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18.6.2019 - Rike Oehlerking

Die dritte Dimension: Wandbilder in Bremen

Tourismus
Wandbild im Bremer Viertel
Die Beatles spielen auf dieser Häuserwand in Bremen © WFB/Rike Öhlerking

Was wäre eine Stadt ohne ihre Wandbilder, denke ich manchmal. Und dann fällt mir auf, dass es eigentlich heißen muss: Was wäre Bremen ohne Wandbilder?! Denn in anderen Städten ist das nicht unbedingt so üblich wie in der Hansestadt an der Weser. Hier entstanden an freien Gebäudewänden vor allem in den 1970er und 80er Jahren zahlreiche Auftragsgemälde, die teils bis heute erhalten sind. Ich habe mich auf die Suche gemacht und dabei auch ziemliche viele aktuelle Bilder entdeckt.

Wenn man Bremerinnen und Bremer nach Wandbildern fragt, die ihnen spontan einfallen, kommt in sehr vielen Fällen die Antwort: „Oma und Opa am Rembertikreisel“. Das Bild aus dem Jahr 1976 heißt offiziell „Blick aus dem Fenster“ und ist von Peter Krüger, über den ich schon mal an anderer Stelle berichtete.

Neben diesem bekannten Wandgemälde, an dem ich im Laufe meiner Tour auch vorbeikommen werde, gibt es natürlich noch zahlreiche weitere Bilder an Gebäudewänden. Ich mache mir eine kleine Liste, bevor ich aufs Rad steige, um die einzelnen Wandbilder vor Ort zu besichtigen. Das erweist sich gleichermaßen als sinnvoll wie sinnlos. Kaum sitze ich auf dem Rad und radel aus dem Ostertorviertel in Richtung stadtauswärts, könnte ich an jeder Ecke Halt machen, um Fotos von Wandbildern zu machen. Gut, dass ich meine Auswahl schon vorher getroffen habe, denke ich. Das wiederum entpuppt sich dann allerdings auch nicht als die allerbeste Methode. Denn als ich in Hastedt an meiner ersten Station ankomme, zeigt sich: Das von mir angesteuerte Wandbild Flutkatastrophe, das angeblich an der Straßenecke Fleetrade und Drakenburger Straße zu finden ist, gibt es nicht mehr. Ich drehe mich an der Kreuzung ein paar Mal im Kreis, kann es aber beim besten Willen weit und breit nicht ausmachen. Schade, denn online hatte ich entdeckt, dass es ein ziemlich starkes Bild war, das historisch Bezug auf eine extreme Flut, die 1981 Teile Hemelingens überspülte und ordentlich Schaden anrichtete. Der Künstler Jörn-Peter Dirx bediente sich damals in seinem Wandbild dem Motiv einer sehr bekannten Welle, die aus einem Holzschnitt des japanischen Künstlers Katsoshika Hokusai stammt.

Zum Glück ist mein nächstes Ziel auf der Liste nicht weit: An der Ecke Auf der Howisch/Fährstraße befindet sich an der Außenwand eines Schulgebäudes eine riesige Klassenzimmerszene der 1950er Jahre. Der Titel des Bildes von 1987 lautet „Frère Jacques, dormez-vous?“. Es ist von Jub Mönster gemalt, der mir im Laufe meiner Tour nochmal begegnen wird. Im Innern des Gebäudes befindet sich auch das Bremer Schulmuseum, worauf das Wandbild unter anderem hinweist.

Wandbild in Bremen an einem Schulgebäude
Von Jub Mönster, der im gesamten Stadtgebiet mit mehreren Wandbildern vertreten ist. © WFB/Rike Öhlerking

Szenen aus anderen Zeiten

Ich bewege mich nun wieder in Richtung Innenstadt und steuere mein nächstes Ziel an. Durch ein paar Seitenstraßen gelange ich an den östlichen Rand der sogenannten Westfalensiedlung zwischen Stader Str., Bismarckstr., Bennigsenstr. und Bei den drei Pfählen. Die Siedlung ist vielen Bremerinnen und Bremern übrigens auch als „Klein-Mexiko“ bekannt. Ich komme an einem kastenförmigen Gebäude an der Bennigsenstraße/Ecke Ruhrstraße zum Stehen. Es handelt sich offensichtlich um einen Bunker, wie sie im gesamten Stadtgebiet noch zu finden sind. Viele von ihnen sind in den vergangenen Jahrzehnten bemalt worden. So auch dieser hier. Rundum sind trotz ausgeblichener Farben Szenen aus dem Wohnviertel erkennbar. Der Titel des Bildes lautet Eine Siedlung stellt sich vor. Einem kleinen Schild entnehme ich, dass es 1987 von Gisela Köster und Uwe Oswald erstellt wurde. Ich schlendere noch einen Moment lang an der langen Seite entlang und entdecke allerhand Gegenstände und Szenen.

Wandbild in der Östliche Vorstadt
Der Bunker an der Bennigsenstraße stellt Szenen aus der Westfalensiedlung dar. © WFB/Rike Öhlerking

Mein nächstes Ziel befindet sich in der Hemelinger Straße in Peterswerder. Hier hat der oben schon erwähnte Künstler Jub Mönster 2006 das Wandbild „Double“ erstellt. Es bezieht sich auf den sportlichen Erfolg der ersten Fußballmannschaft Werder Bremens, die 2004 die deutsche Meisterschaft sowie den DFB-Pokal gewann. Ich erkenne ehemalige Spieler wie Ailton, Johan Micoud und Tim Borowski. Die Wand, auf der das drei Meter hohe und zwanzig Meter lange Gemälde zu finden ist, gehört zur Hallensportanlage des grün-weißen Vereins. Auch die anderen Außenwände der Sportanlage sind mit Szenen aus der Fußballwelt bemalt.

Wandbild in Peterswerder
Hier kann man viel Zeit verbringen und viel entdecken. Wer sich mit dem Thema auskennt, wird viel Fußballgeschichte erkennen. © WFB/Rike Öhlerking
Wandbild mit einer Friedenstaube
Nicht mehr das Original, wie ein Anwohner zu erzählen wusste. Die Friedenstaube, die einst mit Zeitung als Kritik zum Nato-Doppelbeschluss vom Künstler Wilfried Siebold abgebildet wurde, wurde im Zuge einer Fassadenrenovierung vereinfacht wieder hergestellt. © WFB/Rike Öhlerking

Begegnung mit Stadtbekanntheiten


Von Peterswerder aus führt mein Weg durch die St.-Jürgen- und Humboldtstraße, vorbei an der Friedenstaube in der Bohnenstraße bis zum Rembertikreisel, wo ich schließlich am Eckhaus Auf den Häfen 30/32 anhalte. Das stadtbekannte Oma-Opa-Paar blickt hier mit freundlich und doch skeptischer Miene in Richtung Bahnhof aus dem Fenster. Sie in geblümter Bluse, er in typischer Weste und Hemd. Sicher tragen sie aufgrund des Ortes, an dem sie entstanden sind, auch eine Skepsis in sich, weil hier Anfang der 1970er Jahre mit der sogenannten Mozarttrasse eine Umgehungsstraße entstehen sollte, die eine Schneise durch alte Bebauung des Viertels gezogen hätte. Die Pläne konnten schließlich abgewendet werden.

Wandbild wo Oma und Opa aus dem Fenster blicken
Stadtberühmt: Oma und Opa blicken seit 1976 aus ihrem Fenster Viertelbesucherinnen und -besuchern entgegen. © WFB/Rike Öhlerking

Bunte Vielfalt im Westen


Auch westlich der Innenstadt finden sich natürlich jede Menge Wandbilder, die sich teils über viele Jahrzehnte gehalten haben. In Walle komme ich von Zeit zu Zeit an einem Bild vorbei, das ich irgendwie besonders gerne mag: Die Waller Jungs am Gebäude Haferkamp 8. Das Gemälde zeigt eine Szene aus den 1920er Jahren. Die fünf Waller Jungs sitzen über einem Torbogen, lassen die Beine baumeln und schauen ihren Betrachtern unverhohlen ins Gesicht. Klaus Halfar heißt der Schöpfer dieses Wandbildes, das gleich zweimal an derselben Stelle entstand. Bereits 1994 bemalte der Künstler die Stirnwand des Gebäudes nach Vorlage eines Fotos mit dem Motiv der fünf Buben. Dann aber wurde 2009 eine Außendämmung an das Haus angebracht und das Bild verschwand darunter. Ganz zum Bedauern der Anwohnenden, Passanten sowie Straßenbahnfahrgästen, die täglich hier vorbei kamen. Schließlich trug der Künstler das Bild nach der Sanierung 2012 auf eine Initiative hin noch einmal wieder auf.

Wandbild Waller Jungs in Walle
Die “Waller Jungs” hatten so viele Fans, dass sie nach einer Sarnierung gleich noch einmal vom Künstler wieder an die Wand gebracht wurden. © WFB/Rike Öhlerking

Ebenfalls in Walle blickt mir außerdem des Öfteren ein riesiger Mensch mit Fernglas von gleich allen vier Seiten eines Hochbunkers entgegen. Look at me, look at you lautet passenderweise der Titel dieser Arbeit von Victor Ash. Das 25 Meter hohe Wandbild entstand 2009 im Rahmen des 32. Deutschen Evangelischen Kirchentages zum Thema „Mensch, wo bist du“.

Wandbild Look at me Look at you in Walle
Look at me, look at you! Der Stil des Künstlers Victor Ash ist angelehnt an die Stencil-Kunst (Schablonen) aus der Streetart-Szene. © WFB/Rike Öhlerking

Auch in Findorff mache ich schließlich noch Halt, um mir ein großes Wandbild anzuschauen. Es befindet sich ebenfalls auf der Außenwand eines Bunkers, der am östliche Beginn der Admiralstraße steht. Der Titel des Bildes von Jürgen Waller heißt Den Gegnern und Opfern des Faschismus. Es entstand 1984 und erinnert an die Opfer des Bremer Konzentrationslagers Mißler, das hier 1933 errichtet wurde. Wieder sind einzelne Szenen zu einer großen Collage kombiniert. Ich erkenne Hinrichtungen, Verhöre und Verhaftungen. Um das Bild herum sind Namen von Frauen und Männern aufgeführt, die verfolgt, misshandelt und ermordet wurden.

Wandbild den Gegnern und Opfer des Faschismus in Findorff am Bunker
Das Bild am Bunker in der der Admiralstraße in Findorff ist in Gedenken an die Opfer und Gegner des Faschismus entstanden. © WFB/Rike Öhlerking

Zwischen Ästhetik, Gedenken und Geschichte

Wandbild Bunte Vielfalt in Bremen
Bunte Vielfalt: Mal zur bloßen Verschönerung, mal mit tieferer Aussage. © WFB/Rike Öhlerking

Auf meiner Abschlussroute denke ich über den Stellenwert von Kunst an Hauswänden nach. Wandbilder transportieren oft Geschichte der Orte und Gebäude, an denen sie erschaffen wurden. Die halten Szenen längst vergangener Zeiten für einen Moment lang fest, bis der Wandel der Zeit auch über sie hinweg zieht. Manche halten sich länger, werden regelrecht zu Wahrzeichen von Stadtteilen und Wohnquartieren. Andere sind nur einen kurzen Moment sichtbar, bis die Fassade verändert wird und das Bild geschluckt. Viele von ihnen wollen erinnern, festhalten oder auch irritieren, manche verfolgen vor allem ästhetische Ziele. Sie machen die Stadt noch ein klein wenig vielfältiger und bunter – und manche sorgen für noch mehr Plastizität und tiefere Dimensionen.

Wandbild mit Fenstererker in Bremen
Ja, die Fenstererker sind gemalt. Wirklich! Aus der Nähe erkennt man es eher :) Künstler: Jimmi Päsler © WFB/Rike Öhlerking

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