Wie in Bremen Wasserstofftanks für Busse und Lkw entstehen
AutomotiveEDAG Group entwickelt und fertigt Wasserstoff-Tanksysteme
Immer mehr Busse und Lkw fahren mit Wasserstoff. Die EDAG Group, Entwicklungsdienstleister der Mobilitätsindustrie und Technologieentwickler für industrielle Lösungen, entwickelt und fertigt in Bremen Tanksysteme für Nutzfahrzeuge und will mit der Branche wachsen.
Wie überdimensionale Tauchflaschen wirken die grauschwarzen Wasserstofftanks in den Fertigungshallen der EDAG Group in Bremen. Bei einem genaueren Blick fällt auf: Statt aus Metall bestehen die rund drei Meter langen Zylinder aus kompliziert gewickelten Lagen Kohlefasern. Das macht sie leicht und widerstandsfähig zugleich. Denn sie müssen hohe Belastungen standhalten, mit bis zu 700 bar strömt das komprimierte Gas in die Speicherbehälter.
Und spätestens wenn die Zylinder in das gesamte Tanksystem integriert werden, verfliegt jede Ähnlichkeit zum Tauchequipment und es wird klar: Hier entstehen hochkomplexe Bausteine für den klimaneutralen Verkehr von morgen.
Nutzfahrzeuge profitieren vom Wasserstoffantrieb
Rund zehn Kilogramm Wasserstoff fasst ein Zylinder, vier davon werden in einen modernen Wasserstoff-Doppeldeckerbus verbaut – das reicht für rund 480 Kilometer Reichweite. In anderthalb bis zwei Tagen integriert das EDAG-Team aus den zugelieferten Komponenten ein fertiges System in ein Fahrzeug.
„Wir können derzeit rund 250 Systeme im Jahr produzieren und hoffen, diese Zahl 2023 erreichen zu können. Der Markt ist gerade wahnsinnig dynamisch, es gibt eine hohe Nachfrage nach Wasserstofffahrzeugen, wir spüren den Bedarf“, erklärt Marius Koch, Standortleiter Bremen der EDAG Engineering GmbH.
Per Zufall in Bremen gelandet, aus Überzeugung geblieben
Die EDAG Group beschäftigt rund 8.000 Angestellte in 19 Ländern und hat sich vor allem auf Engineering-Dienstleistungen im Bereich Fahrzeugentwicklung und Fabrikautomatisierung spezialisiert. Nach Bremen gelangte das Unternehmen über ein Kundenprojekt: 2018 suchte der Mercedes-Konzern einen Dienstleister, der das erste eigene Wasserstofffahrzeug GLC F-Cell in einer Kleinserie am Bremer Werk baute.
„Seitdem sitzen wir hier in der Hansestadt und bauen unser Wasserstoffportfolio aus. Bremen ist unser Kompetenzzentrum, hier entwickeln und planen wir neue Systeme, montieren sie und integrieren sie in die Fahrzeuge unserer Kundinnen und Kunden“, so Koch weiter. Rund 12 der 25 Angestellten sind dabei direkt in das Thema Wasserstoff involviert.
Eine Zahl, die in den kommenden Monaten und Jahren steigen soll. „Wasserstoff ist eine große Chance für uns. Denn wir können hier quasi mit der Branche mitwachsen und unser Know-how einbringen. Im Wasserstoffbereich befindet sich noch vieles im Entwicklungs- und Aufbaustadium“, führt der Ingenieur weiter aus.
Dabei profitiert die EDAG Group neben der Infrastruktur des Automotive-Standorts Bremen auch von einem regionalen LKW-Hersteller, der in der Hansestadt mit Wasserstoffantrieb produziert. „Wir arbeiten eng zusammen und sind gerne von Anfang an bei neuen Projekten dabei“, so Maschinenbauer Koch, der seit 2017 in der Hansestadt lebt. Zudem steht das Unternehmen im engen Austausch mit dem Bremer ECOMAT, einem interdisziplinären Forschungszentrum im Bereich klimaneutraler Technologien.
Eigene Wasserstoff-Forschung in Bremen
Neben der Fertigung ist der Standort auch in die Entwicklungsarbeit involviert. Derzeit forscht die EDAG Group an einem System, das das Erst-Befüllen der Wasserstofftanks deutlich beschleunigen soll. Denn noch dauert es rund acht Stunden, bis ein neuer, leerer Tank einsatzbereit ist. „Das gesamte Tanksystem darf nur reinen Wasserstoff enthalten. Rückstände von anderen Gasen können die empfindlichen Brennstoffzellen beschädigen. Das Leeren und Befüllen der Tanks kostet jedoch viel Zeit aufgrund physikalischer Effekte wie Eisbildung“, erläutert Koch. Mit einem neuen Verfahren soll sich das ändern – die EDAG Group kann so letztendlich bedeutend schneller die Fahrzeuge ausliefern.
Auf dem Werksgelände hat das Unternehmen eine eigene Wasserstofftankstelle errichtet, die bis zu 1.000 bar Betriebsdruck bereitstellen kann und das Gas für die Erstbefüllung liefert. Zudem verfügt EDAG hier über eine spezielle, großräumige Messkammer, die mit Sensoren ausgestattet ist und selbst winzige Gasmengen registrieren kann. „Wir können so überprüfen, ob unsere Tanksysteme auch wirklich dicht sind – auch nach der Integration in das Fahrzeug, die Kammer kann problemlos Busse und Lkw aufnehmen“, erklärt Koch.
Wasserstoff für Nutzfahrzeuge sinnvoll
Derzeit befindet sich der Wasserstoffantrieb im Verkehrssektor noch in den Kinderschuhen. Viele Unternehmen und kommunale Versorger testen in Kleinserien und Prototypen den praktischen Betrieb – etwa in Bremen die Bremer Stadtreinigung mit Müllfahrzeugen. Koch glaubt, dass sie einen Weg für die Technik bereiten. „Wasserstoff zielt auf eine andere Marktnische ab als Batteriefahrzeuge. Gerade im Bereich der Nutzfahrzeuge und Busse bietet Wasserstoff Vorteile, denn das Gesamtsystem ist leichter und ermöglicht so eine höhere Nutzlast. Gleichzeitig geht das Betanken deutlich schneller als das Aufladen“, führt er aus. Einzig die Verfügbarkeit von Tankstellen sei noch ein Problem.
Aber nicht in Bremen – mit der Wasserstofftankstelle in Bremen-Osterholz gibt es bereits eine erste Infrastruktur, weitere sind im Aufbau. Und noch etwas macht die Hansestadt attraktiv für die EDAG Group: Die Fachkräfte. „Die Rekrutierung hier ist leichter als an anderen Standorten. Durch die Nähe zur Universität Bremen und zur Hochschule Bremen haben wir eine hohe Zahl an Bewerbungseingängen”, erklärt Koch. Beste Aussichten für weiteres Wachstum – made in Bremen.
Wasserstofffahrzeuge in Deutschland
Die Zahl der Fahrzeuge mit Wasserstoff-Antrieb in Deutschland ist klein, nimmt aber stetig zu. Das Kraftfahrzeugbundesamt weist im Zeitraum von Januar bis November 2022 etwa 813 neuzugelassene Fahrzeuge mit Wasserstoff-Antrieb aus. Davon neun Busse und 27 Lastkraftwagen, ungefähr eine Verdopplung gegenüber dem Vorjahr.
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