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Die drei Initiatoren von ekofair: Erik Wankerl, Urs Siedentop und Felix Halder (v.l.n.r.). - Quelle: WFB / Frank Pusch
29.3.2021 - Beata Cece

Mehr als nur ein Experiment

Innenstadt im Wandel

ekofair ist Bremens erstes Fairkaufhaus – und hat damit im Wettbewerb um eine mietfreie Ladenfläche in bester Innenstadtlage überzeugt

Was stellt man mit einer mietfreien Ladenfläche in bester Innenstadtlage an? Urs Siedentop, Erik Wankerl und Felix Halder haben mit ihrer Antwort auf diese Frage beim Concept-Store-Wettbewerb überzeugt: ekofair heißt ihre Idee, die im März 2021 in der Obernstraße an den Start ging. Die drei Gründer verraten im Interview, was Bremens erstes Fairkaufhaus zu bieten hat und warum Nachhaltigkeit nicht die Hauptsache ist.    

33 Mitbewerberinnen und Mitbewerber machten letztes Jahr beim Concept-Store-Wettbewerb der WFB Wirtschaftsförderung Bremen GmbH mit. Der Preis: 13 mietfreie Monate für eine 600 Quadratmeter große Verkaufsfläche in bester Innenstadtlage. Erinnern Sie sich noch an den Moment, als Sie erfuhren, dass Sie gewonnen haben?

Urs Siedentop: Oh, ja! (lacht). Die Projektverantwortliche von der WFB rief mich an und meinte, sie habe schlechte Nachrichten für uns. Sie sagte: ‚Nächstes Jahr habt ihr leider keine Zeit für irgendwas anderes, ihr habt nämlich den Wettbewerb gewonnen!‘ Danach wollte ich sofort Erik und Felix Bescheid geben, aber keiner von beiden ging ans Telefon. Ich hing also eine halbe Stunde in der Luft und wusste nicht wohin mit meiner Freude. 

Erik Wankerl: Als Urs uns dann erreichte, konnten wir es zunächst nicht richtig glauben. Wir hatten uns natürlich ausgemalt, wie es wäre, diese krasse Chance zu bekommen, waren dann aber doch ein bisschen geschockt. Wir haben uns dann aber schnell gefangen und gesagt: Wir rocken das.

Kleiderständer mit Pullovern und T-Shirts. Im Hintergrund eine Rolltreppe.
Wie alle anderen Produkte stammt auch die Kleidung bei ekofair aus fairen und nachhaltigen Produktionsbedingungen. © WFB / Frank Pusch

Der Concept-Store-Wettbewerb ist Teil des Aktionsprogramms Innenstadt, mit dem die Bremer City nachhaltig gestärkt werden soll. Warum meinen Sie, ist Ihr Ansatz dafür der Richtige?

Erik Wankerl: Also ich bin selbst jemand, der eher online shoppt. Ich würde zum Beispiel nicht in ein Kaufhaus gehen, nur um mir eine Pfanne zu besorgen. Wenn ich in die Innenstadt gehe, will ich etwas erleben. Und hier setzen wir mit unserem Konzept an: Wir wollen hochwertige, nachhaltige Produkte anbieten und verknüpfen dieses Angebot mit Kultur und Veranstaltungen. Wir sind der Meinung, dass die Bremer Innenstadt genau diese Form von Aufenthaltsqualität braucht.

Bei ekofair gibt es nur Produkte, die fair gehandelt, bio oder regional sind. Ist das Thema Nachhaltigkeit tatsächlich schon so massentauglich geworden, dass man damit eine breite Zielgruppe in die Innenstadt lockt?

Erik Wankerl: In meinem Umfeld erlebe ich, dass der Aspekt Nachhaltigkeit an Bedeutung gewinnt. Immer mehr Menschen leben vegan oder vegetarisch, fahren Fahrrad oder setzen auf Ökostrom. Und als jemand, der in einer Markenagentur tätig ist, bekomme ich natürlich auch mit, wie sich die Dinge außerhalb meiner Bubble entwickeln. Bei den Discountern liegen die Wachstumszahlen im Biosegment zum Beispiel bei etwa 30 Prozent und Studien zeigen, dass vor allem junge Menschen ihren Konsum kritisch beleuchten und sich mehr Transparenz von Unternehmen wünschen. Es gibt viele Indizien dafür, dass sich die Menschen nachhaltige Produkte wünschen und unser Plan aufgehen kann. 

Felix Halder: Und wir spielen ja nicht nur die Nachhaltigkeitskarte. Dass die Produkte im Store fair und ökologisch sind, ist die Basis und eine Selbstverständlichkeit für uns. Im Vordergrund steht aber, dass die Leute bei uns schöne, neue und interessante Sachen entdecken und sich austauschen können – mit den Menschen hinter den Produkten aber auch untereinander bei Workshops oder Veranstaltungen. 

Ein Verkaufstresen mit Kaffee in braunen Papiertüten und Croissants.
"Kaffeesieren", wie man in Bremen so schön sagt, kann man im ekofair-Kaufhaus bei "Juli liebt Café", das hier einen Ableger eröffnet hat. In Corona-Zeiten gibt es Kaffee und Snacks allerdings nur zum Mitnehmen. © WFB / Frank Pusch

Was wäre gewesen, wenn Sie nicht gewonnen hätten? Hätten Sie sich getraut, Ihr Konzept auch ohne Förderprogramm umzusetzen?

Urs Siedentop: Nein, ohne Förderung hätten wir unsere Idee in dieser Triple-A-Lage nicht ausprobieren können. Das wirtschaftliche Risiko wäre einfach zu groß gewesen. 

Erik Wankerl:  Und das Gleiche gilt auch für unsere Partnerinnen und Partner, von denen viele gerade angefangen haben oder irgendwo kleinere Läden unterhalten. Nur dank der Unterstützung und weil wir uns die Fläche kooperativ teilen, haben wir die Chance, uns in dieser Toplage zu präsentieren.  

Hatten Sie Schwierigkeiten die richtigen Kooperationspartnerinnen und Kooperationspartner:innen zu finden?

Urs Siedentop: Wir hatten schon im Vorfeld passende Partnerinnen und Partner angesprochen und gefragt, ob sie sich vorstellen könnten, ihre Produkte oder Dienstleistungen bei uns zu präsentieren. Als der Wettbewerb dann gewonnen war, haben wir alle Interessenten auf die Fläche eingeladen, um zu besprechen, ob sie wirklich dabei sein wollen. Das war ein spannender Moment.

Erik Wankerl: Ja, das war so ein bisschen die Stunde der Wahrheit. Da haben wir kurz gezittert und uns gefragt: Machen jetzt wirklich alle mit?

Ein dunkles Regal mit vielen bunten Lebensmittelverpackungen.
Gewürze, Reis, Pasta, Snacks und süße Leckereien – auch kulinarisch gibt es in der Obernstraße viel zu entdecken. © WFB / Frank Pusch

Wie ist es ausgegangen?

Urs Siedentop: Alle bis auf eine Interessentin waren dabei! Eine potenzielle Partnerin ist abgesprungen, aber nicht weil kein Interesse mehr bestand, sondern weil sie es personell nicht managen konnte. Mit dabei sind jetzt das Pflanzengeschäft Two Greens, das Café Juli liebt Kaffee, der Modeladen fairtragen, der Mug Shop mit handgemachter Kermaik und viele mehr. Im Ausstellungsbereich präsentieren sich unter anderem die Bremer Fahrradmanufaktur Velo Lab und die ARRT POP Galerie. In diesem Bereich werden auch Lesungen und andere Events stattfinden. Die Gewürz-Sommelière Laura von Yummy Organics plant zum Beispiel eine Geruchsverkostung und Claudia von Martha‘s Corner will vor Ort Seife sieden. 

Eine Blumenvase und ein halbhohes Regal mit bunten Decken und Kissen.
Das gute Gewissen ist bekanntlich auch ein gutes Ruhekissen. Umso besser, wenn man das müde Haupt auch noch auf nachhaltig produzierte Decken und Kissen betten kann.

Und wie soll es nach dem Förderzeitraum weitergehen? Sehen Sie das Ganze als Experiment, das nach 13 mietfreien Monaten endet?

Urs Siedentop: Auf keinen Fall! Dafür ist zu viel Arbeit und Kreativität reingeflossen. Wir haben von Anfang an geplant, nach dem Förderzeitraum weiterzumachen und geben alles dafür, dass das kein Experiment bleibt.

Mehr Informationen zum Aktionsprogramm finden Sie auch in unserem Artikel "Bremen wird neu – wo die Corona-Krise zu innovativen Ideen führt"

Bild oben: Die drei Initiatoren von ekofair: Erik Wankerl, Urs Siedentop und Felix Halder (v.l.n.r.)., Bild: WFB/Pusch

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