Die Endlichkeit im Blick
PressedienstTrauerberaterin Tanja Brinkmann begleitet Menschen nach einem schweren Verlust
Wer einen wichtigen Menschen verliert, erlebt das häufig als tiefe Krise. Tanja Brinkmann unterstützt Trauernde dabei, die entstandene Leere auszuhalten und neue Zuversicht zu finden. Als Mitgründerin des bundesweiten Netzwerks „Trauer am Arbeitsplatz“ berät sie auch Unternehmen, die mit einem Todesfall konfrontiert sind.
Wenn Tanja Brinkmann aus dem Fenster ihres an der Bremer Schlachte gelegenen Beratungsraums blickt, sieht sie unten auf der Uferpromenade an der Weser ein buntes und lebendiges Treiben. Hier oben im vierten Stock steht dagegen zumeist der Tod im Fokus. Wer ihr hier in einem der beiden sonnengelben Sessel gegenübersitzt, hat gerade einen der wichtigsten Menschen im Leben verloren. „Das ist unglaublich schmerzvoll und manchmal kaum auszuhalten“, weiß die ausgebildete Trauerberaterin. Die Zurückbleibenden in dieser Krise zu unterstützen und ihnen Zuversicht für ihr weiteres Leben zu vermitteln, hat sie sich zur Aufgabe gemacht. „Es ist wichtig, sich dem Trauerprozess nicht zu verschließen“, erläutert sie. „Trauern ist nicht das Problem, Trauern ist die Lösung. Denn es hilft dabei, die Wunde des Verlusts zu heilen und persönlich zu wachsen.“
Von der Krankenpflegerin zur Trauerberaterin
Seit 2013 ist die 50-jährige Bremerin als Trauerberaterin unterwegs. Darüber hinaus arbeitet sie auch als Trainerin und Fortbildnerin im Bereich Trauer und Palliativversorgung. Der Weg dorthin war weit, aber konsequent: Nach ihrer Ausbildung zur Krankenpflegerin und Tätigkeit in der Onkologie schloss Brinkmann zwei Studiengänge als Diplom-Sozialpädagogin und als Soziologin ab, bevor sie vor elf Jahren zum Thema „Seiltanz zwischen Privat- und Erwerbsleben“ promovierte. Zwischendrin absolvierte sie neben Fortbildungen zu den Themen Trauer, Tod und Palliative Care auch ein Praktikum in einem Bestattungsinstitut. Dabei erkannte sie eine Lücke: „Bestatter machen einen guten Job, aber eben nur bis zur Bestattung“, sagt sie. „Wenn ihre Arbeit getan ist, fängt der Trauerprozess allerdings erst so richtig an.“
Im neuen Alltag zurechtfinden
Als Krankenschwester in der palliativen Versorgung hatte sie zu Beginn ihrer beruflichen Laufbahn Sterbende bis zum Tod begleitet. Nach der Promotion beschloss sie, Trauernde nach dem Tod eines geliebten Menschen in ihrem weiterem Leben zu begleiten, um gemeinsam Wege zu erarbeiten, sich im neuen Alltag zurechtzufinden. „Die Menschen, die zu mir kommen, fühlen sich von der Situation überfordert und sind oft verzweifelt und ausgelaugt“, berichtet sie. „Aber wenn sie wieder gehen, sind sie schon einen großen Schritt weiter und können erkennen, dass das Leben auch wieder freudvolle Momente für sie bereithält. Ich empfinde meine Arbeit darum als zutiefst sinnvoll.“
Jeder Mensch trauert individuell
Wichtig ist der 50-Jährigen die Feststellung, dass es beim Trauern kein „richtig“ oder „falsch“ gebe. „Trauer ist ganz individuell. Sie ist ein Marathonlauf, auf den man nicht vorbereitet ist“, sagt sie. Der Mythos vom Trauerjahr sei eine Illusion: „Niemand, der einen wirklich nahestehenden Menschen verloren hat, ist nach einem Jahr damit durch. Oft bleibt die Trauer ein Leben lang. Aber ihre Qualität verändert sich, die Schmerzspitzen sind irgendwann nicht mehr so ausgeprägt.“ Das zu wissen, könne schon sehr hilfreich sein. Häufig seien die gesellschaftlichen Erwartungshaltungen wie Stolpersteine für Trauernde und machten es ihnen schwer, ihren eigenen maßgeschneiderten Weg zu finden.
Unsicherheit transparent machen
Einen maßgeschneiderten Weg finden: Das ist auch ihr Ziel, wenn sie von Unternehmen angefragt wird. Vor einigen Jahren hat sie zusammen mit einer Kollegin aus München das bundesweite Netzwerk „Trauer am Arbeitsplatz“ gegründet, um diesem Thema mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen und auf Unterstützungsangebote hinzuweisen. „Trauer am Arbeitsplatz hat viele Gesichter und kann jeden treffen“, betont Brinkmann. Ob durch einen Verlust im privaten Bereich eines Kollegen oder den plötzlichen Tod einer Mitarbeiterin: Unternehmen und Teams sind häufig stark gefordert, wenn sie mit derartigen Ausnahmesituationen konfrontiert sind. „Oft herrscht dann eine ganz große Unsicherheit, wie man gut miteinander umgehen kann. Wer diese Unsicherheit transparent macht, sorgt schon allein dadurch für eine Begegnung.“
Trauer am Arbeitsplatz
So herausfordernd es in manchen Situationen auch sein mag: Auf die Unternehmenskultur wirkt es sich nach Überzeugung der Trauerberaterin sehr positiv aus, wenn Trauer am Arbeitsplatz Raum bekommt. Das haben vergangenes Jahr auch die Mitarbeitenden der AWO-Kita Büropark Oberneuland erfahren, als plötzlich und unerwartet eine langjährige Kollegin starb. Kita-Leiterin Ann-Kristin Karwoth holte damals Tanja Brinkmann zur Unterstützung ins Boot, um mit professioneller Begleitung anstehende Fragen für sich klären zu können. „Als die Todesnachricht kam, musste ich schnell entscheiden, wie ich das meinem Team, den Kindern und den Eltern mitteile“, berichtet Karwoth. „Das war schon viel – einmal alles zu regeln, aber dann ja auch mit meinen eigenen Gefühlen umzugehen.“ Die Trauerberaterin habe umgehend für ein erstes Telefonat zur Verfügung gestanden und mit ihr einen Fahrplan erarbeitet.
Raum für Erinnerungen geben
Das Kita-Team stellte einen Trauertisch mit einem Foto der verstorbenen Kollegin im Eingangsbereich auf, die Kinder malten Bilder für sie. Wenige Tage später nahm Tanja Brinkmann an einer Dienstbesprechung teil und schuf dort einen geschützten Raum für gemeinsame Erinnerungen und die Möglichkeit, Gefühle zu äußern. „Bei manchen Erinnerungen haben wir auch ganz viel gelacht, das war total heilsam“, erinnert sich Ann-Kristin Karwoth. Sie könne diese Form der Begleitung nur empfehlen. „Das hat eine ganz andere Qualität, wenn da eine Expertin von außen kommt und genau weiß, wovon sie spricht“, meint die Kita-Leiterin. „Für mich war das unheimlich hilfreich, weil ich in dem Moment total geschockt und selbst überfordert war. Da muss man dann auch seine eigenen Grenzen kennen.“
Manchmal reicht – wie im Fall der Kita – eine einzelne Teamsitzung aus, um einen gemeinsamen Umgang mit der Trauer zu finden. Manchmal braucht es mehr Zeit, um Antworten auf die drängendsten Fragen zu finden – gerade dann, wenn tief trauernde Privatpersonen die Beratungsdienste von Tanja Brinkmann in Anspruch nehmen.
Der eigenen Endlichkeit bewusst werden
Auch wenn es die Hospiz- und Palliativbewegung nach Aussage von Tanja Brinkmann in den vergangenen Jahren geschafft hat, den Tod ein Stück weit zu enttabuisieren: Vielen fällt es nach wie vor schwer, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Für einen Großteil der Bevölkerung sei es offenbar komfortabler, sich der Illusion der Unsterblichkeit hinzugeben. Sie selbst ist dagegen überzeugt: „Wenn ich mir meiner Endlichkeit bewusst bin, komme ich viel mehr im Leben an und schiebe Dinge, die mich glücklich machen, nicht weiter auf.“
Trotz all der Geschichten, die sie tagein, tagaus zu hören bekommt: Fast immer gelingt es ihr, nach Feierabend abzuschalten und auf dem Heimweg mit dem Rad über die Weser ihre Arbeit auf der anderen Seite des Flusses zurückzulassen. „Aber es ist schon so, dass mich meine Arbeit Kraft kostet“, erzählt sie. Darum achte sie in ihrer Freizeit bewusst darauf, Dinge zu tun, die ihr Kraft schenkten: Zeit mit ihren Lieblingsmenschen verbringen, Fahrrad fahren, laufen und danach im Werdersee schwimmen, Yoga, reisen, tanzen oder schlicht schlafen. Was ihr bei allem, was sie tut, besonders wichtig ist: „Ich möchte weltoffen sein und einen mini-kleinen Beitrag dazu leisten, dass das hier ein guter Ort ist, an dem wir leben.“
Pressekontakt: Tanja Brinkmann, Tel.: +421 96036973, E-Mail: mail@tanja-m-brinkmann.de
Bildmaterial: Das Bildmaterial ist bei themengebundener Berichterstattung und unter Nennung des jeweils angegebenen Bildnachweises frei zum Abdruck.
Foto 1: Tanja Brinkmann auf dem Riensberger Friedhof. ©WFB/Björn Hake
Foto 2: Tanja Brinkmann arbeitet als Trauerbegleiterin. ©WFB/Björn Hake
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