Was ist ein Sozialunternehmen?
Social EntrepreneurshipSozialunternehmen einfach erklärt

Was ist ein Sozialunternehmen? Sozialunternehmen lösen soziale oder ökologische Probleme mit unternehmerischen Mitteln. Der Definition nach ist ihr Ziel, Nutzen für die Gesellschaft zu schaffen und ihr den Profit wieder zukommen zu lassen.
Es geht also nicht darum, möglichst viel Gewinn zu erwirtschaften, sondern der Gesellschaft etwas zurückzugeben. Das kann auf sehr unterschiedliche Art und Weisen geschehen und auf vielen verschiedenen Gebieten. Etwa, indem Sozialunternehmen Kinderarmut bekämpfen, Bildungsprogramme für Benachteiligte schaffen oder die Natur schützen. Sie wollen eine bestimmte Wirkung erzielen – Sozialunternehmen ist es wichtig, wirkungsorientiert zu arbeiten, abseits von hohen finanziellen Profiten.
Begriff Sozialunternehmen definiert
Neben dem Wort „Sozialunternehmen“ selbst fallen häufig noch andere Begriffe in der Diskussion. Manche von ihnen lassen sich synonym verwenden, sie meinen also dasselbe, andere wiederum klingen ähnlich, meinen aber etwas komplett anderes. Um ein wenig Licht in die Begriffsdefinition zu bringen, haben wir hier einmal die wichtigsten Ausdrücke aufgelistet und erklärt.
Was ist ein Sozialunternehmen?
Die EU-Kommission hat bereits 2011 Sozialunternehmen folgendermaßen definiert:
Unter „Sozialunternehmen“ versteht die Kommission Unternehmen,
- für die das soziale oder gesellschaftliche gemeinnützige Ziel Sinn und Zweck ihrer Geschäftstätigkeit darstellt, was sich oft in einem hohen Maße an sozialer Innovation äußert,
- deren Gewinne größtenteils wieder investiert werden, um dieses soziale Ziel zu erreichen
- und deren Organisationsstruktur oder Eigentumsverhältnisse dieses Ziel widerspiegeln, da sie auf Prinzipien der Mitbestimmung oder Mitarbeiterbeteiligung basieren oder auf soziale Gerechtigkeit ausgerichtet sind.
Wichtig: Es geht immer um unternehmerisches Handeln. Stiftungen, nicht-kommerzielle Vereine, Bewegungen oder Initiativen organisieren sich nicht nach betriebswirtschaftlichen Regeln und sind hier explizit nicht gemeint. Diese leisten natürlich auch wichtige Arbeit für die Gesellschaft und sie arbeiten oft eng mit Sozialunternehmen zusammen, kooperieren oder fördern diese. Warum unternehmerisches Handeln im sozialen und ökologischen Bereich Vorteile haben kann, dazu später mehr.
Sozialunternehmen sind in vielen Branchen aktiv. Laut dem Deutschen Social Entrepreneurship Monitor sind die wichtigsten Bereiche Erziehung und Unterricht, das Gesundheits- und Sozialwesen und der Informations- und Kommunikationssektor. Aber auch in Bereichen wie der Energieversorgung, Landwirtschaft, Baugewerbe oder im Immobiliensektor finden sich zahlreiche Beispiele.
Einige in Bremen ansässige Sozialunternehmen sammeln wir in dieser Übersicht.

Soziale/sozialwirtschaftliche Unternehmen
Soziale Unternehmen oder Unternehmen der Sozialwirtschaft sind Teil der Gesamtmenge der Sozialunternehmen. Unter ihnen werden für gewöhnlich Beschäftigungs- und Bildungsträger, Wohlfahrtorganisationen und andere unternehmerische Initiativen verstanden, die mit beeinträchtigten, arbeitssuchenden oder sozial benachteiligten Zielgruppen arbeiten. Das können zum Beispiel Werkstätten für Behinderte sein, Wohlfahrtsträger wie die AWO, Pflegedienste oder Schulträger. Ihnen geht es vor allem darum, Menschen zu betreuen und eine Chance auf Arbeit und Beschäftigung zu geben, die auf dem regulären Arbeitsmarkt keine Chance haben. Im Gegensatz zu Sozialunternehmen nach europäischer Definition sind ihre Geschäftsmodelle bereits seit Jahrzehnten erprobt.
Was ist Social Entrepreneurship?
Aus dem englischen Sprachraum kommend, verbreitet sich dieser Begriff auch in Deutschland zusehends. Im Deutschen nimmt er häufig Bezug auf Start-ups, also Jungunternehmen, deren Gründung weniger als fünf Jahre zurückliegt. Das Starthaus Bremen, erster Anlaufpunkt für alle Gründerinnen und Gründer in Bremen, schreibt etwa:
„Social Entrepreneure sind die Unternehmer:innen, die Innovationen entwickeln, den Markt verändern und oft ein hohes persönliches Risiko eingehen.(…) Sie adressieren zum Beispiel ungelöste soziale und/oder ökologische Probleme, garantieren finanzielle und ökonomische Nachhaltigkeit, handeln umweltverantwortlich und zahlen angemessene und marktgerechte Gehälter.“
Auch der deutsche Verband SEND (Social Entrepreneurship Netzwerk Deutschland) definiert Social Entrepreneurship ganz ähnlich. Als Interessenvertretung bündelt SEND vielen Kräfte und Ideen zum Thema Social Entrepreneurship in Deutschland und möchte den Sozialunternehmer:innen ein größeres Gehör verschaffen. Auch die WFB ist Mitglied:
"Das primäre Ziel von Social Entrepreneurship ist die Lösung gesellschaftlicher Herausforderungen. Dies wird durch kontinuierliche Nutzung unternehmerischer Mittel erreicht und resultiert in neuen und innovativen Lösungen. Durch steuernde und kontrollierende Mechanismen wird sichergestellt, dass die gesellschaftlichen Ziele intern und extern gelebt werden."
Neben dem unternehmerischen Aspekt betont auch SEND den innovativen Charakter des Geschäftsmodells. Als dritte Ebene kommt auch hier die Verwendung von Mitteln und der Umgang mit Angestellten sowie Kundinnen und Kunden hinzu: Beides erfolgt transparent, demokratisch und sozial verträglich. Gewinne sollen wieder in den Unternehmenszweck reinvestiert werden, um die eigene Wirkung zu vergrößern.
Soziales Unternehmertum
Dieser Begriff wird synonym mit „Social Entrepreneurship“ oder „Sozialunternehmen“ verwendet. Er bezeichnet ebenso Firmen mit innovativen Ansätzen im sozialen und ökologischen Bereich.

Gemeinwohlökonomie und Corporate Social Responsibility
Diese beiden Begriffe haben nichts mit Sozialunternehmen zu tun, aber sind thematisch eng verwandt:
Gemeinwohlökonomie
Hinter diesem Begriff steht ein Konzept des österreichischen Politologen Christian Felber, der sich 2010 ein alternatives Wirtschaftssystem erdachte. Das dient nicht mehr der Profitmaximierung wie im Kapitalismus, sondern soll einen Mehrwert für Gesellschaft und Umwelt schaffen. Unternehmen versuchen ihr Geschäftsmodell bestmöglich darauf auszurichten, Umwelt und Gesellschaft zu schonen, Ressourcen zu sparen und Solidarität zu leben und Angestellte, Kundinnen und Kunden wie Lieferanten wertschätzend zu behandeln.
Ein Baustein der Gemeinwohlökonomie (GWÖ) ist die Gemeinwohl-Bilanz, eine Art Zertifizierung, die Unternehmen ähnlich einer Jahresbilanz aufstellen. Sie gibt nicht Auskunft über Gewinn und Verlust, sondern darüber, wie gut sich das Unternehmen im vergangenen Jahr dem Thema sozial verantwortliches und umweltbewusstes Handeln genähert hat. Zahlreiche Unternehmen in Deutschland erstellen mittlerweile Gemeinwohl-Bilanzen und organisieren sich in Vereinen.
Im Gegensatz zu Sozialunternehmen hat ein Unternehmen, das der Gemeinwohlökonomie folgt, aber nicht den Zweck, soziale oder ökologische Probleme zu lösen. Das Unternehmen kann jedem möglichen Zweck nachgehen. Ein Beispiel ist etwa Brüssel & Maass, eine Spedition aus Bremerhaven, die in ihrer Gemeinwohlbilanz etwa auf Themen wie CO2-Emissionen, Ausbildung und Umgang mit den eigenen Angestellten wert legt. Im Kern erbringt sie aber nach wie vor Transportdienstleistungen.
Corporate Social Responsibility
Corporate Social Responsibility bezeichnet die unternehmerische Verantwortung gegenüber der Gesellschaft. Auch CSR abgekürzt, richtet sich dieses Konzept an die klassische Wirtschaft – also nicht nur an Unternehmen, die sich explizit gesellschaftlichen Themen annehmen. Es geht vielmehr darum, dass ein Betrieb sich darüber Gedanken macht, inwiefern sich das eigene Handeln auf Umwelt und Mitmenschen auswirkt. Und dann Maßnahmen ergreift, um Missstände zu beheben oder sich gesellschaftlich zu engagieren.
Seit 2017 sind deutsche Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten gesetzlich dazu verpflichtet, jährlich CSR-Berichte anzufertigen. In ihnen müssen sie ihre Anstrengungen im Bereich sozialer und ökologischer Belange, der Behandlung von Arbeitnehmenden, Achtung von Menschenrechten oder Bekämpfung von Korruption festhalten.
Das CSR-Konzept ähnelt der Gemeinwohlökonomie, ist aber bei weitem nicht so streng formuliert. Während die Gemeinwohlökonomie ein eigenes Weltbild ist und den Unternehmen sehr genaue Auflagen macht, wenn sie eine GWÖ-Bilanz aufstellen wollen, gibt es dieses enge Regelkorsett bei CSR nicht. Hier können Unternehmen freier interpretieren, wie sie CSR umsetzen (abgesehen von gesetzlichen Vorgaben für große Unternehmen).
Vorteile und Nachteile von Sozialunternehmen
Bei der Frage danach, was ein Sozialunternehmen ist, sollte auch der Aspekt des Warum zur Sprache kommen: Warum überhaupt ein Unternehmen? Und warum kein Verein, keine Stiftung oder Sozialträger? Denn auch in diesen Formen des gemeinsamen Arbeitens organisieren sich heute hunderttausende Menschen in Deutschland, um sich ehrenamtlich oder hauptberuflich für die Gesellschaft zu engagieren.
Dafür gibt es verschiedene Gründe. So muss ein Verein zum Beispiel von mehreren Personen (mindestens sieben) gegründet werden, er muss bestimmte Organe besetzen (den Vorstand), die alle Einfluss bei Entscheidungen nehmen können. Der Vorstand haftet persönlich. Bei einer unternehmerischen Rechtsform gibt es diese Einschränkungen nicht, die Haftung ist beschränkt (je nach Rechtsform). Zudem können Unternehmen besser Finanzierungen wahrnehmen – eine Bank gibt einem Verein in vielen Fällen nicht so schnell Geld wie einem Unternehmen. Ein wichtiger Punkt, denn viele Sozialunternehmen möchten mit ihren innovativen Geschäftsmodellen wachsen: sich neue Standorte erschließen, ihr Programm skalieren, neue Produkte oder Dienstleistungen entwickeln - und hierfür benötigen sie Geld.
Auch externe Investierende können einfacher in ein Unternehmen einsteigen und Anteile erwerben - auch, wenn dieses aus dem Start-up-Bereich stammende Modell bei Sozialunternehmen eher selten ist.
Zudem fällt es Unternehmen leichter, am Markt zu agieren – etwa Lieferanten zu beauftragen oder Kundinnen und Kunden Rechnungen zu stellen. Da ein Großteil unserer Gesellschaft marktwirtschaftlich aufgebaut ist, gestaltet es sich für ein Unternehmen einfacher, auch selbst innerhalb dieses Systems zu agieren.
Das heißt aber nicht, dass sich Sozialunternehmen nur über den Verkauf von Produkten oder Dienstleistungen finanzieren. In der Realität vermischen sich viele Arten der Finanzierung, die von Spenden über Investitionen, Zuwendungen, öffentliche Gelder bis hin zum Verkauf reichen.
Rechtsform von Sozialunternehmen
Sozialunternehmen können in sehr unterschiedlichen Rechtsformen agieren. Neben allen unternehmerischen Organisationsformen (GmbH, GbR, UG, AG, Einzelunternehmen) können sie auch als Verein organisiert sein oder als Genossenschaft (eG). Manche Soziaunternehmen wollen dabei "Gemeinnützigkeit" erlangen, also den Status "gemeinnützige GmbH (gGmbH)" oder "gemeinnützige Genossenschaft" (geG). Dieser Status hat zahlreiche Vorteile wie geringere Steuerabgaben, oder öffnet Türen bei bestimmten Geldgebern, kommt aber auch mit hohen Auflagen einher, die vom Finanzamt streng kontrolliert werden. Eine Genossenschaft ist immer dann sinnvoll, wenn eine große Zahl an potenziellen Interessierten gemeinsam etwas erreichen will. Sie bietet zahlreiche Vorteile und ist eine der insovolvenzsichersten Rechtsformen Deutschland.
Es gibt aber noch weitere Organisationsformen, die bei Sozialunternehmen relevant sind, weil bei ihnen der Partizipationsgedanke im Vordergrund steht. Dazu zählen Kollektivunternehmen oder gemeinschaftsgetragene Unternehmen - also Organisationen, bei denen das Eigentum und/oder die Verantwortlichkeit bei vielen oder allen liegt - sowohl bei den Produzentinnen und Produzentinnen als auch Kundinnen und Kunden.
Mehr über die Wahl der richtigen Rechtsform auch in der Broschüre "Rechtsformen für Sozialunternehmen".
Sozialunternehmen gründen
Das Interesse an Sozialunternehmen wächst seit vielen Jahren kontinuierlich. Wie man ein Sozialunternehmen gründet und was es dabei zu beachten gibt, hat das Starthaus Bremen einmal zusammengetragen: Wie gründe ich ein Sozialunternehmen?
Zahlen zu Sozialunternehmen in Deutschland
Über die genauen Zahlen zu Sozialunternehmen in Deutschland gibt es sehr unterschiedliche Quellen. Das liegt an der großen Vielfalt an Definitionen des Begriffs Sozialunternehmen. Die Zahlen reichen dabei von 1.700 Unternehmen bei einer engen Definition solcher mit innovativen Geschäftsmodellen bis hin zu 77.000 und 100.000 bei einer weiten Definition, die auch nicht-innovative Geschäftsmodelle miteinbezieht. (Quelle: Europäische Kommission, 2020 und KfW 2019)
Klar ist hingegen: Die Zahl der Unternehmen mit sozialer Ausrichtung nimmt zu. Der Social Entrepreneurship Monitor 2024 besagt, dass zwei Drittel aller Sozialunternehmen jünger als 10 Jahre sind.
Das Potenzial der Sozialunternehmen ist riesig. Allgemeine Zahlen finden sich hierzu nicht – Ahsoka, die weltweit erste Organisation zur Förderung von Sozialunternehmen hat in einer Studie allein für die vom Verband in Deutschland geförderten Unternehmen ein Marktpotenzial von 18 Milliarden Euro im Jahr errechnet.
Sozialunternehmen in Bremen
In Bremen nimmt die Zahl der Sozialunternehmen zu, auch wenn es hier ebenfalls keine Erhebungen gibt. In den vergangenen Jahren bildete sich ein kleines Ökosystem in der Hansestadt mit dem Ziel, die Neugründung oder Ansiedlung von Unternehmen zu fördern. Dabei konzentriert sich Bremen auf innovative Sozialunternehmen (EU-Definition), da in ihnen großes Wachstumspotenzial steckt.
Das Bremer Ökosystem wird unterstützt durch das Projekt „Förderung der Solidarischen Wirtschaft, Genossenschaften und Social Entrepreneurship“ der Senatorin für Wirtschaft, Häfen und Transformation. Unter dem gemeinsamen Projekt vereinen sich Maßnahmen des Starthauses Bremen und Bremerhaven, der Bremerhavener Gesellschaft für Investitionsförderung und Stadtentwicklung mbH (BIS) sowie der Wirtschaftsförderung Bremen (WFB).
Weitere wichtige Player in Bremen und Bremerhaven sind das Social Impact Lab Bremen sowie die Hilfswerft, die bei der Vernetzung junger und innovativer Unternehmen in Bremen unterstützen, Events organisieren und zu vielfältigen Themen informieren.
Erfolgsgeschichten
Essbare Gärten
Volker Kranz gehörte mit zu den ersten, die in den 1990er-Jahren die Idee der Permakultur nach Deutschland brachten. Seitdem ist die Nachfrage nach nachhaltigen Gärten stark gestiegen. Die von ihm in Bremen gegründete Landschaftsbaufirma baumrausch plant und erstellt europaweit ökologisch wertvolle Grünflächen – so wie auch den Waldgarten der Autorin Cornelia Funke.
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