Homeoffice vs. Büro: Wie sieht der Arbeitsort der Zukunft aus?
FachkräfteWirtschaftspsychologin Sarah Hölscher über hybride Arbeitsmodelle, neue Anforderungen und die Bedeutung von Präsenzarbeit
Die Frage nach dem idealen Arbeitsort ist aktueller denn je: Homeoffice oder Büro? Wirtschaftspsychologin Sarah Hölscher, Consultant beim Bremer Roth Institut, referierte dazu im Juni 2024 beim Stammtisch für Personalverantwortliche. Dieser wird in regelmäßigen Abständen von der WFB Wirtschaftsförderung Bremen GmbH gemeinsam mit der Senatorin für Wirtschaft, Häfen und Transformation organisiert. Im Interview erklärt Hölscher, wie Unternehmen hybride Arbeitsmodelle erfolgreich umsetzen können und wie sie die Bedürfnisse des Betriebs, der Kundinnen und Kunden sowie der Mitarbeitenden in Einklang bringen.
Frau Hölscher, einige große Unternehmen wie Amazon wollen ihre Mitarbeitenden wieder Vollzeit im Office haben. Arbeitnehmende hingegen sind immer mehr auf der Suche nach hybriden Arbeitsplätzen. Wie erklären Sie sich diese Diskrepanz?
Sarah Hölscher: Das ist oft eine Frage der Kontrolle. Viele Führungskräfte fühlen sich sicherer, wenn sie ihre Mitarbeitenden vor Ort haben. Dabei zeigt sich, dass produktive Mitarbeitende auch im Homeoffice zuverlässig arbeiten – wer sich drücken will, tut das auch im Büro. Ich bin gespannt, wie sich dieser Trend entwickelt, denn Unternehmen, die zu strikt auf Präsenz setzen, könnten zukünftig eine erhöhte Fluktuation erleben.
Sie beschäftigen sich im Rahmen Ihrer Tätigkeit mit der Transformation der Arbeitswelt. Wie haben sich aus Ihrer Sicht die Anforderungen an den Arbeitsort in den letzten Jahren entwickelt und welche Rolle spielte die Corona-Pandemie dabei?
Die Pandemie hat einen enormen Einfluss auf die Arbeitswelt gehabt. Vor der Pandemie war Homeoffice in vielen Unternehmen nur eine Ausnahme und Präsenzarbeit dominierte. Doch mit dem plötzlichen Umstieg ins Homeoffice mussten viele Unternehmen improvisieren. Es fehlte oft an der Infrastruktur und es wurde teilweise mit privaten Geräten gearbeitet. Die Pandemie hat gezeigt, dass virtuelle Arbeit möglich ist – aber nicht immer ideal. Ab 2022 gab es dann eine Art Gegentrend: Man sah, dass rein virtuelles Arbeiten zwar funktioniert, aber nicht immer notwendig ist.
Welche Vor- und Nachteile bieten Homeoffice und Büroarbeit jeweils?
Ein großer Vorteil des Homeoffice ist die Zeitersparnis durch den Wegfall der Pendelzeiten. Und gerade für Menschen mit Care-Verpflichtungen oder Kindern bietet das Arbeiten von zuhause eine immense Erleichterung. Allerdings besteht auch die Gefahr, dass Arbeit und Privatleben miteinander verschwimmen, was zu einer erhöhten Arbeitsbelastung führen kann. Ein weiteres Problem ist die Vereinsamung, vor allem bei Menschen mit einer hohen Bindungsneigung.
Die Arbeit im Büro bietet hingegen klare Vorteile, wenn es um soziale Interaktion und Kreativität geht. Spontane Absprachen und kreative Prozesse gelingen in Präsenz oft besser. Auch der persönliche Austausch mit Kolleginnen und Kollegen fördert die Bindung zum Unternehmen. Allerdings gibt es auch Menschen, die im Büro Schwierigkeiten haben, sich zu konzentrieren – etwa, weil sie zu Hause mehr Ruhe finden.
Wie kann man diese beiden Arbeitsformen optimal kombinieren?
Der Schlüssel liegt darin, die Bedürfnisse aller Beteiligten zu berücksichtigen: die der Organisation, der Kundinnen und Kunden und der Mitarbeitenden. Unternehmen sollten überlegen, welche Tätigkeiten besser im Homeoffice und welche im Büro erledigt werden können. Kreative Teammeetings oder Kick-offs sollten beispielsweise in Präsenz stattfinden, da hier die Bindung und der Austausch intensiver sind. Aufgaben, die Ruhe und Konzentration erfordern – wie das Verfassen von Berichten oder das Vorbereiten von Präsentationen – können gut von zu Hause erledigt werden. Bei der Frage, ob man lieber im Büro oder von zuhause arbeitet, spielt jedoch auch der eigene Persönlichkeitstyp eine ausschlaggebende Rolle.
Können Sie dies noch weiter erläutern?
Gerhard Roth, der Gründer des Roth Instituts, hat ein Modell entwickelt, das auf neurowissenschaftlichen Erkenntnissen basiert. Es unterscheidet vier Persönlichkeitstypen: den dynamisch-innovativen Typ (hohes Streben nach Belohnung und hohe Bindungsneigung), den dynamisch-ehrgeizigen Typ (hohes Belohnungsstreben und geringe Bindungsneigung), den stabil-empathischen Typ (niedrige Risikofreundlichkeit und hohe Bindungsneigung) und den stabil-gewissenhaften Typ (niedrige Risikofreundlichkeit und niedrige Bindungsneigung).
Menschen mit einer hohen Bindungsneigung – wie der stabil-empathische Typ – bevorzugen oft die Arbeit im Büro, da sie den sozialen Austausch und die direkte Zusammenarbeit brauchen. Personen mit einer geringeren Bindungsneigung, wie der dynamisch-ehrgeizige Typ, kommen hingegen gut damit zurecht, mehrere Tage im Homeoffice zu verbringen. Unternehmen sollten daher auf die unterschiedlichen Bedürfnisse ihrer Mitarbeitenden eingehen und hybride Modelle flexibel gestalten. Auch die Raumgestaltung im Unternehmen ist dabei wichtig: Manche Menschen fühlen sich in einem Großraumbüro wohl, während andere in einem Einzelbüro besser arbeiten.
Wie kann ein Unternehmen herausfinden, welche Arbeitsweise für seine Mitarbeitenden am besten ist?
Der beste Weg ist der direkte Austausch mit den Mitarbeitenden. Persönliche Gespräche sind hier entscheidend, um herauszufinden, wer lieber im Team arbeitet und wer mehr Ruhe braucht. Selbsttests sind oft ungenau – Gerhard Roth war der Meinung, dass diese Methode nicht optimal sei, da man sich oft falsch einschätzt oder sich falsch einschätzen möchte. Viel hilfreicher sind tiefgehende Gespräche und regelmäßige Feedbackrunden, um die individuellen Bedürfnisse zu verstehen.
Viele Unternehmen haben nicht die räumliche Flexibilität, um verschiedene Arbeitsumgebungen zu bieten. Wie lässt sich das lösen?
Auch mit begrenzten räumlichen Möglichkeiten kann man Flexibilität schaffen. In klassischen Büros könnte man beispielsweise einen speziellen Raum für den Austausch oder ein Großraumbüro mit Schallschutzwänden gestalten, um die Lärmbelastung zu minimieren. Wichtig ist, die Mitarbeitenden in diese Prozesse einzubinden und gemeinsam Lösungen zu finden. Regelmäßige Retrospektiven helfen, das Arbeitsmodell laufend zu verbessern.
Was müssen Personalerinnen und Personaler beachten, um den Wandel hin zu hybriden Arbeitsmodellen erfolgreich zu begleiten?
Einerseits ist dieses Verständnis wichtig, zu wissen, wie Menschen ticken, welche Anforderungen sie haben und welche Trends es in der Arbeitswelt gibt. Andererseits sollten sie den Mut haben, neue Modelle auszuprobieren, ohne direkt auf Perfektion zu bestehen. Flexibilität ist der Schlüssel – was heute gut funktioniert, kann morgen angepasst werden. Wichtig ist der stetige Austausch mit den Mitarbeitenden. Externe Beratung kann dabei auch unterstützen. Man darf keine Angst vor Veränderungen haben, denn das Büro wird bleiben, aber es muss sich anpassen.y
Welche Funktionen wird das Büro der Zukunft haben?
Das Büro der Zukunft muss mehr Kooperationsmöglichkeiten bieten und ein Raum für gezielten Austausch werden. Kreative Prozesse, Teamarbeit und soziale Interaktionen werden hier im Fokus stehen. Verschiedene Räume – vom Co-Working-Space bis zum Silent Room – werden den unterschiedlichen Bedürfnissen gerecht.
Wie sieht für Sie persönlich der ideale Arbeitsplatz der Zukunft aus?
Ich stelle mir eine Arbeitsumgebung vor, die flexibel ist und verschiedene Räume für unterschiedliche Bedürfnisse bietet – Co-Working-Bereiche, stille Arbeitsräume und sogar einen Ruheraum für kurze Erholungspausen. Und vielleicht auch einen Bürohund! (lacht)
Beim Stammtisch für Personalverantwortliche der WFB im Juni 2024 haben Sie über das Thema „hybride Arbeit“ referiert. Wie haben Sie den Austausch dort erlebt?
Der Stammtisch war für mich eine sehr wertvolle Erfahrung. Die Teilnehmenden waren sehr engagiert, es gab viele interessante Fragen, und wir haben offen über die Herausforderungen und Chancen hybrider Arbeitsmodelle diskutiert. Der Austausch auf dieser Plattform zeigt, dass Personalverantwortliche stark an neuen Ansätzen interessiert sind und bereit sind, innovative Lösungen auszuprobieren. Solche Veranstaltungen sind eine tolle Möglichkeit, voneinander zu lernen und Best-Practices zu teilen.
Stammtisch für Personalverantwortliche
Zum Stammtisch für Personalverantwortliche laden die Senatorin für Wirtschaft, Häfen und Transformation und die WFB Wirtschaftsförderung Bremen GmbH alle zwei bis drei Monate ein. Der Stammtisch ist eine Plattform, um sich über aktuelle Themen und Herausforderungen zu allen Aspekten des Personalwesens auszutauschen und Politik und Verwaltung wichtige Impulse mitzugeben, wie ansässige Firmen bei ihrer Personalakquise, -bindung und -entwicklung unterstützt werden können. Die Teilnahme ist kostenlos. Weitere Infos zum Veranstaltungsformat finden sich hier: https://www.fachkraefte-fuer-bremen.de/stammtisch-fuer-personalverantwortliche/
Erfolgsgeschichten
Dr. Florence Schubotz forscht als Senior Scientist beim MARUM, Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, im Bereich Geowissenschaften. Derzeit beschäftigt sie sich mit der Erforschung von Leben in extremen Lebensräumen. Was ihr liebstes Arbeitsinstrument ist und mit welcher Persönlichkeit sie einen Tag lang ihr Leben tauschen würde, verrät sie bei „Wissenschaft persönlich".
Zu Wissenschaft PersönlichSeit August 2024 ist Prof. Dr. David May neuer Institutsleiter am Faserinstitut. Der Badener hat sich viel vorgenommen, unter anderem am Technologiezentrum ECOMAT. In der Hansestadt fühlt sich der 37-Jährige wohl – das beweisen zwei Dinge.
zum ECOMATProf. Dr.-Ing. Benjamin Wagner vom Berg ist Professor für IuK-Technologien in der außerbetrieblichen Logistik und Leiter des Smart Mobility Institutes an der Hochschule Bremerhaven. Sein aktuelles Forschungsprojekt beschäftigt sich mit Green Delivery Analytics. Was Dr.-Ing. Wagner vom Berg besonders an seiner Arbeit begeistert, verät er bei „Wissenschaft persönlich".
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