Ausbildung 2030: Was sich junge Menschen wünschen – und wie Unternehmen in der Logistik und in der IT reagieren können
Maritime Wirtschaft und LogistikGastbeitrag von Dr. Sven Hermann, Professor für Logistik & Supply Chain Management
„Chancen auf Eigenständigkeit, bessere Lernumgebungen, mehr Raum für Kreativität, flexible Wege zum Wissen und echte Mitgestaltung“ – so beschreiben Auszubildende und dual Studierende aus Logistik und IT ihre Vorstellung von Ausbildung im Jahr 2030.
„Ich möchte selbst ausprobieren, mich einbringen, Verantwortung übernehmen, auf Augenhöhe unterstützt werden – und wissen, wofür ich etwas tue“
Wünsche und Vorstellungen, die bei der Zukunftswerkstatt „IT meets Logistik“, einem Workshop von bremen digitalmedia, den LogistikLotsen für die Metropolregion Nordwest, dem Projekt BBNELobby und gefördert von der Schütting-Stiftung im Herbst 2025 entstanden sind.
Und die deutlich machten, das junge Menschen viel von ihrer Ausbildung erwarten: Sie wollen Verantwortung übernehmen, auf kommende Führungsaufgaben vorbereitet werden, Gestaltungsspielraum haben und erleben, dass ihre Arbeit Sinn stiftet. Themen wie Nachhaltigkeit, Wertschätzung und der verantwortungsvolle Umgang mit Künstlicher Intelligenz sind ihnen ebenso wichtig wie flexible Lernwege und moderne Arbeitsumgebungen.
„Ich möchte selbst ausprobieren, mich einbringen, Verantwortung übernehmen, auf Augenhöhe unterstützt werden – und wissen, wofür ich etwas tue“, sagt eine Teilnehmerin der Zukunftswerkstatt.
Was wünschen sich junge Menschen von ihrer Ausbildung?
Aus den Beiträgen der Auszubildenden und dual Studierenden lassen sich sechs zentrale Erwartungen an die Ausbildung der Zukunft erkennen:
- Mitgestaltung und Eigenverantwortung: Lernende wollen aktiv mitentscheiden, an Projekten mitarbeiten, über Demokratie und Politik sprechen und eigene Ideen umsetzen.
- Lernen mit Sinn: Sie suchen Aufgaben, deren gesellschaftlicher Nutzen sichtbar ist – etwa Beiträge zu Nachhaltigkeit oder Versorgungssicherheit.
- Zukunftskompetenzen: Neben kritischem Denken sollten gerade Offenheit & Lernbereitschaft, Bewusstsein für Komplexität und Kommunikationsfähigkeiten noch mehr Bestandteil der Ausbildung sein.
- Wertschätzung und Flexibilität: Eine respektvolle Lernkultur, flexible Arbeitszeiten und eine Balance zwischen Beruf und Privatleben sind wichtig.
- Lebenslanges Lernen auf beiden Seiten: mehr Weiterbildungen für Ausbilder:innen und bessere Qualitätsstandards für Online-Lehre sind notwendig.
- Perspektiven zum Ausziehen und Erwachsenwerden: Die Auszubildenden und dual Studierenden wünschen sich mehr bezahlbaren Wohnraum und die Chance ins Ausland zu gehen.
Diese Wünsche zeigen deutlich: Ausbildung wird heute nicht mehr nur als beruflicher Einstieg verstanden, sondern als gemeinsamer Entwicklungsraum zwischen Auszubildenden und Unternehmen, in denen gerade die Stärkung von Zukunftskompetenzen noch mehr im Fokus stehen sollte.
impressionen aus dem Workshop
Ihre Erlebnisse des Workshops schilden zwei Auszubildenden von der dbh Logistics IT AG hier zum Nachlesen.
Und wie sehen die Unternehmen diese Erwartungen?
Bereits einige Unternehmen verstehen Ausbildung besonders als Kooperation zwischen Generationen – nicht als festes Modell, sondern als lernende Struktur, die sich mit den Menschen weiterentwickelt, die sie gestalten. Zwei Beispiele dafür: Die Bremer BLG Logistics Group und das Logistikunternehmen Hansa Meyer Logistics, deren Auszubildende und dual Studierende auch an der Zukunftswerkstatt teilgenommen haben.
Ulrike Riedel, Mitglied des Vorstands und Chief Human Resources Officer bei BLG Logistics, sieht in den Antworten der jungen Generation eine große Chance: „Ein wichtiger Motivationsfaktor ist die Sinnhaftigkeit einer Tätigkeit. Die Logistik als wesentliches Zahnrad für die Funktionsfähigkeit der Wirtschaft und der Versorgung der Gesellschaft bietet vielfältige Tätigkeiten, bei denen ein wichtiger Beitrag für Wirtschaft und Gesellschaft erbracht werden kann. Zukünftig sollte die Mitgestaltung der Auszubildenden in der Ausbildung verstärkt werden, um darüber Verantwortungsbewusstsein und Selbstbestimmung aber auch Kompromissfähigkeit praktisch zu lernen und zu erfahren.“
Auch Henrique Wohltmann, Geschäftsführender Gesellschafter vom Bremer Logistiker Hansa Meyer Global, betont die Bedeutung Ausbildung auf Augenhöhe und mit Weitblick voranzubringen: „Junge Talente motivieren wir durch moderne Arbeitsumgebungen, eigenständige Mitarbeit an Projekten und die Möglichkeit, Verantwortung früh zu übernehmen. Entscheidend ist zudem, ihnen eine klare Perspektive zu geben, dies z.B. mit gezielter Weiterbildung, digitaler Kompetenzförderung und der Aussicht, langfristig etwas zu bewegen.“
Wie können Unternehmen Ausbildung konkret verändern?
Damit Ausbildung in Logistik und IT zukunftsfähig bleibt, müssen Unternehmen teils neue Wege gehen. Mitgestaltung fördern: Auszubildende und dual Studierende früh in reale Projekte einbinden, eigene Lernziele mit ihnen definieren.
- Digitale und soziale Kompetenzen kombinieren: IT-Wissen, Datenverständnis und Automatisierung gehören ebenso dazu wie Kommunikation, Teamarbeit und Medienkompetenz.
- Praxis und Theorie verzahnen: Das duale System bleibt Grundlage, gilt aber um mehr agile Lernformate und interdisziplinäre Projekte zu erweitern.
- Frühe Ansprache junger Menschen: Kooperationen mit Schulen, Social-Media-Einblicke und Berufsorientierungstage schaffen Kontakt zu potenziellen Nachwuchskräften.
- Kulturwandel ermöglichen: Wertschätzung, Transparenz und Flexibilität müssen gelebter Bestandteil der Unternehmenskultur werden.
Wie Unternehmen diesen Weg einschlagen könnten und auf welche Kompetenzen es zunehmend ankommt, zeigen Unternehmen wie BLG und Hansa Meyer in ihren aktuellen Bestrebungen.
„Aus meiner Sicht sollten in der Ausbildung vor allem digitale Kompetenzen, analytisches Denken, Teamfähigkeit, Kommunikationsstärke und die Fähigkeit, sich flexibel auf neue Prozesse einzustellen im Mittelpunkt stehen.“, so Henrique Wohltmann.
Dabei sieht Ulrike Riedel weiter Handlungsbedarf in Sachen Kommunikation über die möglichen Entwicklungs- und Ausbildungswege. „Wir stellen immer wieder fest, dass bei vielen Kandidat:innen gar nicht bekannt ist, was die BLG alles macht und welche Wege man gehen kann. Unser wichtigstes Anliegen ist es dementsprechend immer wieder und insbesondere auf Social-Media-Kanälen Beispiele zu geben, was die BLG ihren Mitarbeitenden bietet.“
„Um den Nachwuchs frühzeitig für die vielfältigen Möglichkeiten in der Logistik zu begeistern, haben wir uns bei Hansa Meyer Global dazu entschlossen, den direkten Weg in die Schulen und Hochschulen zu gehen. Im Rahmen von Berufsorientierungstagen und durch die Mitwirkung in Unterrichtsstunden und Vorlesungen suchen wir aktiv den Austausch mit Schüler:innen und Studierenden“, ergänzt dazu Wohltmann.
Die Zukunft der Ausbildung entsteht besser im Dialog. Wenn Auszubildende, dual Studierende, Ausbilderinnen und Unternehmen ihre Perspektiven verbinden, wird Ausbildung zu mehr als dem Start in den Beruf – sie wird zum Motor für Innovation und Sinnstiftung. Ausbildung ist eben kein festes Modell, sondern ein Prozess, der sich mit den Menschen weiterentwickeln muss, die ihn gestalten.
Die Stimmen der jungen Generation zeigen, wohin die Reise geht: Lernen mit Sinn, Teilhabe, Verantwortung und Perspektive. Für Unternehmen bedeutet das, Ausbildung noch mehr als strategische und gemeinsame Zukunftsaufgabe zu begreifen – als Ort, an dem Fach- und Führungskräfte wachsen und Zukunft beginnt und erstrebenswert vorstellbar wird.
Vorgestellt und diskutiert werden die Ergebnisse der Zukunftswerkstatt „IT meets Logistik“ am 12. November im BAB LAB in der Bremer Innenstadt. Fragen und Anmeldung per Mail an info@logistiklotsen.de
Über den Autor: Dr. Sven Hermann ist Professor für Logistik & Supply Chain Management an der NBS Northern Business School, Vorstandsvorsitzender der LogistikLotsten für die Metropolregion Nordwest und Geschäftsführer des Beratungsunternehmens ProLog Innovation.
Erfolgsgeschichten
Wandern auf den maritimen Spuren Bremerhavens
Wandern durch Bremerhaven? Klingt zunächst ungewöhnlich. Doch die Seestadt besitzt ganz offiziell einen Wanderweg. Der ist bis zu 15 Kilometer lang, lässt sich in drei Etappen laufen und führt vorbei an sehenswerten, geschichtsträchtigen sowie überraschenden Ecken. Hinter der Idee steckt der passionierte Wanderer Frank Reininghaus.
zur BIS-BremerhavenWas es wirklich bedeutet, ein Familienbetrieb zu sein
In 75 Jahren hat sich der kleine Maurer-Betrieb William Koch zum modernen Sanierungsspezialisten entwickelt. Geschäftsführer Axel Uhrlaub begegnet dem Fachkräftemangel, in dem er Geflüchteten, jungen Menschen mit Startschwierigkeiten oder mit Migrationshintergrund eine Chance gibt. Und eine echte Gemeinschaft schafft.
Mehr erfahrenVom Pferdefuhrwerk bis zur KI – 220 Jahre Logistik-Urgestein F. W. Neukirch
Seit 220 Jahren navigiert F. W. Neukirch durch wechselvolle Zeiten – von Pferdefuhrwerken im 19. Jahrhundert bis zu globalen Lieferketten in der heutigen Zeit. Wie geht die heutige Generation mit dem Erbe um? Geschäftsführer Martin Schlömp setzt auf Wachstum und Fortschritt aber auch auf lange Firmentradition.
Mehr erfahren