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12.7.2016 - Rike Oehlerking

Deichleben von A bis Z

Tourismus
Straßenschild Osterdeich
Der Osterdeich © WFB/Rike Oehlerking

Der gute, alte Osterdeich – für Bremerinnen und Bremer ein wahrer „place to be“, die Flaniermeile der Hansestadt sozusagen. Er erstreckt sich von der Georg-Bitter-Straße bis zum Tiefer auf Höhe des Altenwalls. Das sind in etwa drei Kilometer. Während ganz im Osten Deich und Weser durch ein recht weitläufiges Kleingartengebiet und Sportanlagen getrennt werden, treffen sich Fluss und seine Begrenzung bei den Weserterrassen wieder. Von hier an lässt es sich hervorragend mit bestem Blick am Deich sitzen, was vor allem im Sommer unzählige Menschen tun. Ich hab ein kleines Deich-Lexikon erstellt.

Ahoi!

Das Restaurant Ahoi direkt neben dem Bürgerhaus Weserterrassen ist ein schöner Anlaufpunkt, um vor Wind und Wetter geschützt dennoch am Deich zu sitzen und zu genießen. Auch im daneben liegenden Biergarten lässt es sich gut aushalten. Von hier aus flussabwärts kommt direkt am Deich erst wieder auf Höhe der Schlachte gastronomisches Angebot. Wer also einen längeren Spaziergang entlang der Weser macht, kann sich hier stärken.

Breminale

Einmal im Jahr verwandelt sich der Osterdeich zwischen Sielwall und Altenwall für fünf Tage in ein buntes Festival voller Musik, Kunst und Kultur. Die Ursprünge der Breminale reichen weit zurück bis in die 1980er Jahre. Vieles hat sich seitdem verändert, einiges ist geblieben: Zum Beispiel der dem Motto „Kultur für alle“ treu gebliebene freie Eintritt. Ich schlendere jedes Jahr gerne an den großen Zirkuszelten und den zahlreichen Verzehrständen vorbei und lasse Licht, Luft und Leute auf mich wirken.

Drei Bilder der Breminale am Deich
Zur Breminale füllt sich der Deich besonders hinter den großen Zirkuszelten gerne. Dann wird sitzend den Konzerten gelauscht. © WFB/Rike Oehlerking

Charme

So ein Deich mitten in der Stadt betont die Wichtigkeit, aber auch die Macht des Wassers allein durch seine Existenz. Als jemand, der aus einer Stadt mit deutlich kleinerem Fluss kommt, kann ich sagen, dass die Weser und ihr Deich ganz schön viel zum hanseatisch-maritimen Klima in Bremen beitragen. Wenn dann auch noch der salzige Duft der Nordsee die Weser hinauf weht, ist es endgültig um mich geschehen. Das „Am Deich-Sitzen“ hat schon einen ganz besonderen Charme.

Deichbremse

Frei nach dem Motto „Ohne Zwang am Hang“ kam ein Bremer vor einigen Jahren darauf, einen Hocker für den Deich zu bauen: die Deichbremse. Der große Vorteil liegt darin, dass man auf der mit Stoff bespannten Sitzfläche deutlich bequemer an schräger Hanglage sitzt – vor allem, weil die unterschiedlich langen Beine des Sitzgeräts die Sitzfläche in die Waagerechte verlagern. Alle, die schon mal einen Abend am Deich verbracht haben, werden wissen, wie anstrengend die Schräge auf Dauer werden kann. Dem darf nun per Deichbremse entgegen gewirkt werden :-)

Deichbremse am Osterdeich
Vorne lang, hinten kurz: Quasi die umgedrehte “Vokuhila” des Deiches – sehr praktisches Sitzmöbel, wenn man am Hang sitzen auf Dauer anstrengend findet. © WFB/Rike Oehlerking

Eiswette

„Steiht se oder geiht se?“ Das wird jedes Jahr aufs Neue am 6. Januar auf Höhe der Sielwallfähre gefragt. Die sogenannte Eisprobe geht auf eine alte Wetttradition zurück, nach der 1829 zum ersten Mal im Stil der englischen Gentlemen-Clubs gewettet wurde, ob die Weser im Winter zufriert oder nicht. Wetteinsatz war und ist bis heute ein großes Grünkohl-Essen, das alljährlich durchgeführt wird und dessen Spendeneinnahmen an die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) gehen.

Das Schneiderlein vor der fließenden Weser
Das Schneiderlein und die Weser – se geiht! :-) © WFB/Rike Oehlerking

Flanieren

Ob mit Hund oder ohne, ob auf dem Rad, auf Rollschuhen oder Skateboard – am Deich entlang ist meist alles in Bewegung. Besonders an sonnigen Wochenendtage hat man manchmal das Gefühl, dass halb Bremen sich am Osterdeich trifft. Wer also zügig von A nach B, sprich von Ost nach West oder umgekehrt, muss, der sollte auf den oberen Wegen bleiben. Wer es nicht eilig hat, dem sei empfohlen, sich einfach an die schräge Grasfläche zu setzen und bei einem Getränk dem bunten Treiben zuzuschauen: Besser als Fernsehen!

Graf

Na, klar: Wo ein Deich, da auch ein Graf. Tatsächlich hat auch Bremen einen oder eigentlich sogar gleich mehrere – hier heißt der Graf allerdings Deichhauptmann und ist Vorstandsvorsitzender des Bremischen Deichverbandes am rechten Weserufer bzw. des linken Weserufers. Wer Grundstückseigentümer in den Gebieten der Verbände ist, ist auch automatisch Mitglied und bestimmt alle fünf Jahre die Besetzung der Deichämter per Wahl, die dann wiederrum den Vorstand wählen. Ziele sind für beide Verbände natürlich der Schutz der Menschen in Bremen gegen Hochwasser und Sturmfluten sowie die richtige Be- und Entwässerung – das alles auf umwelt- und naturverträgliche Weise.

Bremischer Deichverband: Hochwasserschutz als Gemeinschaftsaufgabe
Schirmer ist im Ehrenamt Vorsteher des „Bremischen Deichverbandes am rechten Weserufer“. Angesichts seiner hohen Bedeutung ist der Hochwasserschutz für Bremen eine Gemeinschaftsaufgabe, die von den Grundeigentümerinnen und -eigentümern in der Stadt finanziert wird. © Jörg Sarbach

Insel

Vom Osterdeich auf blickt man übrigens auf die Werder-Insel, die durch die Trennung von Großer und Kleiner Weser entstanden ist. Auf ihr befindet sich ein riesiges Kleingartengebiet, Sportanlagen und andere Naherholungsmöglichkeiten. Im Süden wird sie durch den sogenannten Werdersee begrenzt, der im Sommer eine willkommene Abkühlung bietet.

Hochwasser

Den Tidenhub – das wird bekannt sein – kann man hier täglich bis hinter die Bremer Innenstadt flussaufwärts beobachten. Doch von Zeit zu Zeit tritt die Weser über die Ufer. Vor allem im Winter hab ich schon gesehen, wie das Wasser bis ans bemalte Fährhaus am Sielwall stand. Das sind dann Momente, in denen einem die Wichtigkeit des Deiches sehr bewusst vor Augen geführt wird.

Junikäfer

Sie sind etwas kleiner und heller als Maikäfer, aber mindestens genauso plump. Ich habe es einmal miterlebt, was passiert, wenn sie zum Abend aus ihren Verstecken am Deich kommen. Man stelle sich einen lauen Sommerabend im Juni vor. Der Deich ist vollbesetzt. Dann auf einmal wie auf Kommando steigen unzählige Junikäfer in die Luft und vollführen ihren Tanz, der leider viel zu oft in den gutriechenden Haaren und Klamotten der Deichbevölkerung endet. Ich rettete mich damals ans obere Deichende und hatte von dort aus einen hervorragenden Blick auf herumspringende Menschenmassen. Offiziell heißt das Tierchen übrigens Gerippter Brachkäfer. Seine Engerlinge schlüpfen im dritten oder vierten Jahr aus dem Boden.

Kubb

Manchmal entdeckt man auf den geraden Wiesenflächen vorm Deich Menschengruppen, die mit Wurfhölzern versuchen auf dem Rasen stehende Holzklötze zu treffen. Wer sich wundert, was das ist: Das Spiel heißt Kubb, ist vor allem in Schweden und Norwegen ein beliebtes Geschicklichkeitsspiel und wird deswegen auch gerne Wikingerschach oder -kegeln genannt. Es geht darum, die Klötze der gegnerischen Mannschaft umzuwerfen.

Licht

Was sich bei einem Tag am Deich auf jeden Fall empfiehlt, ist jede Menge Sonnenschutz. Schließlich sprechen wir hier über eine Südhanglage. Im Sommer sind sich all die Deichbesetzer daher der Sonne ziemlich ausgeliefert. Sobald sie über das Stadion im Osten steigt, kennt sie bis in die späten Abendstunden kein Erbarmen. Fatal wird es, wenn dann auch noch ein kühler Wind die Weser hinauf weht. Ich habe im Sommer schon einige Menschen gesehen, die das definitiv unterschätzt haben. Abends legt sich dann ein ganz besonderes Licht über die Deichwiesen. Vielleicht die schönste Zeit am Deich.

Am Abend taucht das Weserstadion am Osterdeich in ein ganz besonderes Licht. © Moritz Steinhardt

Marathon

Der Bremer Marathon Anfang Oktober führt seit 2005 auch am Osterdeich entlang. Dabei werden die Laufenden durchs Weser-Stadion und dann wieder am Fluss entlang gen Westen geleitet. Damit sich die zahlreichen Läufer von Marathon, Halbmarathon und 10-Km-Lauf nicht in die Quere kommen, läuft man unten in die eine Richtung und oben auf der Deichkrone in die andere.

Notdurft

Das fällt einem meistens erst ein, wenn man schon einen Moment am Deich sitzt. „Ach, ja“, denkt man sich. „Irgendwann müsste ich vielleicht auch mal zur Toilette.“ Hierfür stehen Container am Deich. Eine weitere öffentliche Toilette befindet sich im Bürgerhaus Weserterrassen.

Oster kommt von Osten

Das „Oster“ im Straßennamen hat übrigens nichts mit Ostern zu tun, sondern bezieht sich auf die Lage im Osten der Innenstadt. Der Osterdeich wird oft von Bremerinnen und Bremern abkürzt als „O-Deich“ bezeichnet.

Punkendeich

Der Abschnitt zwischen Sielwall und Altenwall wurde bis ins 18 Jahrhundert auch Punkendeich genannt. „Punken“ bezeichnete die Prostituierten, die Mitte des 18. Jahrhunderts aus der Stadt verbannt wurden und daraufhin ihrem Gewerbe vor den Stadtmauern entlang des Deiches nachgingen. Mitte des 19. Jahrhunderts wurde der Deichteil dann in den Osterdeich mit einbezogen.

Qualmwasser

Hierbei handelt es sich um ein Fachwort aus der Deichbauwissenschaft. Das Qualmwasser ist jenes Wasser, das bei durch Fluten belastete Deiche auf der Innenseite auftauchen kann. Schließlich ist kein Deich komplett wasserundurchlässig. Was genau dann im Stadtgebiet passiert, kann ich nur vermuten: Wahrscheinlich läuft das eine oder andere Kellerchen voll. In Naturgebieten entstehen kurzzeitig Flachwasserzonen.

Rodeln

Im Winter, wenn es geschneit hat, eignet sich der Deich auch ziemlich gut zum Rodeln. Manch einer ist hier sogar schon mit dem Snowboard runter gefahren – ein kurzes, aber umso spaßigeres Vergnügen. Nur unten sollte man aufpassen, dass man nicht in der Weser landet.

Sielwallfähre

Zwischen Karl-Carstens-Brücke und Wilhelm-Kaisen-Brücke bildet die Sielwallfähre die einzige Möglichkeit, die Weser zu überqueren. Sie schippert in etwa auf Höhe der Sielwall-Straße vom Deich rüber zum Café Sand und zurück. Manchmal bilden sich Schlangen an beiden Ufern, weil so viele Fußgänger und Radfahrer den Service nutzen wollen.

Die Sielwallfähre auf dem Weg zum Café Sand.
Die Sielwallfähre bringt Fußgänger und Radfahrer auf die Werder-Insel. © WFB/Rike Oehlerking

Tiefer

Die Straße ist im westlichen Teil, kurz vor der Wilhelm-Kaisen-Brücke, die Verlängerung des Osterdeichs. Sie trug im 14. Jahrhundert den Namen Tivera, was in etwas „Fähre zum Versammlungsplatz“ geheißen haben könnte. Die Straße lag damals noch nicht direkt am Fluss. Durch städtebauliche und flussbegradigende Maßnahmen veränderte sich die Lage des kurzen Straßenabschnitts Tiefer ebenso wie sein Name.

Unterirdische Straße

Das ist natürlich nur ein Traum – aber manchmal wird man ja noch träumen dürfen. Man stelle sich vor, dass all der Verkehr, der tagtäglich über den Osterdeich rollt, am Tiefer in einem Tunnel verschwindet und erst auf Höhe des Stadions wieder nach oben kommt. Das würde den Osterdeich schlagartig verändern. Wahrscheinlich wäre das bautechnisch gar nicht möglich, weil der Tunnel dann ja gewissermaßen im Deich entlang laufen müsste, was bestimmt die Deichfunktion an sich im wahrsten Sinne des Wortes untergraben würde. Dennoch stell ich mir das manchmal vor, wie der O-Deich wohl ohne Autos wäre.

Villa Sponte

Am Osterdeich 59B steht die Villa Sponte und lädt seit 2012 zu verschiedensten kulturellen Veranstaltungen ein. Der „Verein für Kulturmacher“ will Raum für alle bieten, die ihrer Leidenschaft für Kunst und Musik nachgehen möchten. Das lateinische Wort „sponte“ bedeutet „aus eigenem Antreibe, freiwillig“ und steht für die Grundidee des Vereins, dass die Mitglieder aktiv aus eigener Veranlassung Kultur schaffen, eben auch ohne staatliche Zuschüsse.

Apropos „Villa“: Am Osterdeich steht eine ganze Reihe recht beeindruckender Stadtvillen, in denen hier und da auch schon mal recht bekannte Persönlichkeiten gewohnt haben. Ohnehin ist der Osterdeich eine der begehrtesten Wohnlagen der Stadt.

Werder-Kiosk

Der Kiosk oben am Ende des Sielwalls trägt den Zusatz „Werder“ im Namen, weil er mit Vereinsfarbe und -logo bemalt ist. Wenn man am Deich sitzt, ist der Werder-Kiosk oft der kürzeste Weg zum nächsten Kühlgetränk. Im Sommer wird von hieraus manchmal der nahgelegene Deichteil mit Musik beschallt. Der Werder-Kiosk ist außerdem ein beliebter Treffpunkt am Deich.

Der Werder-Kiosk am Osterdeich
Beliebter Treffpunkt: Der Werder-Kiosk. © WFB/Rike Oehlerking

Xenophil

Ich muss zugeben, das Wort hab ich auf der Suche nach Wörtern mit „X“ für diesen Beitrag auch erst kennen gelernt. Seine Bedeutung fand ich dann für Bremen so passend, dass ich es hier kurzerhand mit aufnehme und auf den Deich anwende. Es heißt: Allem Fremden gegenüber positiv eingestellt und aufgeschlossen. Eine Erklärung ist hier wohl nicht mehr nötig.

Yachten

… und allerlei anderer Schiffsverkehr passieren tagein, tagaus die Weser. Wenn man am Osterdeich sitzt kann man schon mal eine ganze Menge unterschiedliche Wasserfahrzeuge beobachten. Vom Kanu über Sportruderboote, Segelboote und Privatyachten bis hin zum Binnenfrachter tragen alle zu einem ziemlich ausgewachsenen Maritimgefühl bei

Zweck erfüllt

Der Deich wird stets gehegt und gepflegt – und manchmal auch ausgebaut und erhöht. Dank ihm gab es im Bremer Stadtgebiet schon lange keine Überschwemmung mehr. Aber auch als Naherholungsort und Flaniermeile erfüllt der Osterdeich seinen Zweck ziemlich gut. Bremen hätte echt ein schönes Plätzchen weniger, wenn es den Deich nicht geben würde.

Feinste Südhanglage: Der Osterdeich. © WFB/Rike Oehlerking

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