Wale an der Weser
TourismusWenn wir Gäste und Bremer fragen, welche Tiere sie mit der Hansestadt Bremen verbinden, stehen ganz oben natürlich unsere Maskottchen Esel, Hund, Katze und Hahn. Vielleicht ist auch mal von der Gluckhenne aus der Gründungssage oder der versteckten Maus im Dom die Rede. Aber nur sehr selten werden Meerestiere erwähnt. Dabei sind die Giganten der Meere, die Wale, doch auf ganz besondere Weise mit Bremen verbunden. Mal auf grausame Art und Weise, mal wissenschaftlich und hin und wieder auch ganz hautnah. Denn bis heute verirren sich immer wieder kleine Exemplare wie die Schweinswale bis hinauf nach Bremen-Vegesack oder gar weiter. In den vergangenen Jahren werden es sogar wieder mehr, denn die Wasserqualität des Flusses verbessert sich ebenso stetig.
Eine große Sonderausstellung zum Thema Wale, die Anfang November im Übersee-Museum Bremen startete, gab für mich den Anlass, mal etwas genauer auf das Verhältnis der Bremer zu diesen wunderbaren Tieren zu schauen.
Der Beginn des Walfangs in Bremen-Vegesack
In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts entwickelten sich der Stadtteil Vegesack und der dortige Hafen zu einem Stützpunkt für den Walfang in der Arktis. Bereits 1653 war hierfür eine bremische Grönland-Compagnie gegründet worden. 1830 baute der Werftbesitzer Johann Lange eine neue Walfangflotte auf und 1843 wurde in Vegesack eine Aktiengesellschaft „… zum Zweck der Grönlandfischerei …“ gegründet. Nach kurzzeitigen Aktivitäten auch in der Südsee wurde der Walfang in der Arktis noch bis 1872 betrieben und dann allerdings eingestellt, da mit dem Aufkommen von Petroleum als Brennstoff die Trangewinnung aus Walen unrentabel geworden war. An die Tradition Vegesacks als „Walfängerstadt“ erinnern heute noch verschiedene Denkmäler in der Stadt, so der Bronzewal in der Fußgängerzone oder Walkiefer und Walfluke am Utkiek in der Nähe der Hafeneinfahrt.
Ein eigenes Zimmer für den Wal – Schloss Schönebeck
An die Bremer Walfangtradition erinnert auch das „Walzimmer“ im Heimatmuseum Schloss Schönebeck. Das große herrschaftliche Fachwerkhaus wurde im 17. Jahrhundert erbaut und liegt am Rande des Schönebecker Auetales. Der 1911 gegründete Heimat- und Museumsverein für Vegesack und Umgebung e.V. zeigt in dem Haus seine umfangreichen Sammlungen. Dazu gehören unter anderem Exponate der Vegesacker Schiffsbaugeschichte, des Walfangs, der Heringsfischerei sowie eine umfassende Sammlung über das Leben und Wirken des Afrikaforschers Gerhard Rohlfs.
Bei meinem Besuch dort tauche ich ein in eine vergangene Zeit. Das Museum ist liebevoll und sehr kleinteilig gebaut. Keine modernen Installationen mit Monitoren und interaktiven Exponaten. Stattdessen ist das Haus voller echter Erinnerungen und atmet Bremer Geschichte. Am Eingang begrüßen mich zwei ehrenamtliche Mitarbeiter und führen mich zum Raum der Wale. Die Ausstellungsstücke zeigen eindrucksvoll, wie brutal, aber auch gefährlich der Walfang damals vonstatten ging. Ich erfahre einiges über die Schiffe der Walfänger, ihre Ausrüstung und Waffen und vor allem, wozu die toten Tiere anschließend verarbeitet wurden. Ein gruseliges Kapitel der Bremer Geschichte, wie ich finde.
Interessanterweise hat die Tierschutzorganisation „Sea Shepherd“ übrigens am 1. August 2015 ihre Deutschlandzentrale in Bremen-Vegesack eröffnen. Sea Shepherd führt in internationalen Gewässern Aktionen gegen Walfänger, Robbenjäger und japanische Delfinfänger durch und beruft sich dabei unter anderem auf die United Nations World Charter for Nature. Als selbst ernannter Strafverfolger ist Sea Shepherd (zu deutsch Meeresschäfer oder -hirte) mit seinen sieben Schiffen in den internationalen Gewässern im Einsatz gegen Wilderer.
Ein Totenkopf auf schwarzem Grund, unter dem sich ein Hirtenstab und ein Dreizack kreuzen – das ist das Zeichen der Non-Profit-Organisation, die 1977 gegründet wurde. Den deutschen Ableger der Organisation gibt es seit fünf Jahren. Erst kürzlich war ein Aktivist aus Bremen auf den Färöer-Inseln festgenommen worden, weil er sich gegen den Walfang einsetzte.
Ausstellung: Faszination Wale
Bis heute sind die Menschen fasziniert von den Riesen der Meere. In der großen Sonderausstellung „Faszination Wale – Mensch. Wal. Pazifik.“ geht das Übersee-Museum Bremen noch bis zum 24. April 2016 dieser Faszination nach. Ausgehend von den Spuren der Bremer Walfänger des 19. Jahrhunderts wirft die Schau einen Blick auf die Wale und Menschen im Pazifik. Neben der Größe dieser Tiere zeigt die Ausstellung den Wal als begehrte Quelle für Nahrung und Rohstoffe, aber auch für Mythen und Weltanschauungen.
Im Entrée tauchen die Besucher gleich in das Blau des Meeres ein, sehen Walsilhouetten am Horizont und lauschen Walgesängen. Modelle und Silhouetten verschiedener Walarten in Originalgröße vermitteln einen Eindruck von dem, was die Menschen sicher am meisten an diesen Tieren fasziniert: ihre Größe. So wird auch ein lebensgroßes, begehbares Modell eines Blauwalherzen zu erleben sein.
Ein Blick nach Japan, zu den Indianern der Nordwestküste Amerikas und zu den Maori Neuseelands beschreibt die Beziehungen zwischen Wal und Mensch im Pazifik. Auch dort nutzen die Menschen den Wal als Rohstoffquelle, schreiben ihm aber bisweilen übernatürliche Fähigkeiten zu und erzählen von ihm in ihren Mythen. Die Ausstellung greift auch die aktuellen Themen Walfang und Walforschung auf.
Und noch mehr Wale in Bremen
Erst nachdem ich mich des Themas für diesen Beitrag angenommen hatte, wurde mir klar, wie präsent Wale wirklich in Bremen sind. Immer wieder begegne ich schönen Geschichten rund um diese beeindruckenden Säuger. Stimmt ja, schießt es mir beispielsweise durch den Kopf, als ich in unseren Basistexten stöbere. Das innovative Universum Science Center – sieht ja auch aus wie ein silberner Wal. Das kann kein Zufall sein.
Aber auch im historischen Rathaus finden sich Zeugen für Bremens Verbindung mit den Giganten den Meere: So hängt beispielsweise in der Oberen Halle das größte bekannte Gemälde eines Wals. Das 3,55 × 9,55 Meter große Ölgemälde stammt vom deutschen Maler Franz Wulfhagen. Es entstand 1669. Am unteren Rand des Bildes steht zu lesen: „ANNO 1669. am 8. MAJI ist ein Wallfisch uffm Sande im Leeßmer strohm nahendt dem Leßmer Bruche erschoßen. so zu schiffe gebracht.und am 9. MAJI nach Bremen gefuhret auch folgendts daselbst das fleisch abgeschnitten. und ist die länge dieses fisches befunden vom maul biß ans auge 5 fueß. Vom maul biß zum schwantze 29 fueß. die floßfedern 3 fueß der schwantz in der breite 9 fueß. die dicke in der circumferenz 12 fueß inmaß dier Wallfisch. nach natuerlicher größe abgebildet und deßen zusamen gehefftete gebein alhie zur gedächnüß auffgehangen worden 28. Junii Anno 1669.“
Auf neudeutsch ungefähr: Am 8. Mai des Jahres 1669 gelangte ein weiblicher Zwergwal von über 9 Metern Länge und 3 Metern Umfang in die Einmündung der Lesum zur Weser und wurde von Bremer Walfängern erlegt.
Vermutlich befand sich das Tier auf Nahrungssuche und war Lachsen stromaufwärts gefolgt. Durch die zunehmende Versandung war die Wassertiefe der Unterweser im 17. Jahrhundert so gering, dass Seeschiffe oft nur bei Flut bis nach Bremen gelangen konnten. Darüber hinaus war der Flusslauf vor der Weserkorrektion Ende des 19. Jahrhunderts noch von zahlreichen Seitenarmen, Inseln und Sandbänken durchzogen, so dass ein Wal hier leicht Gefahr lief sich zu verirren und bei Niedrigwasser leichte Beute zu werden. Im Laufe der Jahre gelangten mehrfach Wale in die Weser und ihre Nebenflüsse. So wurde z. B. 1608 bei Lesumbrook ein Wal gefangen und erlegt, ein weiterer strandete 1670 bei Lemwerder.
Der Wal des Jahres 1699 erlangte jedoch besondere Bedeutung, da er Gegenstand eines symbolträchtigen politischen Streits zwischen der Stadt Bremen und Schweden wurde. Nach dem Ersten Bremisch-Schwedischen Krieg (1654) und dem Zweiten Bremisch-Schwedischen Krieg (1666) bildete die Lesum die Grenze zwischen dem bremischen Gebiet (am südlichen Ufer) und dem – mit Ausnahme von Vegesack – unter schwedischer Hoheit stehenden Herzogtum Bremen-Verden (am nördlichen Ufer). An welchem Ufer der Wal strandete ist nicht überliefert – beide Parteien behaupteten allerdings, dass das wertvolle Tier auf ihrer Seite des Flusses gefunden wurde. Ungeachtet dessen ergriffen Bremer Walfänger aus Vegesack als erste die Initiative, erlegten den Wal, brachten ihn nach Bremen, zerlegten ihn dort auf der Schweineweide und kochten Tran aus seinem Speck. Das Skelett des Wals wurde im Auftrag des Rates „zierlich wieder zusammengefügt“ und hing als Trophäe bis 1815 an der Balkendecke der Oberen Rathaushalle. (Quelle: Wikipedia)
Auf vergnüglichere Art und Weise wurde sein Schicksal allerdings vom Bremer Lehrer Klaus Papies auf Basis einer Schülerarbeit in einem Gedicht geschildert:
Es ist schon eine Weile her,
da kam aus seinem Reich, dem Meer,
ein Wal die Weser raufgeschwommen,
ist auch bis Vegesack gekommen
und wandte sich zur Lesum hin,
doch war das leider kein Gewinn,
er lief auf eine Sandbank auf,
die stoppte plötzlich seinen Lauf
und hielt ihn fest mit aller Macht,
er hatte die Tide nicht bedacht.
Da lag er nun in stiller Größe,
doch auch in seiner ganzen Blöße,
und verzichtete ganz leise
auf den letzten Teil der Reise.
Die komplette Ballade vom Lesumer Wal könnt ihr in vielen Museumsshops und Bremer Buchhandlungen erwerben oder dort unter der folgenden ISBN-Nummer bestellen: 978-3-00-045794-4.
Ihr seht also, von groß bis klein, von historisch bis modern, das Thema „Wale“ ist vielfach präsent in der Hansestadt.
Erfolgsgeschichten
Seit 2018 setzen die Themenjahre in Bremen innovative Impulse für Stadtmarketing und regionale Wirtschaftsförderung. Sie stärken den Tourismus in der Hansestadt und fördern vielseitige Kooperationen. WFB-Projektleiterin Kristina Brandstädter weiß, was das Bremer Modell erfolgreich macht und welche Ansätze andere Städte nutzen können.
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