12.11.2025 - Andreas Schack

Das Blaumeier-Atelier bringt Menschen zusammen

Social Entrepreneurship

Soziales Unternehmertum für inklusive Kunst

Blick in die Kunstausstellung
Blaumeier-Künstler und -Künstlerinnen zeigen ihre Werke in der Ausstellung KEINE ZEIT © jensWeyers

Karolin Oesker öffnet die Tür zur laufenden Probe. Auf der Bühne steht ein Chor im Halbkreis und summt eine Melodie. Die Stimmung ist konzentriert, aber herzlich. Ein kurzes Nicken in Richtung Besucher. Und schon geht es weiter im Takt.

Seit fast 40 Jahren arbeitet das Blaumeier-Atelier in Bremen an einer Idee, die heute aktueller ist denn je: Inklusion durch künstlerische Praxis. Hier treffen sich Woche für Woche rund 250 Menschen, mit und ohne Beeinträchtigungen, um gemeinsam zu malen, Theater zu spielen, Musik zu machen oder mit Masken zu experimentieren. Was dabei entsteht, sind öffentliche Produktionen mit Anspruch: Ausstellungen, Konzerte, Theaterstücke, Festivalauftritte. Keine Beschäftigungstherapie, sondern echte Kulturarbeit. Im kommenden Jahr feiert der Verein sein 40-jähriges Bestehen. Doch wie ist das Blaumeier-Atelier eigentlich entstanden? Was macht es heute? Und wie finanziert es sich?

Kaffee, Kuchen und Kunst

„Blaumeier ist entstanden, als in den Achtzigerjahren die Langzeitpsychiatrien aufgelöst wurden", erzählt Karolin Oesker, die seit zehn Jahren die Öffentlichkeitsarbeit verantwortet. Die ersten Teilnehmenden seien Menschen gewesen, die zuvor lange in geschlossenen Einrichtungen gelebt hatten. Junge Lehramtsstudierende aus Oldenburg wollten ihnen in Bremen wieder Anschluss geben und gründeten eine offene Kunstgruppe. Kaffee, Kuchen und Kunst, so begannen die ersten Treffen, damals noch im Kulturzentrum Schlachthof.

Bald kamen eigene Räume dazu. Die Idee wuchs weiter und mit ihr das Programm. Heute gibt es im Blaumeier-Atelier eigene Theaterproduktionen, eine Maskenwerkstatt, eine Literaturgruppe, eine Band, einen Chor und ein Atelier für bildende Kunst und analoge Fotografie. Die Teilnehmenden kommen in ihrer Freizeit, neben ihrer Arbeit in Werkstätten oder in anderen Berufen. Und sie kommen, um ernst genommen zu werden.

Professionell und persönlich

„Was hier entsteht, ist in vielen Fällen Laienkunst, weil die Menschen hier selten eine künstlerische Ausbildung haben. Aber wir haben einen hohen professionellen Anspruch", sagt Oesker. Alle Projekte arbeiten auf konkrete Ergebnisse hin: Theateraufführungen, Ausstellungen, Konzerte. Proben und Produktionen finden nicht nur im Atelier statt, sondern auch in Kooperation mit Partnerinnen und Partnern wie dem Theater Bremen. Zuletzt entstand dort „Britneys Fears" – ein Musiktheaterabend mit Blaumeier-Akteurinnen und -Akteuren sowie Band und Ensemblemitgliedern des Stadttheaters. Die Themen? „Selbstbestimmung, Fremdbestimmung, Emanzipation – künstlerisch verhandelt, vielstimmig inszeniert.“

Umzug in der Innenstadt
Unterwegs mit der Maskapelle © Frank Scheffka

Zugleich ist Blaumeier ein Ort, an dem persönliche Geschichten und gesellschaftliche Fragen aufeinandertreffen. So entstand etwa eine Inszenierung zum Thema Arbeit, ausgelöst durch einen Satz eines Teilnehmers: „Das ist doch mein Beruf!" Gemeint war sein Schauspiel. „Dieser Satz hat etwas ausgelöst", erinnert sich Oesker. „Schließlich wurde daraus ein ganzes Theaterstück."

Ideen für das Jubiläum

Zum 40-jährigen Jubiläum im nächsten Jahr plant Blaumeier eine große Ausstellung im „Wilhelm Wagenfeld Haus“. Sie zeigt die Werke der ersten Blaumeier-Künstler und -Künstlerinnen, die noch in der Langzeitpsychiatrie saßen und heute fast alle nicht mehr leben. Diese Werke werden mit der aktuellen Kunst der Nachwuchsgruppe „Blaue Sau" verbunden und gemeinsam präsentiert. Gleichzeitig wird eine neue Maskenproduktion mit dem Arbeitstitel „Maskenmuseum" vorbereitet. Die Masken, lange das Markenzeichen des Ateliers, kehren damit zurück ins Rampenlicht.

Menschen feiern auf einem Hof
Blick zurück: 1987 eröffnete das Blaumeier-Atelier © Blaumeier

Finanzielle Unterstützung

Blaumeier ist ein gemeinnütziger Verein und finanziell ein komplexes Gebilde. „Nicht mal ein Viertel unseres Budgets decken wir über Fördermittel der Kultur- und Sozialbehörde", so Oesker. Der Rest kommt aus Projektförderungen, Soziallotterien, Stiftungen, privaten Spenden, Ticketverkäufen und viel Eigeninitiative.

Rund 20 Mitarbeitende in Voll- und Teilzeit, viele Honorarkräfte und zahlreiche Ehrenamtliche halten den Betrieb am Laufen. Hinzu kommen mehr als 300 Fördermitglieder, die mit regelmäßigen Beiträgen unterstützen. Trotzdem bleibt die Finanzierung eine ständige Herausforderung. „Wenn ein Baustein wegfällt, wird es schnell eng", sagt Oesker. „Die Kosten steigen, die Förderlandschaft verändert sich. Das merken wir auch."

Kunstverkauf: Schöne Bescherung

Neben der bereits erwähnten Fördermitgliedschaft gibt es noch weitere Wege, die Arbeit des Blaumeier-Ateliers zu unterstützen. Im Atelier selbst, in der Travemünder Straße 7a in Walle, findet jedes Jahr der große Kunstverkauf „Schöne Bescherung" statt. in diesem Jahr vom 5. bis 7. Dezember 2025. Am Freitag von 15 bis 19 Uhr sowie Samstag und Sonntag jeweils von 11 bis 19 Uhr. „Wer ein Geschenk sucht oder Kunstwerke mit Geschichte erwerben möchte, ist dort genau richtig", lädt Oesker ein.

Außerdem können der „Chor Don Bleu", die Band „Fransen" oder der Walking-Act der „Süßen Frauen" für Veranstaltungen wie Tagungen, Jubiläen oder Empfänge gebucht werden. Und auch ein Besuch der Produktion „Britney's Fears", die in Zusammenarbeit mit dem Theater Bremen entstand, ist im November und im Dezember noch möglich.

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