23.10.2025 - Wolfgang Heumer

Gespannt auf den Gast aus dem All

Pressedienst

Riesiger Asteroid Apophis ruft das Bremer Raumfahrtunternehmen OHB auf den Plan

Dr. Andreas Gierse (links) und Dr. Rolf Janovsky von OHB stehen zusammen vor einem Galaxie-Hintergrund.
Dr. Andreas Gierse (links) und Dr. Rolf Janovsky von OHB beschäftigen sich mit dem Asteroiden Apophis © WFB/Björn Hake

Am Freitag, den 13. April 2029, wird ein Asteroid an der Erde vorbeirauschen, der das Potenzial hat, bei einem Aufprall mehrere Länder zu zerstören. Das Bremer Raumfahrtunternehmen OHB beschäftigt sich eingehend mit dem Asteroiden in seinem Satelliten-Projekt RAMSES, das auf der ESA-Ministerrats-Konferenz im November in der Hansestadt Thema sein wird. Was das mit dem ehemaligen Queen-Gitarristen Sir Brian May zu tun hat.

Apophis verheißt nichts Gutes, schließlich war er im alten Ägypten der Gott für Finsternis und Chaos. Seinen Namen wählten amerikanische Forschende vor 21 Jahren für den neu entdeckten Asteroiden „2004 MN4“. Denn zu dem Zeitpunkt stand zu befürchten, dass der ungebetene Gast aus dem All auf die Erde prallen könnte. Apophis hat immerhin einen Durchmesser von 375 Metern und besteht vor allem aus Gestein, Eisen und Nickel. „Der Aufschlag eines derartig großen Objektes entspricht in etwa der Sprengkraft von 750 Millionen Tonnen TNT. Genug, um fast ganz Europa verschwinden zu lassen“, sagt Dr. Rolf Janovsky, der sich als Direktor Vorentwicklung und Raumfahrtsysteme im Bremer Raumfahrtunternehmen OHB auch mit Systemen zur Abwehr von Asteroiden befasst. 

Mini-Satellit soll auf Apophis abgesetzt werden

Inzwischen gibt es eine wissenschaftlich fundierte Entwarnung: Berechnungen zeigen, dass Apophis im April 2029 an der Erde vorbeifliegen wird – allerdings so dicht, dass er auch ohne Teleskop oder Fernglas am nächtlichen Himmel sichtbar sein wird: „In einer Höhe von etwa 30.000 Kilometern wird er unter unseren geostationären Satelliten hindurch fliegen, die wir beispielsweise für die Wetterbeobachtung nutzen“, erläutert Dr. Andreas Gierse, der sich bei OHB mit dem Satelliten-Projekt RAMSES zur Beobachtung von Apophis befasst. RAMSES steht für Rapid Apophis Mission for Space Safety, also für eine schnelle Mission, um irdische Sicherheit vor Einschlägen aus dem All zu schaffen.

Europas Weltraum-Forschende wollen das einmalige Ereignis nutzen, um den Asteroiden bei seinem Vorbeiflug zu begleiten und einen Mini-Satelliten auf dem interstellaren Brocken abzusetzen, damit sie mehr über die Materie aus dem All erfahren. Das Bremer Raumfahrtunternehmen OHB arbeitet zurzeit gemeinsam mit seiner Tochterfirma OHB Italia im Auftrag der europäischen Weltraumorganisation ESA an der Realisierung der Mission.  

Modelll der Hera-Sonde bei OHB
Bei OHB steht ein Modell der Hera-Sonde, die den Einschlag auf dem Asteroiden Didymos untersuchen soll. © WFB/Björn Hake

Alle zwei Wochen fällt ein Stein vom Himmel

Dass der Absturz eines Asteroiden gefährliche Folgen haben kann, zeigte sich zuletzt im Februar 2013: Als ein etwa 12.000 Tonnen schwerer „Brocken“ beim Eintritt in die Erdatmosphäre über dem Ural-Gebirge zerbarst, wurden durch die Druckwelle in der Umgebung der russischen Stadt Tscheljabinsk rund 3.700 Gebäude beschädigt und etwa 1.500 Menschen verletzt.

Mit einem Durchmesser von 19 Metern war der Asteroid im Vergleich zu Apophis ein Zwerg, allerdings wurde er erst in dem Moment entdeckt, als er in die Atmosphäre eintrat. „Erdnahe Asteroide, die oft aus der Richtung der Sonne kommen, sind erst dann zu erkennen, wenn sie aus dem gleißenden Licht heraustreten“, erläutert Dr. Rolf Janovsky. Dass Asteroiden die Erde treffen, ist nicht gerade selten: Im Schnitt schlägt alle zwei Wochen ein bis zu einem Meter großer „Stein“ auf der Erde ein. Objekte wie der „Tscheljabinsk-Asteroid“ tauchen einmal in zehn Jahren am Himmel auf, Asteroiden der Apophis-Größe gelten mit durchschnittlich einer Sichtung in 5.000 bis 10.000 Jahren als selten.

„Gefahren aus dem All sind real“

Es muss nicht gleich ein gewaltiger Einschlag wie jener auf der mexikanischen Halbinsel Yucatan sein, der vor 66 Millionen Jahren 75 Prozent aller damaligen Arten auf der Erde auslöschte und das Ende der Dinosaurier einläutete. „Aber die Gefahren aus dem All sind real. Dort gibt es Millionen von Gesteinsbrocken, die im Falle einer Kollision das Leben auf der Erde gefährden könnten“, sagte bereits vor fünf Jahren der OHB-Vorstandsvorsitzende Marco Fuchs, als sein Unternehmen von der europäischen Raumfahrtagentur ESA zur industriellen Hauptauftragnehmerin für das Projekt Hera ernannt wurde. Fuchs engagiert sich schon lange für den Schutz der Erde vor Asteroiden. Hera ist der europäische Teil der bislang spektakulärsten Asteroiden-Mission gemeinsam mit der US-Raumfahrtbehörde NASA.

NASA lenkte 2021 mit Sonde einen Asteroiden ab

Im September 2021 lenkte die NASA gezielt eine Sonde auf den etwa 170 Meter großen Asteroiden Dimorphes, der den 1996 entdeckten Asteroiden Didymos wie ein Mond umkreist. Durch den Aufprall mit einer Geschwindigkeit von sechs Kilometern pro Sekunde wurde der unter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern „Didymoon“ genannte Himmelskörper tatsächlich von seiner Bahn abgelenkt. 


Das Ganze spielte sich weit entfernt von der Erde zwischen Mars und Jupiter ab. Aber es zeigte: Ein solcher mechanischer „Angriff“ könnte ein wichtiges Hilfsmittel sein, um einen drohenden Asteroiden-Einschlag auf der Erde abzuwenden. „Die Auswirkungen waren drei Mal so stark und damit erheblich effektiver, als wir es erwartet haben“, berichtet Dr. Andreas Gierse. Seit Oktober 2024 ist nun die von OHB entwickelte und gebaute Sonde Hera auf dem Weg zu Didymos und Dimorphos, um dort ab Ende 2026 die genauen Folgen des Einschlages zu untersuchen. Zudem soll die Mission Details über den Doppel-Asteroiden wie zum Beispiel die Masse und die Form der beiden Objekte sammeln.

RAMSES-Mission startet im April 2028

Mit Hera haben sich die Fachleute von OHB für die Erforschung von Asteroiden und damit auch für die Entwicklung von Technologien zu ihrer Abwehr qualifiziert. Das gilt insbesondere für das aktuelle Projekt, das unter erheblichem Zeitdruck steht: Um Apophis im Februar 2029 rechtzeitig zu erreichen, muss die RAMSES-Mission bereits im April 2028 starten. „Hera war zeitlich bereits eine Herausforderung“, bestätigt Dr. Gierse. Aber dem Bremer Team war es gelungen, das Gesamtkonzept und den Satelliten innerhalb von vier Jahren zu entwickeln, zu bauen, zu testen und schließlich auch zu starten. „Diese Erfahrung kommt uns jetzt zugute“, ist Gierse überzeugt.

Wie Hera wird auch RAMSES aus einem Hauptsatelliten sowie zwei Mini-Satelliten – sogenannten Cube-Sats – bestehen. Während der „Große“ den Asteroiden als Ganzes beobachtet und die Kommunikation zwischen All und Erde sicherstellt, werden sich die beiden „Minis“ Apophis im Detail anschauen und ihn beispielsweise exakt vermessen.

Dr. Andreas Gierse (links) und Dr. Rolf Janovsky bei Modell-Sonde Hera
Dr. Andreas Gierse (links) und Dr. Rolf Janovsky mit einem Modell der ESA-Sonde Hera. © WFB/Björn Hake

Mini-Satellit landet auf wabernder Stein- und Geröllmasse

Einer der beiden „Cubes“ soll auf Apophis landen. Der Asteroid ist kein monolithischer Block, sondern eine eher lockere Zusammenballung von Gesteinsbrocken und Metallen. Während des Vorbeiflugs an der Erde interessiert die Forschenden vor allem ein Phänomen: „Durch die Anziehungskraft der Erde wird er gewissermaßen durchgerüttelt und sich verformen“, erläutert Dr. Gierse. Das Wissen darüber erlaubt Rückschlüsse auf die Struktur und Zusammensetzung von Asteroiden. Die notwendigen Messinstrumente auf den Cubes ähneln jenen, die schon bei Hera eingesetzt werden. „Das spart ebenfalls Entwicklungszeit“, betont der Projektleiter. Der so gewonnene Vorsprung sichert den europäischen Raumfahrtfachleuten beim Vorbeiflug von Apophis einen Platz in der ersten Reihe: „Alle anderen Missionen zum Beispiel aus Japan, China oder den USA werden Apophis erst erreichen, wenn er die Erde bereits passiert hat.“

Auf der Erde können zwei Milliarden Menschen Apophis beobachten

Beim Blick auf den Asteroiden werden die Bremer Raumfahrt-Fachleute aber nicht allein sein. „In Europa und Afrika können rund zwei Milliarden Menschen Apophis beobachten“, weiß Dr. Janovsky. Und das nicht nur mit bloßem Auge am Himmel: „Wenn alles klappt wie geplant, werden wir auch Live-Bilder aus nächster Nähe zeigen können“, ist Dr. Gierse überzeugt.

Zu den Beobachtern wird auch Sir Brian May zählen. Der ehemalige Lead-Gitarrist der Rockband Queen ist im Hauptberuf Astrophysiker und gehört – wie OHB-Vorstand Marco Fuchs – zu jenen, die unermüdlich den Schutz der Erde vor Asteroiden-Einschlägen anmahnen. Hera und die Didymos-Mission haben May bereits optimistisch gestimmt: „Wenn tatsächlich einmal ein Asteroid auf uns zurast, sind wir gewappnet“, sagte er in einem Video, als die Hera-Sonde aus Bremen den Mars passierte.

ESA-Ministerratskonferenz im November in Bremen

Diese Fähigkeit ist nicht zu unterschätzen: „Im Gegensatz zu Erdbeben, Tsunamis oder Unwettern sind Asteroiden-Einschläge die einzige Naturkatastrophe, die wir mit technischen Mitteln verhindern können“, sagt Dr. Rolf Janovsky. Die wesentliche Weichenstellung dafür erfolgt am 26. und 27. November 2025 in Bremen. Während seiner diesjährigen Tagung soll das oberste Gremium der Europäischen Weltraumorganisation, der ESA-Ministerrat, die Finanzierung für RAMSES freigeben.


Pressekontakt:

Marianne Radel, Leiterin Unternehmenskommunikation OHB, Tel.: +49 421 2020 9159, E-Mail: 
marianne.radel@ohb.de


Bildmaterial:      
Das Bildmaterial ist bei themengebundener Berichterstattung und unter Nennung des jeweils an-gegebenen Bildnachweises frei zum Abdruck.   

  
Foto 1: Dr. Andreas Gierse (links) und Dr. Rolf Janovsky von OHB beschäftigen sich mit dem Aster-oiden Apophis. ©WFB/Björn Hake

Foto 2: Bei OHB steht ein Modell der Hera-Sonde, die den Einschlag auf dem Asteroiden Didymos untersuchen soll. ©WFB/Björn Hake

Foto 3:  Dr. Andreas Gierse (links) und Dr. Rolf Janovsky mit einem Modell der ESA-Sonde Hera. ©WFB/Björn Hake 

Der Pressedienst aus dem Bundesland Bremen berichtet monatlich über Menschen und Ges-chichten aus dem Bundesland Bremen mit überregionaler Relevanz, herausgegeben von der WFB Wirtschaftsförderung Bremen GmbH. Bei den Artikeln handelt es sich nicht um Werbe- oder PR-Texte, sondern um Autorenstücke, die von Journalistinnen und Journalisten geschrieben werden. Es ist erwünscht, dass Redaktionen den Text komplett, in Auszügen oder Zitate daraus überneh-men.      

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