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12.6.2025 - Janet Binder

Aus alt mach neu

Pressedienst

Wie aus alten Materialien aus einem Bremer Wohn- und Geschäftshaus neue werden

Zwei Männer stehen auf einer Baustelle
Die Architekten Felix Erbert (links) und Michael Schröder auf der Baustelle. © WFB / Jens Lehmkühler

Hunderte gestapelte Ziegelsteine liegen auf dem eingezäunten Baustellenplatz. Daneben befinden sich zahlreiche Holzbalken sowie Holz von Fußböden und Wandbekleidungen. Die strikte Trennung der Materialien und die Ordnung ist für den Rückbau eines alten Gebäudes ungewöhnlich. Normalerweise erledigt ein Bagger den Abriss, der Bauschutt landet in Containern. Aus diesem ehemaligen Wohn- und Geschäftshaus im Bremer Ostertor wurde jedoch jedes Materialstück einzeln von Hand geholt – teils mit Hilfe eines Krans und einer Lore. Denn die alten Baumaterialen sollen wiederverwertet werden und müssen daher möglichst instand bleiben.

CO2-Emmissionen durch Wiederverwertung vermeiden

Rund 90 Prozent hochwertiges Recycling – so lautet das ehrgeizige Ziel der Bremer Architekten und Bauherrn Michael Schröder, Tobias Willers und Johann Plagemann für den Rückbau des Gebäudes, in dem lange ein Berufsbekleidungsgeschäft ansässig war. Sie wollen damit ein Zeichen in Zeiten des Klimawandels und knapper Baumaterialien setzen. „Durch die Wiedernutzung der Bauteile und Materialien können CO2-Emissionen von mehreren hundert Tonnen vermieden werden, die durch die Produktion neuer Baustoffe und die Entsorgung des Abfalls freigesetzt würden“, unterstreicht Michael Schröder.

Vor drei Jahren erwarb das Trio das mehrstöckige Gebäude, das bis zur behördlichen Genehmigung eines Neubaus für Theaterstücke, Ausstellungen und temporäre Gastronomie zwischengenutzt wurde. Auf dem Grundstück sollen 14 neue Wohnungen und zwei Gewerbeeinheiten entstehen. Das alte Gebäude, das im Kern hundert Jahre alt war, genügte den modernen Bauanforderungen nicht. „Allein wirtschaftlich wäre eine reine Sanierung nicht machbar gewesen“, sagt Schröder. Ein gewöhnlicher Abriss mit einem Bagger aber kam schon deshalb nicht infrage, weil sich unter dem Parkplatz hinter dem Haus eine Tiefgarage befindet. Die Lasten durch die Maschinen wären zu schwer gewesen. „Auch wegen der Nachbargebäude musste der Rückbau vorsichtig per Hand erfolgen“, ergänzt Felix Erbert, der als Architekt die Baustelle beaufsichtigt.

Referenzprojekt für Kreislaufwirtschaft-Bündnis

Da alles per Handarbeit abgetragen werden musste, kam die Idee auf, so viel Material wie möglich nachhaltig wiederzuverwerten. „Wenn wir das machen, dann richtig“, betont Michael Schröder. Das Thema ist nicht neu für ihn: Der Architekt ist bei bau-circle aktiv, einem Bündnis zur Kreislaufwirtschaft im Bauwesen. Ziel des Projekts ist es, nachhaltige Bauprozesse zu unterstützen und so zu mehr Umweltschutz und einer Reduzierung des CO2-Ausstoßes beizutragen. Das Projekt wird aus dem Förderfonds der Metropolregion Nordwest unterstützt, Schirmherrin ist Bremens Umweltsenatorin Kathrin Moosdorf. Der Rückbau des Hauses im Ostertor ist für bau-circle zum Referenzprojekt geworden.

Zwei Männer werfen Ziegelsteinen in einen roten Container auf einer Baustelle
Zwei Bauarbeiter legen Ziegelsteine von Hand in einen Container. © WFB / Jens Lehmkühler

Wie wichtig es ist, im Bausektor umzudenken, zeigen ein paar Zahlen: Bau- und Abbruchabfälle stellen in Deutschland nach Angaben des Umweltbundesamtes über die Hälfte des Gesamtabfallaufkommens dar. Herstellung, Errichtung, Sanierung und Nutzung von Gebäuden sind zudem laut Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung für rund 40 Prozent der gesamten deutschen CO2-Emissionen verantwortlich. Fachleute sind sich daher einig, dass es notwendig ist, den Rohstoffverbrauch zu reduzieren, um die negativen Auswirkungen auf das Klima und die Umwelt zu minimieren. „Die Bauwirtschaft muss zwangsläufig neue Ansätze finden, um Umwelt, Klima und Ressourcen zu schonen“, betont Michael Schröder.

Alte Ziegel werden für den Erweiterungsbau einer Schule wiedergenutzt

Fenster und Türen wurden so ausgebaut, dass sie wieder zum Einsatz kommen können. Einige gingen zur Bauteilbörse Bremen, andere bekommen ein zweites Leben in einem Gartenatelier. Die gut erhaltenen Ziegel erhält einer der größten Ziegelhersteller Europas, der sie wiederaufarbeitet. „Sie werden für die Erweiterung einer Schule in Oldenburg eingesetzt“, so Schröder.

Ziegel, die beim Rückbau Schaden erlitten haben, werden geschreddert und als Substrat für Gründächer genutzt. „Dadurch wird neues Tonmaterial ersetzt“, unterstreicht der Architekt. Aus den Holzbalken werden unter anderem Holzsteine gefertigt, mit denen sich neue Wände bauen lassen. Gipsfaserplatten werden nicht wie sonst üblich deponiert, sondern ebenfalls zu neuen Wandbaustoffen verarbeitet. Die Zellulosedämmung wird für den Wiedereinbau eingelagert. Die gebrochenen Platten aus dem Sandsteinfußboden im Keller werden geschreddert und dem Terrazzoboden im Neubau als farbiger Bruch beigemischt – als kleine Reminiszenz an das alte Gebäude.

Ein Mann hält ein Fenster
Michael Schröder hat sich auch ein Fenster für den Privatgebrauch gesichert. © WFB / Jens Lehmkühler

„Man braucht Zeit und Kontakte“

Natürlich sei nicht jedes Gebäude für einen so detaillierten Rückbau geeignet. „Letztlich braucht man Zeit und Kontakte“, sagt Michael Schröder. Dauert normalerweise ein Abriss zwei, drei Wochen, benötigen die drei Bauherrn für das Projekt im Ostertor zwei Monate. „Wir kümmern uns um jedes Bauteil und seinem neuen Verbleib selbst“, erklärt er. Teurer als ein konventioneller Abriss ist der nachhaltige Rückbau nicht: „Wir hoffen, dass er plus/minus null aufgeht.“ Denn durch das Recycling fallen auch die Entsorgungskosten von vielen Materialien weg.

Ein altes Fenster hat sich Michael Schröder privat gesichert. Als Erinnerung an dieses besondere Bauprojekt soll es einen Platz bei einer anstehenden Renovierung eines Altbremer Hauses bekommen.

Pressekontakt:
Michael Schröder, SAR SchröderArchitekten, Tel.: +49 421 696 286-128, E-Mail: m.schroeder@sar-bremen.de

Bildmaterial:    
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Foto 1: Die Architekten Felix Erbert (links) und Michael Schröder auf der Baustelle.  ©WFB/Jens Lehmkühler
Foto 2: Zwei Bauarbeiter legen Ziegelsteine von Hand in einen Container. ©WFB/Jens Lehmkühler
Foto 3:  Michael Schröder hat sich auch ein Fenster für den Privatgebrauch gesichert. ©WFB/Jens Lehmkühler

Der Pressedienst aus dem Bundesland Bremen berichtet monatlich über Menschen und Geschichten aus dem Bundesland Bremen mit überregionaler Relevanz, herausgegeben von der WFB Wirtschaftsförderung Bremen GmbH. Bei den Artikeln handelt es sich nicht um Werbe- oder PR-Texte, sondern um Autorenstücke, die von Journalistinnen und Journalisten geschrieben werden. Redaktionen können den Text komplett, in Auszügen oder Zitate daraus übernehmen.    
 
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