Demokratie leben
LebensqualitätWie sich Saher Khanaqa-Kükelhahn mit ihrem Verein Lichtgrenze für Integration einsetzt
Saher Khanaqa-Kükelhahn kam vor 40 Jahren mit ihren Eltern aus dem Irak nach Deutschland und fand in Bremen eine neue Heimat. Heute hilft sie anderen Menschen beim Ankommen, organisiert Beschäftigungsprogramme und Demokratie-Projekte. Ihr Verein Lichtgrenze ist für den Deutschen Engagementpreis nominiert.
Wer sich mit Saher Khanaqa-Kükelhahn unterhält, spürt sofort ihre Energie. Die 57-Jährige erzählt lebhaft, die Ideen und Gedanken sprudeln nur so aus ihr heraus. Stillsitzen und Abwarten ist nicht ihr Ding, sie will etwas bewegen. Davon zeugt auch ihre berufliche Bandbreite: Sie ist Psychologin, Theaterschauspielerin, Vereinsgründerin und Buchautorin. Zusammen mit ihrem rund 50-köpfigen Team vom im vergangenen Jahr gegründeten Verein Lichtgrenze Bremen initiiert sie Beschäftigungs- und berufliche Qualifizierungsprogramme für Geflüchtete, bietet Sprachförderung an. Sie arbeitet mit Kindern und Jugendlichen und therapiert in ihrer Praxis kriegstraumatisierte Menschen.
Für den Deutschen Engagementpreis 2025 nominiert
Ein Thema liegt ihr bei allem besonders am Herzen: das demokratische Miteinander. Die Wahl-Bremerin und gebürtige Irakerin organisiert Projekte, Ausstellungen und Partys. „Demokratie ist nicht nur eine politische Aufgabe, sie fängt bei uns selbst an“, sagt Saher Khanaqa-Kükelhahn. Erst kürzlich wurde der Verein Lichtgrenze Bremen für sein Engagement im Bereich Vielfalt und Integration von der Initiative Startsocial ausgezeichnet wurde. „Eine tolle Ehrung für uns als neu gestarteter Verein“, sagt die Gründerin. „Es zeigt, dass unserer Arbeit anerkannt und wertgeschätzt wird.“ Der Verein ist auch für den Deutschen Engagementpreis 2025 nominiert.
Die Projekte waren zuvor im Bürgerzentrum Neue Vahr gebündelt. Nun geht es mit ihnen im Verein weiter. Eines der neuesten heißt „Square-Deutschlandweit“. Die Idee: An verschiedenen Orten in Bremen und anderen Städten sollen Menschen in Kontakt kommen und über Demokratie und Integration diskutieren. Khanaqa-Kükelhahn möchte Menschen beteiligen und erreichen, dass sie eine eigene Haltung entwickeln, egal wie kontrovers diese zunächst sein mag.
Menschen helfen, sich wieder zuhause zu fühlen
Dass sich das Thema Demokratie wie ein roter Faden durch ihre Arbeit zeiht, hängt eng mit ihrer eigenen Migrationsgeschichte zusammen. Als Kind und Jugendliche hat sie den Irakkrieg miterlebt. Im Alter von 16 Jahren kam sie Mitte der 1980er-Jahre mit ihren Eltern aus dem kurdischen Gebiet des Iraks nach Hannover, lernte Deutsch, machte ihr Abitur. In Bremen studierte Saher Khanaqa-Kükelhahn Psychologie, eröffnete mit nur 24 Jahren ihre eigene Praxis.
Sie spricht arabisch, kurdisch und türkisch. Für ihre Arbeit sei das ein großer Vorteil, sagt sie. Denn in ihre Praxis kommen viele Menschen mit Migrationsgeschichten, die Krieg und Flucht erlebt haben. Die Frage, was man für sie tun könne, beschäftige sie seit dem Psychologiestudium. Sie ist überzeugt: „Integrierte Menschen haben eine bessere psychische Gesundheit.“ Mit ihrer Arbeit möchte sie Geflüchteten auf ihrem Weg in den Beruf und in die Gesellschaft unterstützen. „Integration und Teilhabe sind außerdem ein wichtiger Teil, um sich wieder zuhause zu fühlen.“
Mut machen und Brücken bauen
In den letzten Jahren hat Saher Khanaqa-Kükelhahn zahlreiche niedrigschwellige Integrationsprojekte auf die Beine gestellt: Eine Upcycling-Werkstatt im Klimaladen im Bremer Stadtteil Vahr, wo die Teilnehmenden nicht nur nähen lernen, sondern auch die deutsche Sprache. Ein Theaterensemble, bei dem Bremer Jugendliche mit geflüchteten Gleichaltrigen auf der Bühne stehen sowie die Kantine im Theater Bremen, wo Geflüchtete kochen und sich somit für den Arbeitsmarkt qualifizieren. „Dort lernen die Teilnehmenden die Sprache deutlich schneller als in einem Sprachkurs“, ist die Vereinsgründerin überzeugt.
Beschäftigung stärkt auch das Selbstbewusstsein
So war es auch bei der Iranerin Homa, die wenig Deutsch sprach und daher lange keine Anstellung fand. Über ein Beschäftigungsprogramm kam sie zum Verein und arbeitet nun seit anderthalb Jahren in der Kantinenküche des Theater Bremen. Sie konnte so ihre Sprachkenntnisse deutlich verbessern. Mit ihren Projekten möchte Saher Khanaqa-Kükelhahn aber nicht nur die Sprachkompetenz fördern, sondern auch das Selbstbewusstsein vor allem von geflüchteten Frauen stärken. „Diese Kombination ist für mich der Schlüssel zur beruflichen Integration.“
Es geht ihr darum, Geflüchteten Mut zu machen und ihnen Brücken zu bauen – in die Gesellschaft, in den Arbeitsmarkt. Das für das Arbeitsamt zertifizierte Programm „Zweitkraft in Schulen“ hilft Menschen mit Fluchterfahrung, die in ihrer Heimat als Lehrkräfte oder Pädagoginnen und Pädagogen gearbeitet haben. Sie durchlaufen zunächst eine dreimonatige Einführungsphase, bevor sie in einer neunmonatigen Praxisphase in Schulen eingesetzt werden.
„Für mich war die Flucht eine große Chance“
Die öffentliche Kantine im Theater am Goetheplatz ist das sichtbarste Projekt des Vereins, weil sie zugleich Veranstaltungsort ist. Zweimal wöchentlich findet hier das Café Global statt, ein Treffpunkt für Geflüchtete unterschiedlichster Kulturen, die gemeinsam ihre Deutschkenntnisse verbessern und sich austauschen können. Nebenan proben die Jugendlichen des von Khanaqa-Kükelhahn 2009 gegründeten Theaterensembles „The Next Generation“. Es ist eine interkulturelle Gruppe, die Theater-, Tanz- und Musikstücke entwickelt und diese in Bremer Kulturstätten aufführt. Damit will die 57-Jährige jungen Menschen die Möglichkeit geben, sich auszuprobieren und neue Perspektiven zu entwickeln. Saher Khanaqa-Kükelhahn ist stolz, wenn sie mitbekommt, dass ein Mitglied seinen Schulabschluss macht oder ein Studium beginnt.
Ihre Kindheit und Jugend im Irak hat sie geprägt, den Neuanfang in Deutschland hat sie selbst immer als Chance verstanden: „Flucht kann man als Fluch und als Segen sehen“, sagt sie. „Für mich als Kurdin ohne Stimme war die Flucht auch eine große Chance, denn bei uns gab es keine Demokratie.“ Werte wie eine lebendige Demokratie und eine freie Gesellschaft haben Saher Khanaqa-Kükelhahn motiviert, nach vorne zu schauen. „Auch meinen Eltern war immer wichtig, dass sie etwas aus dem neuen Leben machen. Wir wussten: Diese Flucht ist für immer, das ist jetzt unsere Heimat.“ Sie selbst trage eine große Dankbarkeit in sich für diesen Neuanfang, den sie mit ihrer Arbeit auch anderen Menschen ermöglichen möchte.
Buch beschreibt fiktionalisierte Fluchtgeschichten
Einige der Geschichten, von denen sie erfahren hat, hat sie literarisch verarbeitet: In ihrem Buch „Mein Ich – mein Zuhause“, das im März 2025 erschien, beschreibt sie aus der Sicht von fiktiven Menschen mit Migrationsgeschichte das Ankommen in Deutschland. Angelehnt sind die Geschichten an die Erfahrungen der Teilnehmenden in ihren Integrationsprojekten und ihrer Patientinnen und Patienten. „Die Menschen erzählen darin von ihrem Ich – trotz Krieg und Vertreibung. Man kann vieles bewältigen, die Geschichten zeigen das. Denn am Ende finden alle einen Lichtblick.“
Bremen ist zweite Heimat
Für Saher Khanaqa-Kükelhahn war einer dieser Lichtblicke ihr erster Besuch in der Hansestadt. „Ich habe mich sofort in Bremen verliebt“, erinnert sie sich. „Die Stadtmusikanten kannte ich als Märchen aus dem Irak und wollte sie unbedingt sehen.“ Sie genießt das vielfältige Kulturprogramm der Stadt, besucht gerne Konzerte oder geht ins Tanztheater – und spielt selbst Theater. Jeden Tag läuft sie 10.000 Schritte an der Weser entlang. Ihre große Leidenschaft ist das Reisen, im Laufe ihres Lebens hat sie mehr als 50 Länder gesehen. „Aber es war immer klar, dass ich wieder zurückkomme. Bremen ist meine zweite Heimat.“
Pressekontakt: Saher Khanaqa-Kükelhahn, Lichtgrenze Bremen e.V., info@lichtgrenze-bremen.de, Mobil: +49 151 115 163 76
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