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24.7.2018 - Rike Oehlerking

Pauliner Marsch – Vom Sumpf zum Sportparadies

Tourismus
Weide mit Bäumen in der Pauliner Marsch
© Rike Oehlerking

Bremen überrascht mich ja immer wieder. Ende Mai war ich in der Pauliner Marsch unterwegs. Das ist das Gebiet vom Stadion aus flussaufwärts. Hier dreht sich ziemlich viel ums Thema Sport, aber es gibt auch Tiere, Kleingärten und Restaurants. Sogar ein Geist soll hier mal sein Unwesen getrieben haben.

Es gibt da diese Legende, die ich in einem Buch fand: „Der Geist des Richters auf dem Werder“. Darin geht es um zwei Brüder, „der eine, reich und eitel, bekleidete das Amt eines Richters, der andere schlug sich als geringer Fährmann notdürftig mit seiner Familie durchs Leben“ – so heißt es im ersten Satz. Ein Streit um die Fährpreise landet vor Gericht, ausgerechnet beim brüderlichen Richter. Dieser versucht seine „Unparteilichkeit“ zu schützen, spricht dem Bruder das Recht ab und senkt die Fährpreise. Der benachteiligte Bruder verflucht den Richter daraufhin: „Solch ungerechtes Gericht wird dich auch im Tode nicht ruhen lassen!“

Und wie soll es anders kommen? Der Richter stirbt kurze Zeit später. Sein Geist stiftet von da an Unruhe im ehemaligen Wohnhaus, sodass ein Geisterexperte ihn kurzerhand vor die Stadtmauern: „…fuhr zum Schwarzen Meer und der Pauliner Marsch, und dorthin bannte er den Geist: nicht eher dürfe er zurückkommen, als bis er den Sumpf mit einem Siebe erschöpft habe bis auf das letzte Tröpfchen.“ Von da an, so heißt es in der Sage weiter, habe die Stadt zwar Ruhe, „aber draußen auf der Pauliner Marsch war dafür der Teufel los“. Schon bald wurde das Areal gemieden und dem Geist langweilig. Daher traf man ihn kurze Zeit später auf dem Werder an. Doch als auch hier zum Winter Ruhe einkehrt, wünscht sich der Richtergeist zurück in die Pauliner Marsch, um sich vom Bann erlösen zu können. Immer wieder ruft er „Hol über“ (Plattdeutsch: „Hal över“, wie der heutige Weserfährenbetreiber), um die Fähre zum anderen Ufer herbei zu ordern. Doch niemand kommt seinem Wunsch nach.

Der Legende nach müsste der Geist also heute noch auf der Werderinsel umhergehen, in der Pauliner Marsch bin ich demnach sicher. Auf dem Begegnung mit einem echten Geist bin ich zugegebenermaßen nicht so scharf.

Deichvorland trockengelegt

Die Pauliner Marsch: Das ist ein ziemlich großes Grüngebiet, das auf Höhe des Weserstadions beginnt und sich bis zum Weserwehr zieht. Die Weser macht hier am Stadion ja bekanntermaßen einen Bogen und entfernt sich vom geradegezogenen Osterdeich. Somit entsteht eine große Ausbeulung vorm Deich, die einst reine Wiesenfläche darstellte. Laut Legende schien es ja sogar mal recht sumpfig hier zu sein. Wahrscheinlich überschwemmte die Weser regelmäßig das Gebiet. Heute gibt es einen Extra-Hochwasserschutz direkt am Weserufer. Aber vielleicht hat es der oben erwähnte Richter-Geist ja doch noch geschafft, sich per Entwässerung der Pauliner Marsch von seinem Bann zu befreien. Das würde mich beruhigen.

Das Weserstadion in der Pauliner Marsch
Hier begann alles mit ein paar Holztribünen. © Rike Oehlerking

Sport im Grünen

Auf meiner kleinen Erkundungstour durch die Gegend stelle ich schnell fest: Hier dreht sich ganz schön viel ums Thema „Sport“. Angefangen noch vom Weserstadion mit dem Segelverein, dann natürlich die Werder-Heimspielstätte, deren erste Betontribüne hier in den 1920er Jahren errichtet wurde (als Vorläufer zum heutigen Stadion). Neben Werder sind weitere zahlreiche Vereine ansässig: Es wird Tennis gespielt, geschwommen, Rugby und Football praktiziert und aufgrund der Wassernähe natürlich auch gerudert und gepaddelt. Obendrein find ich auch noch auf einen kleinen Lichtung eine öffentliche Trimmdich-Anlage, wo Kondition und Kraft trainiert werden können.

Collage: Sportplätze der Vereine
Ein Verein nach dem nächsten: Tennis, Rugby, Football und vieles mehr. © Rike Oehlerking
Outdoor-Sportgeräte
Trimm dich! Wer noch nicht genug Sport gemacht hat, kann sich hier nochmal so richtig austoben. © Rike Oehlerking
Stadionbad
Die Abkühlungsadresse im Sommer! :) © Rike Oehlerking

Nachdem ich am Stadionbad und am Werdertrainingsplatz vorbei gekommen bin, laufe ich geradeaus in Richtung Sportgarten weiter. Der befestigte Weg wird links gerahmt von hoch gewachsenen Bäumen. Rechter Hand reihen sich Kleingärten an einander. Hier und da schnappe ich sommerliche Szenen im Vorbeigehen auf. Nach einem Geist, der hier umgeht, sieht das alles wirklich nicht aus.

Altes Sportamt
Das Alte Sportamt hinterm Stadionbad sorgt für alternative Kultur vor Ort. © Rike Oehlerking
Trainingsplatz
Auf diesem Rasen sind regelmäßig echte Fußball-Legenden unterwegs. © Rike Oehlerking

Für alle etwas dabei

Immer wieder wechseln sich große freie Sportflächen mit scheinbar naturbelassenen Flächen ab. Nach links erstreckt sich Platz 11, auf dem Werder II und das Werder-Frauenteam regelmäßig spielen.

Collage: Platz 11
Platz 11: Hier hab selbst ich (als nicht so fußballaffiner Mensch) schon ein Spiel verfolgt. © Rike Oehlerking

Einige Meter weiter beginnen die Sportplätze des Sportgartens. Der gemeinnützige Verein fördert den Breitensport und richtet sich mit seinem Angebot vor allem an Kinder und Jugendliche. Hier sind dem Sportlerherz keine Grenzen gesetzt. Es gibt Plätze für Fußball, Handball, Hockey, Badminton, Tennis und Basketball. Es gibt einen Bereich für Skateboarding und Inlineskater, Tischtennisplatten, ein Trampolin und sogar eine Kletterwand. Manches kann man anmieten, für anderes werden Kurse angeboten.

Collage: Sportgarten
Das Sportparadies schlechthin: Der Sportgarten mit seinem riesigen Angebot. © Rike Oehlerking

Ursprung: Paul, Pauli, Pauliner

Der Name „Pauliner Marsch“ stammt übrigens vom Paulskloster ab, das bis ins 16. Jahrhundert im Ostertor bestand. Es bewirtschaftete die Wiesenlandschaft flussaufwärts mit Vieh. Laut der oben beschriebenen Legende erschreckte der Geist die Melkknechte, die hier arbeiteten. 1803 ging das gesamte Areal aus dem Kirchenbesitz in städtischen Besitz über.

Collage: Wege in der Pauliner Marsch
So schön grün! Aber auch im Winter ein beliebtes Spaziergangsgebiet. © Rike Oehlerking

Von Bienchen und anderen Tieren

Ich schlendere weiter und biege nach ein paar Metern nach rechts ab. Hier erstreckt sich eine riesige Wieser, auf der ich sogar Pferde entdecke. Wie ich später erfahre, gehören sie ebenfalls zum Sportgarten, der hier vor einiger Zeit ein Tier- und Landschaftsprojekt ins Leben rief. Auch Esel und Ziegen kann ich ausmachen. Sie alle leben in einem hübschen Stall und auf den wunderschönen Wiesen drum herum und dürfen besucht werden. Ziemlich pittoresk, finde ich.

Collage: Tiere auf der Koppel
So würde ich auch gerne wohnen: Das Tier- und Landschaftsprojekt vom Sportgarten setzt sich für artgerechte Haltung ein. © Rike Oehlerking
Informationsschild über Bienchen und Blümchen auf einer Wiese
Auch Bienen wohnen hier und bekommen Unterstützung. © Rike Oehlerking

Linker Hand, etwas erhöht, mache ich das Reetdach vom Jürgenshof aus. Einst stand hier ein einfacher Hirtenhof, der ebenfalls zum Paulskloster gehörte. 1810 entstand ein neues Gebäude aus Fachwerkfassaden und Reetdach, das nach einer großen Restaurierung in den 1970er Jahren heute Herberge für ein Restaurant ist.

Das Fachwerkhaus des Jürgenshof
Jürgenshof: Hier kann lecker gegessen und angemessen gefeiert werden. © Rike Oehlerking

An der Weser

Ich steige auf mein bisher geschobenes Rad und mache mich auf in Richtung Fluss. Ich unterquere die Erdbeerbrücke, die eigentlich Karl-Carstens-Brücke heißt. Bremerinnen und Bremer verwenden bis heute den recht fruchtigen Spitznamen, weil früher auf der anderen Seite wohl große Erdbeerfelder existierten.

Collage: Erdbeerbrücke
Die Erdbeerbrücke, sieht leider nicht so lecker aus, wie sie klingt. Ist aber eine der wichtigsten Weser-Überquerungen. © Rike Oehlerking

Begegnung mit dem Geist

Am östlichsten Zipfel der Pauliner Marsch statte ich dem Wehrschloss, in dem sich heute treffenderweise ein „Paulaners“ befindet, noch einen kurzen Besuch ab.

Das "Paulaners" im Wehrschloss
Das Paulaners in der Pauliner Marsch. © Rike Oehlerking

Auf meinem Rückweg habe ich schließlich doch noch meine Begegnung mit einem Geist. Allerdings stelle ich zu meiner Beruhigung schnell fest, dass es sich beim dem Antlitz, das mir auf dem Jacobsberg entgegen schaut, um eine Gedenktafel für Johann Eberlein handelt. Dieser war mindestens ebenso legendär wir der eingangs erwähnte Geist, aber im Positiven. Er war Bademeister der Flussbadeanstalt, die es hier unterhalb des Weserwehrs bis Ende der 1950er Jahre gab, und rettete den Erzählungen nach viele Menschen vor dem Ertrinken. Eine solche geisterhafte Begegnung ist mir in jedem Fall lieber. Zufrieden radel ich am Ufer entlang wieder flussabwärts.

Gedenkstein von Johann Eberlein
Ein guter Geist: Der Bademeister rettete in den 1920er Jahren vielen Menschen das Leben und ertrank Anfang der 30er Jahre tragischerweise selbst. © Rike Oehlerking

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