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13.7.2020 - Reinhard Wirtz

Deutsches Milchkontor – Umbau in bewegten Zeiten

Erfolgsgeschichten

Deutschlands größtes Molkereiunternehmen auf neuem Kurs

Nach 14 Jahren zurück: DIe beliebte Marke "Bremerland"
Nach 14 Jahren zurück: DIe beliebte Marke "Bremerland" © DMK

Die Stimmung am 28. Februar dieses Jahres war bestens. Zu ihrem 20-jährigen Standortjubiläum und 14 Jahre, nachdem sie das Produkt aus den Supermarktregalen genommen hatte, ließ die Deutsches Milchkontor GmbH (DMK) ihre einstige Marke „Bremerland“ wieder aufleben. Bremens Bürgermeister Dr. Andreas Bovenschulte gefiel das: „Ich freue mich, dass wieder ein Stück Bremer Tradition zurückkehrt. Vor allem, wenn es sich hierbei nicht einfach nur um ein Logo handelt, sondern um ein echtes Projekt aus unserer Region“.

Seit April finden Verbraucherinnen und Verbraucher also wieder „Bremerland“-Produkte im Kühlregal vor. Für Prof. Dr. Christoph Burmann, Inhaber des Lehrstuhls für innovatives Markenmanagement an der Universität Bremen, und Prof. Dr. Tilo Halaszovich von der Jacobs University Bremen ein Selbstläufer, denn ihre Potenzialstudie hatte ergeben: „Die Marke Bremerland ist bei den Bürgerinnen und Bürgern ab 40 Jahren, auch 14 Jahre nach dem letztmaligen Produktverkauf, noch immer eine der beliebtesten Marken im Bremer Stadtgebiet und eine, an die sich alle gerne zurückerinnern.“

Kommunikationschef Oliver Bartelt
Kommunikationschef Oliver Bartelt © WFB/Pusch

Für DMK Kommunikationschef Oliver Bartelt berührt dieser Schritt noch weitere Aspekte: „Mit rund 700 Mitarbeitern in der Bremer Unternehmenszentrale ist die DMK Group eng mit Bremen verbunden. Zudem zeigt sich, dass die Verbraucher verstärkt Produkte mit regionalem Bezug fordern. Die Rohmilch für die Marke Bremerland stammt ausschließlich von DMK-Landwirten aus dem Bremer Stadtgebiet. Die Höfe liegen in Oberneuland, Borgfeld oder im Blockland und garantieren damit die Regionalität und Frische der Produkte.“

Acht Milliarden Kilogramm Milch im Jahr

Ein Bremer Unternehmen also mit regionalen, Bremer Produkten? Jein, lautet die Antwort. Die DMK, zum 1. Juli 2010 aus dem Zusammenschluss zwischen der Nordmilch eG und der Humana Milchindustrie GmbH hervorgegangen und seitdem Deutschlands größtes Molkereiunternehmen, hat zwar seine Verwaltung in der Airport-Stadt Bremen konzentriert, Hauptsitz ist jedoch Zeven. Aktuell rund 6.000 Landwirte liefern jährlich rund acht Milliarden Kilogramm Milch an die genossenschaftlich organisierte DMK Group, die derzeit an mehr als 20 Standorten in zehn Bundesländern sowie unter anderem in den Niederlanden, Italien und in Russland vertreten ist. Genug, um 3.200 olympische Schwimmbecken mit Milch zu füllen.

Das Produktportfolio reicht von Käse, Molkereiprodukten und Zutaten (Ingredients) über Babynahrung, Eis und Molke. Mit Marken wie MILRAM, Oldenburger, Uniekaas, Alete und Humana erzielte das Deutsche Milchkontor 2019 einen Umsatz von 5,8 Milliarden Euro. Damit gehört die DMK Group zu den führenden Lieferanten des deutschen Lebensmitteleinzelhandels und zu den größten Unternehmen der Milchwirtschaft in Europa.

2019 hat uns allen, den Landwirten, den Mitarbeitern in der DMK Group und der gesamten Branche enorm viel abverlangt.

DMK CEO Ingo Müller

Die beiden zurückliegenden Geschäftsjahre verliefen für DMK alles andere als gemächlich. DMK CEO Ingo Müller fasste das im Zuge der Präsentation der Geschäftszahlen für 2019 im Juni dieses Jahres so zusammen: „2019 hat uns allen, den Landwirten, den Mitarbeitern in der DMK Group und der gesamten Branche enorm viel abverlangt. Unser Auszahlungspreis war 2019 nicht da, wo wir ihn haben wollten. Mit dem abgelaufenen Jahr konnten wir aber hinter zahlreiche Themen, die uns belastet haben, einen Haken machen - der grundsätzliche Umbau der DMK ist jetzt abgeschlossen.“

Etliche Baustellen

Die Liste der „Baustellen“, die Müller in diesem Zusammenhang nannte, war lang. Ein Auszug: Um flexibel und schnell auf die sich ändernden Anforderungen im Markt und auf Wünsche der Verbraucher reagieren zu können und damit langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben, hat DMK unter anderem in das neue Werk für Babymilchpulver in Strückhausen (Niedersachsen) und in einen neuen Pulverturm im Emsland investiert. Mit der vollständigen Übernahme der DV Nutrition, einem Joint Venture von DOC Kaas (DMK) und der niederländischen Volac, die Molkenprotein und laktosebasierte Ingredients produzieren, will DMK seine Aktivitäten im Bereich Molke stärken.

In Russland wurde der Bau eines neuen Werks für Spezialitätenkäse in Gang gebracht. Die DMK Ice Cream, die in der DMK Group das Eisgeschäft führt, mit Werken in Everswinkel und Haaren (beide NRW) sowie in Prenzlau (Brandenburg) gehört zu den größten Speiseeisproduzenten in Europa. Mit dem Kauf von Alete will das Unternehmen zudem sein Markengeschäft im Bereich Babynahrung stärken.

Mit großformatiger Werbung wie hier im Hauptbahnhof Bremen wirbt das DMK für die Marke "Bremerland"
Mit großformatiger Werbung wie hier im Hauptbahnhof Bremen wirbt das DMK für die Marke "Bremerland" © WFB/Pusch

Turbulenzen auf den Milchmärkten

Molkereichef Ingo Müller will den Umbau bei DMK allerdings mit der langfristigen „Vision 2030“ weiter vorantreiben, zu einem stark Markt- und Konsumenten-orientierten Unternehmen. Es gehe dabei auch darum, schnell auf die sich verändernden Ernährungstrends zu reagieren. Ingo Müller: „Wenn wir uns in Zeiten rascher Veränderungen ausruhen, bleiben wir stehen. Ob es die Auswirkungen der Digitalisierung sind, die neue Player auf den Lebensmittelmarkt bringen, oder die sich in Richtung Convenience, Nachhaltigkeit oder Functional Food verändernden Ansprüche und Ernährungsgewohnheiten der Verbraucher – wir müssen uns fortlaufend intensiv mit den Wünschen der Konsumenten auseinandersetzen und bereits heute an den Produkten arbeiten, die sie morgen kaufen wollen.“

Suche nach frischen Ideen

Offenbar mit Nachdruck arbeitet das Management daran, die Türen in die Zukunft bei DMK weit zu öffnen. Im hauseigenen Trendmanagement spüren interne und externe Trendscouts erfolgversprechende Ansatzpunkte für neue Produkte auf. Mit dem „Zielbild 2030“ sind alle Beschäftigten aufgefordert, „neugewonnene Freiräume zu nutzen, frische Ideen einzubringen und sich von dem reinen Verwertungsgedanken unseres Rohstoffes zu lösen.“ Mit 2,9 Milliarden Kilogramm gentechnikfreier Milch reklamiert DMK eine Spitzenposition in Deutschland für sich. Recycelbare Verpackungen, eine unternehmensinterne „Entsorgungsdatenbank“ zur Kontrolle von (Verwertungs-) Kreisläufen, Süßungsalternativen und eine Reduktion von Zucker in diversen Produkten, eine Fokussierung auf regionale Erzeugnisse, energieschonende Produktionsanlagen – der Katalog der Aktivitäten und Initiativen ist ehrgeizig.

Was haben Pizza, Kuchen, Schokolade, vegane Steaks oder Energieriegel mit einer Molkereigenossenschaft zu tun? Einiges, denn in vielen Lebensmitteln stecken Zutaten von DMK, darunter Kondensmilch, Sahne, Butter, Pulver und Käse vor allem für Süß- und Backwaren, Convenience Food, Sport- und Babynahrung. In der Business Unit Industry, die gewerbliche Kunden beliefert, produzieren und vermarkten eigene Tochtergesellschaften entsprechende Sortimente.

Den Lebensmitteltrends auf der Spur

„Unsere Tochterunternehmen wheyco und DP Supply ergänzen das Portfolio um vielseitige Applikationen. DP-Supply-Produkte finden sich in Backwaren, Suppen, Saucen und Snacks, Heiß- und Kaltgetränken, Fleischwaren und Eis. wheyco fokussiert sich auf die Entwicklung und Produktion von qualitativ hochwertigen und hochkonzentrierten Molkenproteinen sowie Lactose und Permeat, die vor allem für Babyfood- und Sportlernahrung sowie in der Getränke-, Backwaren-, Fleisch- und Milchindustrie zum Einsatz kommen“, erläutert CEO Ingo Müller. Ein wichtiges Marktsegment für DMK sei auch der Trend zur Gesundheit. Der sogenannte „Healthy Hedonism“ zähle ebenso wie „Convenience“ („Bequemlichkeit“) zu den fünf großen Lebensmitteltrends und gebe den Riegeln und Pulvern als Nahrungsergänzung bei Sportlern und gesundheitsbewussten Menschen Auftrieb. Fast immer mit dabei: Molkenproteine.

„Unsere Strategie zielt ja darauf ab, uns von kurzfristigen Marktschwankungen unabhängiger zu machen, zum Beispiel, indem wir mehr hochmargige Produkte und weniger Standardware anbieten.“

DMK CFO Dr. Frank Claassen

In Asien geschätzt

Auf dem asiatischen Kontinent zähle neben Japan vor allem China zu den wichtigen Zielmärkten für derartige Produkte, so Müller. Molkebasierte Zutaten („Ingredients“) für Lebensmittel und Babynahrung, klinische Ernährung sowie Sportlernahrung aus Deutschland seien seit gut einem Jahrzehnt ein Begriff in China. Bei DMK setzt man auf deutliche Steigerungsraten in der nahen Zukunft.

„Unsere Strategie zielt ja darauf ab, uns von kurzfristigen Marktschwankungen unabhängiger zu machen, zum Beispiel, indem wir mehr hochmargige Produkte und weniger Standardware anbieten“, sagt Dr. Frank Claassen, seit 2019 Geschäftsführer für Finanzen (CFO) bei DMK. Wesentliche Stellschrauben sieht er bei DMK in einer eher restriktiven Personalpolitik und im Einkauf. Dr. Claassen: „Ein weiteres Thema ist der Einkauf. Hier lassen sich am schnellsten Kosten senken, um Zeit für langfristige Optimierungen zu gewinnen. Mit unserem Programm ‚Pacesetter‘ („Schrittmacher“) durchleuchten wir den kompletten Einkauf. Wir gestalten zahlreiche Lieferbeziehungen und Dienstleistungsverträge neu und bündeln Einkaufsvolumina. So können wir in Preisverhandlungen bessere Konditionen erhalten.“

Aus einem TV-Spot für die Milram-Marke
Aus einem TV-Spot für die Milram-Marke © DMK

Corona und die Folgen

Dr. Claassen („Ich werde mit meiner Familie nach Bremen ziehen, unseren Lebensmittelpunkt hierher verlegen.“) will dazu beitragen, die DMK gut durch die Corona-Krise zu steuern. Aber man werde „akzeptieren müssen, dass Corona für uns nicht folgenlos bleibt“. „In den vergangenen Monaten stockten plötzlich internationale Warenflüsse, Supermarktregale waren teilweise leer gefegt und Einkaufsmengen wurden partiell rationiert“, berichtet DMK–Kommunikationschef Oliver Bartelt. Gleichzeitig sei ein Teil der Bestell- und Produktionsmengen dreimal so hoch wie in normalen Zeiten gewesen.

Seitdem arbeitet eine speziell eingerichtete Taskforce bei DMK daran, Probleme zu lösen und für eine angepasste, sichere Produktion und Belieferung zu sorgen. Bartelt: „Die Task Force tauscht sich 24/7 über Entwicklungen aus, bespricht täglich die allgemeine Lage sowie die Situation innerhalb des Unternehmens DMK, sie steht in engem Kontakt mit Politik, Behörden und Branchenverbänden. Entsprechend haben wir frühzeitig Lager- und Logistikkapazitäten geschaffen, Bestände aufgebaut und auch Berechnungen angestellt, welche Produktgruppen in Zeiten wie diesen relevant sind. Gleichzeitig ging es darum, die eigenen Mitarbeiter bestmöglich zu schützen – ohne Mitarbeiter keine Produkte – so einfach ist die Rechnung.“ Ein Großteil der Bremer Beschäftigten habe binnen kürzester Zeit für viele Wochen ihr Büro gegen einen Arbeitsplatz zu Hause eingetauscht. Parallel seien umfangreiche Schutzvorkehrungen für die Beschäftigten in den Werken getroffen worden.

Die Corona-Krise hat zeitweise zu erheblichen Turbulenzen auf den Märkten für Milchprodukte geführt. Während die Molkereien eine stark steigende Nachfrage im Einzelhandel nur mit Mühe bedienen konnten, gerieten Geschäfte im Export, mit der Gastronomie und mit gewerblichen Kunden empfindlich ins Stocken. Deutschland ist ein Nettoexporteur vieler Agrarerzeugnisse, darunter auch von Butter, Milch und Käse. An den internationalen Terminbörsen für Agrarprodukte aber sinken derzeit die Preise. Den Landwirtinnen und Landwirte würden „massive Preisrückgänge“ drohen, befürchtet Hans Foldenauer, Sprecher des Bunds deutscher Milchviehhalter.

Anzeichen für eine Stabilisierung

DMK-Chef Ingo Müller aber sieht inzwischen schon wieder Licht am Ende des Tunnels: „Die Aussichten für unsere Branche hellen sich inzwischen auf. Es gibt Anzeichen für eine Stabilisierung der Märkte, von denen wir mit Blick nach vorne profitieren werden. Wir sind als DMK bisher relativ gut durch die Krise gekommen. Dennoch ist mir bewusst, dass das absolute Niveau des Milchpreises für uns Landwirte deutlich zu niedrig ist. Wir werden alles daran setzen, die positiven Marktsignale auch für die Landwirte spürbar umzusetzen.“

„Bremen ist für den Verwaltungssitz der DMK eine gute Adresse.“

Oliver Bartelt, DMK Group, Global Head of Corporate Communications

„Eigentlich“, sagt Oliver Bartelt mit einem Augenzwinkern, „sind Molkereien dort, wo auch Kühe sind – also in der Regel eher ländlich gelegen.“ Das gelte auch für DMK. Dennoch befinde sich der DMK-Verwaltungssitz in Bremen an der richtigen Stelle: „Wir fühlen uns in Bremen wohl. Bremen ist aufgrund unserer vielen Molkereistandorte im norddeutschen Raum eine zentrale Lage, die uns logistisch viele Vorteile bietet. Zudem bringt eine größere Stadt wie Bremen für die hier benötigten Verwaltungsarbeitsplätze in Vertrieb, Controlling, Marketing, Personal oder Kommunikation eine Reihe von Standortvorteilen mit, was Recruiting und Bindung von guten Mitarbeitern betrifft. Gleichzeitig ermöglicht die Verkehrsanbindung mit dem Flughafen oder der nahen Autobahn eine gute Erreichbarkeit von und zu unseren internationalen Standorten. Kurzum – Bremen ist für den Verwaltungssitz der DMK eine gute Adresse.“

Mit rund 10.000 Beschäftigten ist die Branche Nahrung und Genuss in der Hansestadt breit aufgestellt und entfacht derzeit eine neue Dynamik, besonders durch Start-ups, mittelständische Unternehmen sowie durch Forschung und Innovation. Kann und will DMK sich an dieser Entwicklung vor Ort beteiligen, wenn ja, wie? Bartelt gibt darauf eine klare Antwort: „Wir sind zwar in der Vergangenheit in Bremen oft unter dem Radar gewesen und sind nicht wirklich wahrgenommen worden. Das ändert sich durch die massive Neuausrichtung der DMK in den letzten zwei Jahren aber gewaltig. Wir sind an vielen Stellen in der Stadt organisiert und wirken dort mit, wo es Sinn macht. In der Welt von morgen sehen wir auch große Chancen, durch vernetztes Arbeiten neue Ideen zu entwickeln. Auch hier sind wir heute schon zum Teil mit lokalen Start-ups oder Institutionen im Gespräch. Wer etwas von einem Standort verlangt, der muss sich dort auch engagieren. Das kann ja keine Einbahnstraße sein.“

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