1.9.2025 - Wolfgang Heumer

Wie autonome Fahrzeuge sicher durch Bremen und Deutschland rollen

Digitalisierung / Industrie 4.0

Bremer Industriemathematik nutzt Weltraumtechnik für Safety Control Center

Auf den Straßen sollen autonom fahrende Autos bald selbstverständlich sein. Ohne Menschen wird es aber nicht gehen: In einem von der gemeinnützigen TOPAS Industriemathematik GmbH koordinieren Forschungsprojekt ist der Prototyp eines Safety Control Centers entstanden, aus dem jederzeit in das autonome Geschehen eingegriffen werden kann.

Der Arbeitsplatz sieht beeindruckend aus. Eine Wand aus sechs großen Monitoren und eine weitere Reihe von sechs kleineren Bildschirmen davor vermitteln ein detailreiches Bild von dem, was sich nur wenige Hundert Meter entfernt auf den Straßen im Bereich der Universität Bremen tut. Die Live-Bilder vom Verkehrsgeschehen stammen von Kameras in einem Auto, das dort weitestgehend autonom unterwegs ist. Zahlreiche in dem Minibus installierten Sensoren liefern zudem Informationen über das Fahrzeug auf die Monitore wie zum Beispiel Fahrtrichtung und Geschwindigkeit, behalten aber auch die nahe und fernere Umgebung im Blick.

Menschen stehen vor vielen Bildschirmen
In einer Leitzentrale kommen alle Informationsflüsse zusammen. © Digital Hub Industry

Solche Systeme sind in allen Versuchsfahrzeugen installiert, mit denen derzeit in deutschen Städten die Zukunft des autonomen Fahrens vorbereitet wird. Dass die Informationen auf den zwölf, im Digital Hub Industry Bremen aufgebauten Bildschirmen sichtbar sind, ist jedoch außergewöhnlich. Dort wird damit der Einsatz eines „Safety Control Centers“ erprobt, aus dem jederzeit in den autonomen Fahrbetrieb eingegriffen werden kann. „Es wird immer notwendig sein, dass Menschen autonome Fahrzeuge kontrollieren und gegebenenfalls die Steuerung übernehmen“, sagt Dr. Mitja Echim, Geschäftsführer der TOPAS Industriemathematik gGmbH. Das aus der Universität Bremen ausgegründete gemeinnützige Unternehmen koordiniert das Forschungsprojekt, das zu dem Prototypen des Control Center geführt hat.

Menschen beugen sich über Computer
Eine mobile Station erlaubt auch den Zugriff von unterwegs - zum Beispiel für Tests eine wichtige Funktion © TOPAS

Drei weitestgehend selbstständig agierende Fahrzeuge rollen durchs Stadtgebiet

Bereits seit 2016 beschäftigten sich Wissenschaftler:innen der Universität Bremen in praktischen Versuchen mit dem Einsatz autonomer Autos. Mittlerweile verfügen sie über eine Flotte von drei weitestgehend selbstständig agierenden Fahrzeugen, die durchs Stadtgebiet rollen. Noch sitzt in jedem der Wagen eine Begleitperson, die jederzeit in das Geschehen eingreifen kann. In künftigen Szenarien ist das nicht mehr vorgesehen. Dennoch sollen die rollenden Roboterfahrzeuge nicht unkontrolliert fahren dürfen, denn auch die komplexeste Technik und Steuerung kann nicht alles leisten: „Es gibt zu viele Situation und Abläufe, die man nicht vorausdenken und denen man deshalb auch technisch nicht vorbeugen kann“, erläutert Dr. Echim. Aber es muss nicht unbedingt eine brenzlige Situation sein, die den Eingriff eines Menschen erfordert: „Es kann sich zum Beispiel auch um Störungen am Fahrzeug handeln.“

Das jetzt vorgestellte Safety Control Center zeigt als Prototyp auf, was technisch machbar ist und wie ein solches System konfiguriert sein kann. „Wir sind keine industriellen Entwickler, sondern legen die Grundlage auf der die Industrie ihre eigenen Entwicklungen aufbauen kann“, erläutert Dr. Echim.

Mit diesem Ziel des Technologie- und Know-how-Transfers hatten die beiden Mathematiker Dr. Echim und Prof. Christof Büskens TOPAS aus dem Zentrum für Industriemathematik der Universität Bremen heraus gegründet.

Die beiden betrachten ihre Arbeit als Ergänzung der Arbeit von Ingenieurinnen und Ingenieuren: „Wir greifen nicht in die technische Entwicklung selbst sein, sondern setzen an dem Punkt, an dem detaillierte Berechnungen und der Einsatz von Algorithmen erforderlich sind.“ TOPAS pflegt aber nicht nur den Transfer zwischen Mathematik und Technik, sondern auch übergreifend von und zu anderen wissenschaftlichen Disziplinen. „Für das Safety Control Center nutzen wir Algorithmen, die in der Raumfahrt für autonom operierende Vehikel beispielsweise in der Exploration verwendet werden.“

Mensch erklärt vor Publikum
Dr. MItja Echim erklärt die Funktionsweise des Safety Control Centers. © Digital Hub Industry

Daten müssen in Millisekunden gesendet und verarbeitet werden

Über die Software-Entwicklung hinaus steckt die Herausforderung bei der Kontrolle und Steuerung von autonomen Autos in Themen wie zum Beispiel die Daten-Übertragungsgeschwindigkeit. „Die für die Steuerung erforderlichen Informationen müssen nahezu in Echtzeit erfasst, verarbeitet, weitergeleitet und umgesetzt werden“, erläutert Dr. Echim. Dieser Prozess darf höchstens zwischen 20 und 100 Millisekunden dauern. Um diesen Aspekt kümmerten sich in dem Projekt die Industriepartner Verified Systems International GmbH aus Bremen und CGI Deutschland B.V. & Co KG aus Bochum.

Neben der Echtzeit-Kommunikation mit großen Datenmengen trugen sie auch zur Cybersecurity und zu automatisierten Testmethoden zur Verifizierung der eingesetzten Algorithmen bei. Die Universität Bremen bringt mit den Arbeitsgruppen „Optimierung und Optimale Steuerung“ sowie „Kognitive Neuroinformatik“ ihre Expertise im Bereich autonomer Fahrfunktionen ein. Bereits in anderen Forschungsprojekten erfolgreich erprobte Technologien wurden speziell für die Anforderungen im Zusammenspiel mit dem Safety Control Center weiterentwickelt.

Einen wesentlichen Beitrag zum Projekt lieferte auch das Bremer Amt für Straßen und Verkehr. Die städtischen Verkehrsfachleute ließen fünf Ampeln im Bereich der Autonomie-Teststrecke so umrüsten, dass sie direkt mit den Versuchsfahrzeugen kommunizieren: „Die Autos bekommen also nicht nur über die eingebauten Sensoren, sondern auch durch direkte Kommunikation mit den Ampeln Informationen über die aktuelle Ampelphase“, erläutert Dr. Echim.

Das Safety Control Center soll in den kommenden Monaten in die Testfahrten der drei autonomen Versuchsfahrzeuge der Uni Bremen und TOPAS eingebunden werden. Bewusst haben sich die Planer des Projektes dafür einen eher dörflich geprägten Bereich am Bremer Stadtrand ausgesucht: „Autonom fahrende Kleinbusse werden insbesondere im ländlichen Bereich als individuelle Zubringer zum regulären öffentlichen Personennahverkehr eine große Bedeutung bekommen“, ist Dr. Echim überzeugt.

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