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7.7.2020 - Reinhard Wirtz

Lebensmittelbranche in Bremen: Der Tisch ist reich gedeckt

Nahrungs- und Genussmittelwirtschaft
Bremen ohne Kaffee - unvorstellbar!
Bremen ohne Kaffee - unvorstellbar! © WFB/Frank Pusch

Die Nahrungs- und Genussmittelindustrie ist die zweitstärkste Branche im Bundesland Bremen. Ihr Umsatz liegt laut Statistischem Jahresbericht 2018 bei jährlich rund 2,5 Milliarden Euro. Fast 10.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte arbeiten im Zwei-Städte-Staat in diesem Sektor. Neben den Großen sorgen zahlreiche Mittelständler, kreative Start-ups und die Wissenschaft für frischen Wind.

Rund ein Drittel der bremischen Importe und fast zehn Prozent der Exporte gehen auf das Konto der Ernährungswirtschaft. Fisch, Fleisch, Bier, Tee, Kaffee, Tiernahrung, Wein, Schokolade, Reis, Tabak, Honig, Getränke und Spirituosen – die Bremer Produktpalette ist traditionell breit gefächert. Beim Thema Nahrung und Genuss engagiert man sich an der Weser rundum, nämlich bei Dienstleistungen, Großhandel, Produktion und Vertrieb ebenso wie im Maschinen- und Anlagenbau, bei Verpackung und Logistik sowie im Marketing.

Kaffeetradition und -moderne in Bremen

Eine rund 125-jährige Geschichte verbindet Bremen mit Jacobs Kaffee, seit der Zusammenlegung mit der US-Kaffeehauskette Peet‘s unter Jacobs Douwe Egberts Peet‘s (unter anderem mit den Marken Jacobs, Tassimo, Moccona, Senseo, L'OR, Douwe Egberts u. a.) firmierend. JDE Peet‘s gilt als führende Unternehmensgruppe der Kaffee- und Teebranche. Mit dem neuen Jacobs Hof ist das Jacobs-Stammhaus im Zentrum Bremens im Sommer 2020 errichtet worden.

Als weiteres Kaffeeunternehmen betreibt die Melitta Unternehmensgruppe Bentz KG in Bremen ihre größte Rösterei und produziert hier eine halbe Million Packungen Filterkaffee am Tag. Auch die Europazentrale des Mindener Unternehmens befindet sich in Bremen.

Eines der beliebtesten Bremer Exportprodukte: Das Fischstäbchen
Eines der beliebtesten Bremer Exportprodukte: Das Fischstäbchen © pixabay

Die Tiefkühltruhe Deutschlands

Zu den großen europäischen Anbietern von Tiefkühlprodukten zählt die Bremerhavener Frosta AG. Vor mehr als 60 Jahren aus einer Fischfang-Reederei hervorgegangen, hat sich das Unternehmen erfolgreich zum Produzenten eines breiten TK-Sortiments für Großkunden und Endverbrauchende entwickelt.

Anheuser-Busch InBev ist die größte Brauerei der Welt. Die belgische Aktiengruppe hat eine lange Geschichte aus Fusionen und Zukäufen hinter sich, zu der seit 2002 auch die Brauerei Beck gehörte – mit Ursprung in Bremen. Beck’s zählt zu den bekanntesten Biermarken der Welt. In Bremen brauen die rund 1.400 Beschäftigten mehrere Millionen Flaschen Bier am Tag.

Als Standort der Deutschlandzentrale des Lebensmittelkonzerns Mondelez International (Marken wie Milka, Toblerone, Philadelphia-Frischkäse) punktet Bremen mit der Präsenz eines weiteren führenden Lebensmittelkonzerns.

Und bei Saturn Petcare kommen Haustiere auf den Geschmack: Das Bremer Unternehmen der niedersächsischen Heristo AG ist einer der weltgrößten Produzenten von Tierfutter.

10 internationale Lebensmittelunternehmen in Bremen

Wir haben eine Liste mit zehn national wie international tätigen Konzernen zusammengestellt, welche in Bremen Niederlassungen oder Standorte betreiben, entweder mit eigener Produktion oder als wichtige Vertriebszentrale.

zu den 10 Konzernen

Von Fisch und Brötchen

Zu den Großen der Lebensmittelbranche zählt auch die DMK Group (Umsatz 2019: 5,8 Milliarden Euro) mit ihren Marken Bremerland, MILRAM, Oldenburger, Humana oder Alete. Deutschlands größtes Molkereiunternehmen ist genossenschaftlich organisiert und verarbeitet nach eigenen Angaben jährlich rund acht Milliarden Kilogramm Milch – oder rund 3.200 olympische Schwimmbecken. In Bremen hat die DMK ihren Verwaltungssitz in der Airport-Stadt mit knapp 600 Angestellten.

Der Fischverarbeiter Greenland Seafood steuert seinen Vertrieb für Deutschland, Österreich, die Schweiz, Skandinavien und für alle osteuropäischen Länder ebenfalls von Bremen aus. Mit Royal Greenland hat ein weiterer internationaler Fischverarbeiter und Fangflottenbetreiber seinen Vertriebssitz für Deutschland in Bremen. Zu dieser Kategorie ist auch das schwedische Unternehmen Lantmännen mit seiner Backwarensparte Unibake zu zählen. Unibake ist eine der größten europäischen Bäckereien. In Bremen sitzt die Deutschlandzentrale, welche alle Geschäftsaktivitäten in Deutschland, Österreich und in der Schweiz verantwortet.

Aus Atlanta in den USA stammt der Backkonzern CSM, der mit weltweit rund 8.500 Angestellten Back- und Konditoreiwaren für den Convenience-Bereich herstellt. Zu seinen bekannten Marken gehören neben Goldfrost auch MeisterMarken, benannt nach der einstigen Bremer MeisterMarken GmbH, die im Jahr 2000 in CSM aufging.

 Britta Coldewey testete mitten im Sommer Lebkuchenrezepte, bevor es losgehen konnte.
Britta Coldewey testete mitten im Sommer Lebkuchenrezepte, bevor es losgehen konnte. © Manke & Coldewey OHG

Kreativ und vielfältig

Herausragend ist die kreative Vielfalt der mittelständischen Bremer Nahrungs- und Genuss-Szene. Fast schon zu den Bremensien zählt dabei die Kaffeerösterei August Münchhausen e.K., die seit 75 Jahren Kaffee im Langzeitröstverfahren für private und Großkunden veredelt und für sich den Titel als älteste bremische Rösterei in Familienhand reklamieren kann. Privatkunden und die Gastronomie bedient auch die Bremer Azul Kaffee, die 2019 ihre neue „Rösterei am Deich“ an der Weser-Promenade einweihte.

Die Bremer Manke & Coldewey OHG produziert die handgefertigten Elisen-Lebkuchen, die zum Freimarkt und zur Weihnachtszeit nicht nur Kindern das Wasser im Mund zusammenlaufen lassen. Mit Zutaten wie Honig, Kokos und Agaven kreiert die Bremer Sonnentracht GmbH innovative Bio-Lebensmittel. Sie ist seit der Firmengründung Mitglied im Bioland-Verband und nun auch Naturland-Partner. Inzwischen hat Sonnentracht ihre Produktions- und Lagerflächen auf rund 10.000 Quadratmeter erweitert, um fit zu sein für ein weiteres Wachstum in der Zukunft.

Bio-Pioniere und viel Liebe zum Detail

Tee, Gourmetprodukte und ein breites Geschenke-Sortiment bietet der Versandhändler Paul Schrader seinen Kunden und Kundinnen. Reisfans werden im (Versand-) Shop von „Reishunger“ fündig. Auf Bremens lange Brautradition, die bis in das 11. Jahrhundert zurückreicht, hat sich die „Freie Brau Union Bremen“ besonnen: Sie braut im historischen Gebäude der Union Brauerei als inhabergeführte Craft-Bier-Brauerei Bier.

Rund 400 Produkte führt Allos - und jedes davon gesund und nachhaltig
Rund 400 Produkte führt Allos - und jedes davon gesund und nachhaltig © Allos

Die Bremer Allos Hof-Manufaktur gehört zu den Pionieren der Bio-Bewegung und produziert seit den 1970er Jahren natürliche Lebensmittel. Rund 400 Produkte zählt das Sortiment, das vor allem in Bioläden und Reformhäusern angeboten wird. In Bremen sitzen Marketing und Vertrieb. Das Unternehmen ist Teil der niederländischen Wessanen-Gruppe, eines Lebensmittel-Konzerns, der sich ebenfalls dem Bio- und Nachhaltigkeitsgedanken verschrieben hat. 55 Millionen Euro Umsatz erzielt das Unternehmen jährlich.

Als einziger Hersteller in Europa produziert die SSB Stroever Schellack Bremen entwachste Schellacke. Was vielen kaum bewusst sein dürfte: Der Rohstoff findet sich in einer überraschend großen Zahl von Produkten. So werden Kapseln, Tabletten und Dragees gern mit Schellack beschichtet, um beispielsweise pharmazeutische Wirkstoffe kontrolliert freizusetzen. Mit Schellack-Überzug erhalten nicht nur Schokoladenriegel, Marzipan und Pralinen eine glänzende Oberfläche oder Schutz vor Umwelteinflüssen, sondern auch Früchte und Ostereier (Eierfarbe). Schellack findet sich als Glanzgeber, Emulgator oder Bindemittel ebenso in (natur-)kosmetischen Produkten wie Haarspray, Nagellack, Mascara oder Bodylotion. Schellacklösung wird auch für Möbelpolituren, Farben, Beschichtungen in der Lebensmittelindustrie sowie bei der Herstellung von Hüten eingesetzt.

Sascha Mühlenbeck und seine Frau Nadine Niebank im Holtorfs Heimathaven.
Sascha Mühlenbeck und seine Frau Nadine Niebank im Holtorfs Heimathaven. © Mario Piera

Die Bremer Stadtfabrikanten

Dunkles Holz, massive Regale bis an die Decke, unzählige Fächer und Schubladen, ein imposanter Tresen. Das ist „Holtorfs Heimathaven“ im Viertel. Die originale Einrichtung des einstigen Kolonialwarenladens von 1874 strahlt den Charme des Bremer Kleinods aus. In den Regalen: Handgemachtes von kleinen Manufakturen, fernab vom Massengeschäft. Und vieles davon kommt aus Bremen. Etwa der Kaffee von Cross Coffee, Gin von Piekfeine Brände, Bier von der Union Brauerei, Honig von Hinterhof. „Diese junge Marken wollen eine ganz neues Bremer Markenbewusstsein schaffen“, erzählt Sascha Mühlenbeck. Der 42-jährige Inhaber von Holtorfs Heimathaven liebt Handgemachtes, Echtes, ehrliche Produkte.

Wie etwa bei Cross Coffee. Die Kaffeerösterei in Gröpelingen fertigt ihre eigenen Sorten, handverlesene Bohnen, sozial und ökologisch nachhaltig eingekauft. Dahinter steckt Oliver Kriegsch. Der 51-jährige hat das Unternehmen 2013 gegründet. Mühlenbeck und Kriegsch gaben den Zündfunken für die Bremer Stadtfabrikanten, inzwischen ein Verein, der knapp 30 Bremer Marken repräsentiert – handwerklich arbeitende Manufakturen, die sich gemeinsam für ehrliche und faire Produkte engagieren. Alle Betriebe sind konzernunabhängig und familien- oder personengeführt.

Kaffee und Kaffeerösterei in Bremen - die deutsche Kaffee-Hauptstadt

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Der Verein knüpft ein Netzwerk, in dem sich kleine Produzenten und Produzentinnen gegenseitig unterstützen und mit Know-how weiterhelfen. „Gemeinsam sind wir stärker. Wir wollen die Stadtfabrikanten vermarkten, unser Herz für Handgemachtes zeigen!“, sagt Mühlenbeck. Und mit ihrer Idee haben sie Erfolg: Supermärkte fragen bereits nach, Kooperationspartner melden sich, das Interesse ist groß. Neue Mitglieder sind willkommen, egal ob junges Start-up, alteingesessenes Geschäft, kleine Werkstatt oder innovatives Modelabel. Eine Beschränkung auf Lebensmittel und Getränke gibt es nicht. Kontakt zum Verein über Sascha Mühlenbeck per Mail (sm@heimathaven.com) oder telefonisch unter: 0421-700522

Forschungsinstitute arbeiten eng mit der Wirtschaft zusammen
Forschungsinstitute arbeiten eng mit der Wirtschaft zusammen © WFB/Lehmkühler

Food-Hub – Rezepte für neue Ideen aus der Co-Working-Küche

Der Einstieg in die Lebensmittelbranche ist nicht immer leicht. Der Senat der Freien Hansestadt Bremen hat daher die Initiative für einen Food Hub ins Leben gerufen, um die Lebensmittel-Standorte Bremen und Bremerhaven mit ihrem vorhandenen Know-how in den kommenden Jahren für Food Start-ups attraktiver zu machen. Herz wird eine Co-Working-Küche sein, eine professionelle Produktionsmöglichkeit für Lebensmittel und Getränke, in der sich Start-ups temporär oder längerfristig einmieten können. Zudem sollen hier Möglichkeiten zur Produktion, Lagerung, Analyse und Vermarktung ihrer Produkte geboten werden. In Kooperation mit dem Starthaus Bremen werden so eine dauerhafte Plattform für die Food Start-up-Förderung sowie ein Partner-Netzwerk entstehen.

Exzellente Infrastruktur für Forschung und Entwicklung

Die starke Position der Nahrungs- und Genussmittel-Branche und der mit ihr verbundenen Sektoren wie Logistik, Verpackung, Handel und Vertrieb in der Freien Hansestadt Bremen findet ihren Niederschlag in einer außergewöhnlichen Präsenz von Forschung und Entwicklung zu Themen der Lebensmittelwirtschaft. Mit einer exzellenten Infrastruktur für Forschung, Entwicklung und Lebensmittelanalyse kann Bremerhaven punkten. Um die Industrie herum hat sich in der Region eine große Zahl an Dienstleistern und wissenschaftlichen Einrichtungen angesiedelt. In Bremerhaven zählen dazu das ttz Bremerhaven, das Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung, die Hochschule Bremerhaven, das ISL Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik, die Thünen-Institute für Seefischerei und für Fischereiökologie und andere mehr.

In der Stadt Bremen widmen sich renommierte wissenschaftliche Einrichtungen Themen der (zukünftigen) Ernährung, der Lebensmittelproduktion und -Logistik sowie der Lebensmittelanalyse, darunter die Jacobs University, die Hochschule Bremen, das Log Dynamics Lab, das BIBA – Bremer Institut für Produktion und Logistik GmbH an der Universität Bremen, das BIPS-Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie, das IPP Institut für Public Health und Pflegeforschung, die Quality Service International GmbH (QSI) sowie Prüf- und Analyse-Labore.

Eine weitere wichtige Rolle im Zusammenspiel zwischen Gesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft spielt zudem der NaGeB, der Interessenverband der Nahrungs- und Genussmittelwirtschaft Bremens, Bremerhavens und des niedersächsischen Umlands. „Obwohl in den vergangenen Jahren mehrere Großkonzerne ihre Standorte in Bremen deutlich verkleinert haben, ist die Anzahl der Arbeitsplätze gleichbleibend, was die große Dynamik und Zukunftsfähigkeit unserer Branche zeigt“, so Rainer Frerich-Sagurna, Vorsitzender NaGeB e. V. Er hat keine Zweifel, was die Zukunft der Branche in Bremen angeht - denn die Bremer Unternehmen seien gut aufgestellt, Krisen zu bewältigen und bei aktuellen Trends und Entwicklungen wie regionale Lieferketten, Bioprodukte, verpackungsarme Lebensmittel, oder dezentrale Manufakturen vorne mit dabei zu sein.

Oksana Muhs-Sapelkin

Die Senatorin für Wirtschaft, Häfen und Transformation

Innovationsmanagerin / Referentin NuG

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