Ein Meilenstein für Bremen-Nord
Kämmerei-QuartierAuf dem Areal der einstigen Bremer Woll-Kämmerei (BWK) wird historische Bausubstanz in einen modernen Berufsschul-Campus verwandelt
„Es sieht sehr gut aus, wir haben 2023 viel geschafft‟, sagt Daniel Schaefer gut gelaunt. Seit April 2023 ist der WFB-Projektleiter verantwortlich für den Umbau des Gebäudes 43/44 im Kämmerei-Quartier in Blumenthal, einem der wichtigsten Gewerbestandorte für Bremen-Nord. Der Baukomplex befindet sich auf dem Areal der ehemaligen Bremer Woll-Kämmerei (BWK), er wurde 1916/17 errichtet und steht heute unter Ensembleschutz.
Das Gebäude 43/44 beherbergte zu BWK-Zeiten ein Lohnkontor, eine Kranken- und Sparkasse, ein Packkontor, Musterlager, Wollböden und Sortieranlagen. Aus dieser einstigen „Sortierung‟ mit ihren fünf Geschossen auf knapp 90 Metern Länge und 22 Metern Breite soll nun ein moderner Berufsbildungs-Campus werden, in dem nach und nach diverse regionale Angebote zusammengeführt werden, in unmittelbarer Nachbarschaft zu kleinteiligem Gewerbe und Handwerksbetrieben, was wertvolle Synergieeffekte verspricht. Den Auftakt wird die Verlagerung des berufsbildenden Angebots aus dem Schulzentrum Blumenthal bilden. Geplant ist aber auch, dass berufsbildende Module aus Vegesack, des Schulzentrums an der Alwin-Lonke-Straße und der Berufsbildenden Schule für Metalltechnik in Oslebshausen hier auf historischem Gelände zu einem modernen Campus zusammenwachsen.
Anspruchsvolle Großbaustelle
Ein ehrgeiziges und kompliziertes Großprojekt also, das Bauexperte Daniel Schaefer für die WFB betreut, eine Herausforderung auch für die zahlreichen externen Fachplaner, die das Vorgehen der einzelnen Gewerke steuern, und eine besondere Aufgabe für die 20 bis 30 Kräfte, die zeitgleich auf der Großbaustelle dafür sorgen, dass es voran geht. Einig waren sich alle Beteiligten von Anfang an darin, dass die Verwandlung eines historischen Industriekomplexes in eine Bildungseinrichtung so (bau-)ökologisch wie irgend möglich zu leisten sei. Dass Deutschland als eine Hochburg komplizierter Bauvorschriften gilt, macht das Projekt nicht einfacher. Bei fast allem hat hier außerdem der Denkmalschutz ein entscheidendes Wort mitzureden. Einfach abreißen und neu bauen kam in Blumenthal also nicht infrage.
Richtschnur für die weiteren Schritte auf dem Areal ist das Strukturkonzept des Büros DeZwarteHond. Architecture Urbanism, Rotterdam/Groningen/Köln, das in einem Wettbewerb die besten Ideen für den Umgang mit Bestandsgebäuden, den neuen Schulen, Grünanlagen und der Anbindung an das Blumenthaler Zentrum präsentiert hatte. Zwar soll die historische Backsteinfassade der ehemaligen „Sortierung‟ erhalten bleiben, dennoch ging es auf der Großbaustelle zunächst etwas robuster zu: „Wir haben die Schadstoffsanierung nahezu vollständig durchgeführt‟, berichtet Projektleiter Schaefer. „Es waren mehr Schadstoffe im Gebäude als angenommen. Man findet etliche Schadstoffe erst, wenn man andere Dinge weggeräumt hat.‟
Das Gebäude ist also inzwischen entkernt, aber nur im Bereich Leichtbau. Tragende Elemente wurden verschont. Allerdings mussten die alten Treppenhausbereiche weichen. „Dafür entstehen zwei neue Treppenhäuser. Das ist notwendig wegen der modernen Brandschutztechnik und wegen der erforderlichen Notausgänge, wir müssen dafür sorgen, dass es genügend Rettungswege gibt‟, sagt Daniel Schaefer.
Nachhaltiges Bauen als wichtige Maxime
Bis vor Kurzem war man noch davon ausgegangen, dass das originale Betonschrägdach des Gebäudes 43/44 hätte ersetzt werden müssen, unter anderem aus Gründen der Statik und wegen baulicher Anforderungen an eine moderne Dämmung. Jetzt aber gibt es grünes Licht für eine Rettung der historischen Konstruktion. Die Folge: drastische Einsparungen an Zeit, Kosten und vor allem an Co2-Emissionen. Aus Sicht der Denkmalpflege gilt das alte Betonschrägdach als standortprägend und damit als wertvoll. „Wir schwenken nun um von einem kompletten Dachrückbau und Neuaufbau zu einer Sanierung. Das verschafft uns im Bereich der grauen Energie einen immensen Vorteil, denn wir sparen so Tonnen von CO2 ein. Wir wollen ja auch hier nachhaltig bauen‟, erläutert Projektleiter Schaefer.
Die restlichen Abbruch- und Schadstoffsanierungsarbeiten sollen bis Ende des laufenden Quartals vollendet sein, parallel wird mit den Rohbauarbeiten begonnen. Mitte dieses Jahres könnten dann wohl die Trockenbauer kommen, so die Planung. Das abgebrochene Material aus der Schadstoffsanierung geht in die entsprechenden Deponien, nicht belastetes Material wird nach Möglichkeit dem Recycling zugeführt. Teile des Abbruchs, die wiederverwendbar sind, wurden inzwischen schon vor Ort beiseitegelegt, damit das Material nicht erst abtransportiert und später wieder herangeschafft werden muss.
Enge Abstimmung mit dem Denkmalschutz
Doch zuvor muss der Bau dicht sein. Nach der Dachsanierung und den anschließenden Dachdeckerarbeiten steht der komplette Austausch der alten Fenster gegen moderne Holzfenster nach aktuellen energetischen Standards an. Wo die neuen Fenster den Austausch oder die Ergänzung einzelner Partien der Backsteinfassade erfordern, werden sorgsam ausgesuchte und harmonisch passende neue Steine eingefügt, alles wieder in Abstimmung mit dem Denkmalschutz. Das Alter des Gebäudes soll von außen erkennbar bleiben, auch wenn modernen baulichen Standards gefolgt wird.
Dass „Bauen im Bestand‟ häufig einer Wundertüte gleicht, gilt bei Bauexperten als Binsenweisheit: Es sei komplexer als ein kompletter Neubau, findet auch Daniel Schaefer. Es könne eben nicht einfach etwas am Reißbrett entworfen und dann von unten nach oben gebaut werden. Stets gebe es Unvorhergesehenes, zum Beispiel durch frühere Einbauten, denn das eigentliche Tragwerk sehe man erst nach der Schadstoffsanierung. Das erfordere oft neue Planungen, um Alternativen oder gute Kompromisse zu finden – eine Erfahrung, die auch frühere Baumeister schon reichlich gemacht hätten.
Einbettung in ein neues Umfeld
Dass hier mit Akribie und Respekt vor der historischen Bausubstanz ein Meilenstein für Blumenthal und Bremen-Nord realisiert wird, ist auf der Großbaustelle des künftigen Berufsschulcampus' spürbar. Die Verwandlung des kolossalen einstigen BWK-Komplexes in eine moderne Bildungseinrichtung ist ein anspruchsvolles Vorhaben, das allerdings noch weitere aufwändige Arbeiten nach sich ziehen wird. Neben der Herrichtung der Sporteinrichtungen und Flächen für die zahlreichen Berufsschüler:innen wird dem Bedarf an Gastronomie und Einzelhandel Rechnung zu tragen sein. Im weitläufigen Umfeld ist die Infrastruktur zu gestalten, darunter Entwässerung, Wärme- und Stromversorgung sowie Verkehrswege.
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