5.11.2025 - Insa Lohmann

Sozial engagiert und in den Medien aktiv – geht das?

Social Entrepreneurship

Wie eine Bremer Kreativagentur als Sozialunternehmen agiert

Vor zehn Jahren haben Eiko Theermann und Lars Kaempf die Agentur vomhörensehen gegründet. Die Filmemacher aus Bremen wollen nicht nur ihr Wissen rund um Multimedia weitergeben, im Fokus ihrer Arbeit stehen soziale und gesellschaftsrelevante Themen. Die Verbindung von Medium und Mensch sehen sie als großes Potenzial, um Projekte aus Gesundheit, Bildung und Berufsorientierung zu realisieren.

Vor jedem Projekt stellen sich Eiko Theermann und Lars Kaempf gemeinsam mit ihrem Team immer eine entscheidende Frage: Hat das Konzept einen Mehrwert für die Gesellschaft? Nur wenn sie diese Frage guten Gewissens mit einem „Ja“ beantworten können, kommt das Projekt für sie in Frage. Denn die Kreativagentur aus Bremen bezeichnet sich selbst als Sozialunternehmen. Statt der reinen Wirtschaftlichkeit steht vor allem die Sinnhaftigkeit im Fokus: „Wir arbeiten nicht primär gewinnorientiert, sondern wollen sinnhafte und bewegende Projekte realisieren. Wir versuchen immer, das größtmögliche aus der Idee rauszuholen, auch wenn das Budget klein ist“, sagt Gründer und Geschäftsführer Eiko Theermann. „Der Fokus liegt dabei auf sozialen und gesellschaftlichen Themen.“

Neben Gesundheit und politischer Bildung gehört seit Kurzem der Bereich klischeesensible Berufsorientierung dazu. Hieraus ist das Projekt „Tandempower“ entstanden, indem junge Menschen und besonders auch Mädchen und junge Frauen für IT-Berufe begeistert werden sollen. Die Idee: Schüler:innen lernen gemeinsam mit Unternehmens-Mitarbeitenden die Anforderungen der heutigen Arbeitswelt kennen und entdecken so verschiedene IT-Berufe in der Praxis. Dieses Projekt sei eine der vielen Antworten, um dem Fachkräftemangel zu begegnen und gleichzeitig Klischees in der Berufsorientierung aufzubrechen, sagt Theermann.

Teamfoto
Das vomhörensehen-Team © vomhörensehen

Von der Film- zur Kreativagentur

Gestartet sind die beiden Gründer aus Bremen als junge Filmemacher 2015 mit der Idee, Kurzfilme zu produzieren und ihr Wissen in Workshops weiterzugeben. Doch schon in der Anfangszeit ihrer Gründung waren es vor allem soziale Organisationen, die vorgestellt wurden – und auch die Inhalte waren dementsprechend auf soziale Themen ausgerichtet. „Im Laufe der Jahre kamen weitere, partizipativ angelegte Formate mit multimedialen Zugängen dazu“, berichtet Eiko Theermann. Die Formate wurden vielfältiger, heute sieht sich vomhörensehen nicht mehr als reine Film-, sondern als Kreativagentur – mit dem Ziel, (junge) Menschen zu bilden und zu motivieren. Aus dem Zwei-Mann-Unternehmen von damals ist heute eine Agentur mit neun Mitarbeitenden geworden, die sich auf die Entwicklung und Umsetzung kreativer Konzepte und Strategien spezialisiert hat. „Immer kooperativ und partizipativ – und immer auf Augenhöhe“, wie Theermann betont.

Projekt für mehr mentale Gesundheit

„Wir sehen uns als Full Service-Agentur, wir konzipieren alles von der Idee über Workshops bis hin zu Kampagnen“, sagt Theermann. So wie beim Kreativwettbewerb „Ausweg gesucht“, den die Bremer Agentur vor zehn Jahren gemeinsam mit der hkk Krankenkasse und dem Landesinstitut für Schule Bremen ins Leben gerufen hat. „Ausweg gesucht“ gilt inzwischen als einer der größten Kurzfilmwettbewerbe im Norden und soll Jugendliche dazu motivieren, sich mit Krisen in ihrem Leben auseinanderzusetzen. Teilnehmen können junge Menschen zwischen 15 und 25 Jahren, die einen eigenen Film oder Text produzieren, in dem sie sich zu dem Thema ausdrücken. Die Teilnahme soll für die Jugendlichen und jungen Menschen ein Ventil und Sprachrohr sein – und Lösungsansätze für Gleichaltrige aufzeigen. „Das Projekt ist für uns eine absolute Herzensangelegenheit und eine unendlich wichtige Arbeit“, sagt Eiko Theermann.

Faszination für Medien und Menschen

Und so gehe es allen Mitarbeitenden in der Bremer Agentur: „Bei uns arbeiten nur Leute, die einen Sinn in ihrer Arbeit suchen“, so Theermann. Der berufliche Background des Teams ist deshalb so vielfältig wie ungewöhnlich für eine Kreativagentur: Kulturwissenschaft, Sozialpädagogik, Musik, Lehramt. Was sie eint: Die Faszination für Medien und das Interesse für Menschen. Durch Zufall lernte Eiko Theermann, der vor seiner Gründung als Bildungsreferent in der Hansestadt arbeitete, Lars Kaempf kennen, der bis dato Festivals und Filmprojekte in der Oldenburger Kulturszene initiiert hatte. „Ich wollte meine eigenen Projekte umsetzen und das passte mit Lars Background super zusammen“, sagt Theermann.

Menschen sitzen auf dem Boden
Im Projekt TandemPower sollen junge Menschen für IT-Berufe begeistert werden. © vomhörensehen

Zwischen Idealismus und Finanzierung

Seitdem arbeiten die beiden Gründer gemeinsam mit ihrem Team daran, mit ihrer Arbeit einen gesellschaftlichen Beitrag zu leisten. Ob mentale Gesundheit, Berufsorientierung, Diversität oder Willkommenskultur, die Themen bei vomhörensehen sind breit gefächert. Die Finanzierung der Projekte stellt die Bremer Agentur immer wieder vor Hürden: „Es ist eine große Herausforderung, im sozialen Bereich tätig zu sein und gleichzeitig Geld zu verdienen“, sagt Eiko Theermann. Finanziert werden die Projekte von privatwirtschaftlichen Unternehmen sowie aus Fördertöpfen von Bund und Ländern. In den letzten zehn Jahren seit der Gründung ihrer Agentur sei der Kundenstamm gewachsen und auch die Preisstruktur habe sich zum Positiven verändert.

„Wir verstehen uns als klassisches Sozialunternehmen, die absolute Wirtschaftlichkeit des Projekts steht nicht im Fokus“, so der 43-Jährige. „Bei uns muss sich niemand bereichern.“ Dennoch sei es gerade als Geschäftsführer immer wieder eine Herausforderung, einerseits wirtschaftlich zu denken, aber gleichzeitig die Werte der Agentur nicht aus den Augen zu verlieren. „Das ist das Spannungsfeld von Sozialunternehmen“, sagt Theermann.

Menschen auf einer Bühne im Interview
Einer der größten Kurzfilmwettbewerbe im Norden - "Ausweg gesucht" hat sich etabliert © vomhörensehen

Ausgezeichnet als Sozialunternehmen des Jahres für Engagement

Für ihre unternehmerischen Leistungen im Bereich gesellschaftlicher, sozialer und ökologischer Geschäftsmodelle wurde die Bremer Agentur im September 2025 zusammen mit vier weiteren Unternehmen mit Preis „Sozialunternehmen des Jahres“ ausgezeichnet. Diesen haben die WFB Wirtschaftsförderung Bremen GmbH und die Senatorin für Wirtschaft, Häfen und Transformation nach 2021 das zweite Mal vergeben, um der Branche der Sozialunternehmen mehr Aufmerksamkeit zu verleihen und ihr positiven Auswikrungen auf die Stadtgesellschaft zu würdigen. „Wir freuen uns über die Auszeichnung und begrüßen es sehr, dass es diesen Preis gibt“, sagt Eiko Theermann. „Es ist schön, dass dieser Preis den Fokus auf Sozialunternehmen legt, denn das ganze Thema könnte noch viel größer sein“, ist der Unternehmer überzeugt.

Für die Sozialunternehmen im Land Bremen wünscht sich Theermann künftig noch mehr finanzielle Schubkraft. „Ich sehe in Bremen durch die enge Vernetzung zahlreicher Akteur:innen viel Potenzial für soziales Unternehmertum. Mit finanzieller Unterstützung können wir noch viel schaffen“, sagt er. „Bremen könnte ein Innovationslabor für Sozialunternehmen werden.“

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