke ins Innere der „alten Dame“

Mann im Dachgestühl
Oliver Kliebisch kümmert sich um die Wallmühle. © WFB/Hake

Sie ist eine der meistfotografierten Sehenswürdigkeiten in Bremen und für viele Einheimische das heimliche Wahrzeichen der Stadt: Die fast 200 Jahre alte Windmühle am Wall hat eine bewegte Geschichte hinter sich. Um ihr Wohlergehen kümmert sich der freiwillige Müller Oliver Kliebisch.

27 Meter ragt die Windmühle in den Bremer Wallanlagen in die Luft – die Jalousieflügel nicht mitgerechnet. „Damit ist sie schon eine der größten Mühlen ihrer Art in unserer Region“, sagt Oliver Kliebisch. Er nennt sie liebevoll „alte Dame“, immerhin blickt sie auf eine fast 200-jährige Geschichte zurück. Vor rund vier Jahren übernahm Immobilien Bremen, ein Eigenbetrieb der Freien Hansestadt Bremen, den Betrieb der Mühle. Seitdem wird sie von dem freiwilligen Müller Oliver Kliebisch gehegt und gepflegt. „Eine Liebhaberei“, sagt er und gerät sofort ins Schwärmen, wenn er über das historische Bauwerk spricht.

Denn bei der Wallmühle handelt es sich sozusagen um eine High-End-Mühle aus dem 19. Jahrhundert – ein neungeschossiger Bau vom Typ Galerieholländer mit einer Windrose, mit der die Kappe automatisch in den Wind gedreht wird, drei Steinmahlgängen sowie einer prägnanten Galerie. „Da wurde verbaut, was ‚State of the Art‘ war“, sagt Kliebisch.

Galerieholländer auf den neuesten Stand gebracht

Die Besonderheiten der Mühle können nun auch wieder erkundet werden. Seit Pfingsten haben Interessierte die Möglichkeit, an halbstündigen Führungen teilzunehmen, bei denen sie historische Fakten, Insider-Anekdoten sowie baufachliche und technische Details von Oliver Kliebisch erfahren. Bereits mit der Übernahme des Mühlenbetriebs entstand bei Immobilien Bremen der Plan, das Bauwerk wieder für Besucherinnen und Besucher zugänglich zu machen. Dafür wurde der Galerieholländer auf den neuesten Stand gebracht. Investiert wurde unter anderem in eine Brandmeldeanlage, in Anpassungen im Treppenhaus, in eine erneuerte Elektro- und Sicherheitstechnik sowie in eine neue Beleuchtung. Auch die Türen und Fenster wurden von einem Restaurator überholt. „Jetzt haben wir richtig schön Licht in der Mühle“, sagt Oliver Kliebisch.

Mühle von außen
Die Wallmühle hat vier große Jalousieflügel. © WFB/Hake

Zuletzt war er mehrmals die Woche hier, um den Fortschritt der Baumaßnahmen zu begleiten. Dann lief er oft mehrmals am Tag den neungeschossigen Bau bis nach oben. „Durch die vielen Treppen bleibt man unheimlich fit“, sagt er. Der ehrenamtliche Müller, der im Hauptjob im Bau und Liegenschaftswesen der Kirchenamts Elbe-Weser in Bremerhaven arbeitet, kennt inzwischen jeden Winkel der Mühle. Und in denen hat er so manche Kuriositäten gefunden, seitdem er das Amt übernahm. Der 47-Jährige zeigt Fotos, die andeuten, was sich in den letzten Jahrzehnten so angesammelt hat, darunter ein alter Fahrradreifen.

„Gut gegen Holzschädlinge“

Oliver Kliebisch ist kein Müller im klassischen Sinne, denn Mehl wird hier schon lange nicht mehr gemahlen. Vielmehr kümmert sich der Bremer um die Betreuung des Bauwerks. Drei- bis viermal pro Monat löst er die Bremse der vier Jalousieflügel, denn sonst würde das Regenwasser immer an denselben Stellen über die Holzlamellen laufen – Witterungsschäden wären die Folge. Es ist also auch eine Art Denkmalschutz, den Kliebisch leistet. „Außerdem sind der Krach und die Vibrationen, die das Drehen der Flügel und des Getriebes verursachen, gut gegen Holzschädlinge“, erläutert Kliebisch. Gerade bei alten Mühlen sei es wichtig, dass sie hin und wieder bewegt werden. „Die Wallmühle ist eine ältere Dame“, sagt er, „das mache ich nur bei moderaten Windstärken von zwei bis drei.“ Zum Vergleich: Um Mehl zu mahlen, wird mindestens Windstärke vier benötigt.

Mann sitzt an einem Tisch
Die historische Mühlentechnik ist in großen Teilen erhalten. © WFB/Hake

Trotz ihres stolzen Alters ist die denkmalgeschützte Wallmühle gut in Schuss. Das sei ihrer modernen Bauweise und einer größtenteils gusseisernen Antriebstechnik zu verdanken, sagt Oliver Kliebisch, der voller Bewunderung für den historischen Bau ist. Der untere Teil der Mühle ist gemauert, der obere Teil aus Holz. „Das hält locker noch viele Generationen“, ist er überzeugt. Oliver Kliebisch hat viel über Windmühlen gelernt in den vergangenen Jahren. Seine Tätigkeit als freiwilliger Müller ist ein wenig dem Zufall zu verdanken: 2021 stieß er auf eine interne Anzeige seines damaligen Arbeitsgebers Immobilien Bremen. Gesucht wurde ein Betreiber für die Mühle. „Ich saß im Homeoffice, las den Aufruf und habe sofort meine Frau angerufen: ‚Liebes, das klingt genau nach meinem Ding!‘“, erinnert er sich.

Kliebisch blieb der einzige Bewerber und bekam den Zuschlag. Der kaufmännische Angestellte machte eine Fortbildung zum freiwilligen Müller, die auf den Betrieb historischer Mühlen abzielt. „Die Ausbildung hat mir auch geholfen, den großen Respekt vor der Mühlentechnik etwas zu verlieren“, sagt er. Seitdem ist er mit wenigen Stunden im Monat für Bremens heimliches Wahrzeichen zuständig. „Die Mühle ist eine Bremensie, ein touristisches Highlight. Und ich bin nun derjenige, der einen Schlüssel hat“, sagt Kliebisch und lacht.

Eine „alte Dame“ mit wechselhafter Geschichte

Die Bekanntheit und einzigartige Lage in den Wallanlagen sei auch ein Grund, warum die Mühle so lange bestehen bleiben konnte, sagt Kliebisch. Denn die „alte Dame“ im Herzen Bremens hat eine wechselhafte Geschichte miterlebt, die 1833 beginnt: Als Nachfolgerin mehrerer Mühlen in den Wallanlagen errichtete man den Galerieholländer auf einer der alten Bastionen – einer der höchsten und damit windigsten Punkte in der flachen Stadt Bremen. Gleich zweimal brannte die Mühle im Laufe der Zeit ab und wurde erneuert, das letzte Mal vor 120 Jahren. Lange mahlte sie unermüdlich Mehl für mehrere Generationen der holländischen Müllerfamilie Erling, die später auch die Rolandmühle errichtete – eine industrielle Getreidemühle im Bremer Hafen.

Die Wallmühle mit den drei Mahlgängen war irgendwann nicht mehr wirtschaftlich genug und stellte 1947 den Mahlbetrieb ein. Seit 1891 befindet sie sich im Eigentum der Stadt Bremen, mehrmals wechselte sie in den vergangenen Jahrzehnten die Pächter. Heute ist in den unteren zwei Etagen wieder ein Restaurant beheimatet, das vierte und fünfte Obergeschoss steht den Besucherinnen und Besuchern im Rahmen von Führungen offen. Nach der aufwändigen Sanierung können der Mehl- und der Mahlboden besichtigt werden, zu erreichen über eine schmale Treppe mit verwinkelten Stufen. Die kostenfreien Führungen übernimmt Oliver Kliebisch persönlich. „Das Ganze ist ein Herzensthema für mich“, sagt er.

Oliver Kliebisch führt Gruppen von bis zu 10 Personen an vielen Freitagen im Jahr zwischen 16.00 und 18.00 Uhr für rund eine halbe Stunde durch die Mühle. Anmeldungen unter: betrieb.wallmuehle@immobilien.bremen.de

Pressekontakt: Oliver Kliebisch, Mail: Oliver.Kliebisch@immobilien.bremen.de Autorin: Insa Lohmann

Bildmaterial: Das Bildmaterial ist bei themengebundener Berichterstattung und unter Nennung des jeweils angegebenen Bildnachweises frei zum Abdruck.

Foto 1: Oliver Kliebisch kümmert sich um die Wallmühle. ©WFB/Björn Hake

Foto 2: Die Wallmühle hat vier große Jalousieflügel. ©WFB/Björn Hake

Foto 3: Die historische Mühlentechnik ist in großen Teilen erhalten. ©WFB/Björn Hake

Der Pressedienst aus dem Bundesland Bremen berichtet monatlich über Menschen und Geschichten aus dem Bundesland Bremen mit überregionaler Relevanz, herausgegeben von der WFB Wirtschaftsförderung Bremen GmbH. Bei den Artikeln handelt es sich nicht um Werbe- oder PR-Texte, sondern um Autorenstücke, die von Journalistinnen und Journalisten geschrieben werden. Redaktionen können den Text komplett, in Auszügen oder Zitate daraus übernehmen. Bei Fragen schreiben Sie einfach eine E-Mail an: pressedienst@bremen.de

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