Corporate Influencer:innen: Warum Unternehmen auf Mitarbeitende als Markenbotschafter:innen setzen sollten
FachkräfteEin Interview mit LinkedIn-Expertin Tabea Herrera zum Corporate Influencing
Wie können Unternehmen das Potenzial von Corporate Influencer:innen nutzen? Wie werden Mitarbeitende zu Markentbotschafter:innen und welche Rolle spielen sie bei der Mitarbeitendenfindung und -bindung?
Diese Fragen beantwortet die Bremer LinkedIn-Expertin und Beraterin für Corporate-Influencer:innen-Programme Tabea Herrera. In unserem Interview verrät sie, worauf Unternehmen bei der Implementierung von Corporate-Influencer:innen-Strategien achten sollten und welche Vorteile Arbeitgeber:innen und Arbeitnehmende daraus ziehen können.
Harrera berichtete zudem im April 2023 beim Stammtisch für Personalverantwortliche, den die Senatorin für Wirtschaft, Häfen und Transformation und die WFB Wirtschaftsförderung Bremen GmbH in regelmäßigen Abständen organisieren, über das Thema.
Was sind Corporate Influencer:innen?
Corporate Influencer:innen oder auch Brand Ambassadors sind Mitarbeitende eines Unternehmens, die als Markenbotschafter:innen auftreten. Sie werden vom Unternehmen beauftragt, Content in ihren eigenen Netzwerken zu erstellen und zu teilen, mit dem Ziel, sowohl sich selbst als Personal Brand – also als eigene Marke – zu positionieren, aber auch auf das Image des Unternehmens einzuzahlen und dadurch ein Unternehmen auf eine diversere Weise als es eine Unternehmenskommunikation könnte, darzustellen.
Frau Herrera, warum sollten Unternehmen einen Teil ihrer Kommunikation auf die eigenen Beschäftigten auslagern?
Herrera: Die Themen, mit denen die Mitarbeitenden rausgehen, werden bestimmt durch ihre beruflichen Schwerpunkte und persönlichen Interessen. So kann sich ein Unternehmen viel breiter gefächert darstellen. Darüber hinaus haben Mitarbeitende ihre eigenen Netzwerke und Kontakte, die dann erleben, wie sich diese Person in ihrem beruflichen Alltag präsentiert und so auch auf das Unternehmen aufmerksam werden.
Welche sozialen Plattformen bieten sich für Corporate Influencer:innen an?
Herrera: In allererster Linie LinkedIn. Im Gegensatz zu XING, das sich eher als Recruiting Plattform eignet, hat sich LinkedIn in den letzten Jahren zu einer Content-Plattform entwickelt und bietet viele interessante Tools und eine gute Reichweite, gerade bei persönlichen Profilen. Zum Vergleich: Unternehmensseiten erhalten bei LinkedIn in der Regel eine organische Reichweite pro Post von 2 bis 6 Prozent der Follower:innen. Bei persönlichen Profilen liegt die organische Reichweite pro Post bei 15 Prozent. Es werden also viel mehr Menschen erreicht, wenn ein Unternehmen auf Corporate-Influencer:innen-Programme setzt.
Vereinzelt kenne ich auch Corporate-Influencer:innen-Programme auf Instagram. Die Plattform bietet, im Gegensatz zu LinkedIn, aber keine Möglichkeit, den aktuellen Arbeitgeber anzugeben und wird generell von Personen eher im privaten Bereich genutzt.
Für welche Art von Unternehmenszielen kommen Corporate Influencer:innen besonders gut in Frage?
Herrera: Ziele müssen individuell festgelegt werden. Ein Unternehmen kann sich zum Beispiel als Ziel setzen, Fachkräfte zu gewinnen. Dann zeigen die Corporate Influencer:innen durch ihren Content, was für Vorteile der Arbeitgeber bietet und wie zufrieden sie selbst dort sind. Ein anderes Unternehmensziel kann sein, eine Brand Awareness zu schaffen, indem das Unternehmen oder die Marke in den sozialen Medien durch thematisch diverse Postings von unterschiedlichen Mitarbeitenden sichtbar wird.
Manche Unternehmen nutzen Corporate-Influencer:innen-Programme aber auch, um die Mitarbeitendenbindung nach innen zu stärken. Wenn die Angestellten verstärkt wahrnehmen, was die Kolleginnen und Kollegen aus anderen Abteilungen machen, welche interessanten Projekte am Laufen sind, dann kann man sich als Mitarbeitende stärker mit dem eigenen Unternehmen identifizieren, kann Symbiosen zu anderen Abteilungen herstellen und natürlich auch die eigenen Erfolge präsentieren, was zu mehr Zufriedenheit im Unternehmen führt und unmittelbar die Fluktuation im Unternehmen reduziert.
Es gibt natürlich auch harte Ziele, die man sich als Unternehmen setzen kann, zum Beispiel die Verkaufszahlen zu steigern. Allerdings ist hier viel Fingerspitzengefühl gefragt, da klassische Sales Pitches und Kaltakquise auf LinkedIn nicht unbedingt gut funktionieren. Es wirkt außerdem schnell unauthentisch, wenn Mitarbeiter:innen zum Beispiel ein Produkt des eigenen Unternehmens allzu offensiv anpreisen, zumal sie in diesem Fall auch eine Werbekennzeichnung vornehmen müssten.
Welche Mitarbeitenden eignen sich für die Rolle der Corporate Influencer:innen?
Herrera: Ich erlebe oft, dass Unternehmen am liebsten mit den Führungskräften starten, weil die sowieso für das Unternehmen oder das Team stärker wahrgenommen werden und sich vielleicht öfter in der Öffentlichkeit wiederfinden. Bei Personen aus dem C-Level-Management ist es je nach Unternehmensgröße manchmal so, dass sie ihre Postings nicht selber schreiben, sondern die Unternehmenskommunikation oder die Assistenz. Es ist wichtig, dass der oder die CEO trotzdem genau weiß, was in seinem oder ihrem Namen rausgegangen ist beziehungsweise vorher selbst noch einmal draufguckt, um die eigene Tonalität reinbringen zu können. Sonst fehlt es an Authentizität.
Aus meiner Sicht ist es allerdings auch ein schöner Ansatz, sich darüber Gedanken zu machen, welche Themen in den Fokus gerückt werden sollen und dann hierarchieübergreifend zu überlegen, welche Teammitglieder Lust hätten, damit mehr an die Öffentlichkeit zu gehen. Wenn ein Unternehmen ein Corporate-Influencer:innen-Programm ins Leben ruft, dann muss es immer die Ziele vor Augen haben, denn es wird Zeit und Ressourcen kosten.
Es ist wichtig darauf zu achten, dass Mitarbeitende mitmachen, die wirklich Spaß an der Sache haben. Angestellte können nicht gezwungen werden, sich auf ihren persönlichen Kanälen für das Unternehmen zu präsentieren. Es müssen Leute sein, die idealerweise selbst schon aktiv sind und Lust haben, sich selbst und das Unternehmen darzustellen. Auch hier muss es vor allem authentisch rüberkommen, um Vertrauen zum Netzwerk aufzubauen.
Sie haben es gerade gesagt – eine Corporate-Influencer:innen-Strategie kostet Zeit und Ressourcen. Mit wie viel Aufwand muss man rechnen?
Herrera: Die Anfangsphase ist am aufwändigsten. Das Team, das das Projekt koordiniert, muss erst einmal Ziele definieren, Social-Media-Guidelines erstellen, einen internen Aufruf für das Programm starten und daraus Personen identifizieren, die sich als Corporate Influencer:innen eignen und zur Verfügung stellen möchten. Wichtig ist auch, andere Abteilungen oder Teams anzusprechen, die ein eigenes Interesse an solchen Programmen haben und die im Hintergrund unterstützen können, zum Beispiel das Marketing und die Personalabteilung. Wenn es einen gibt, sollte auch der Betriebsrat rechtzeitig ins Boot geholt werden. Es lohnt sich, eine abteilungsübergreifende Task Force zu bilden. Dann müssen die Kolleginnen und Kollegen geschult werden – also sowohl diejenigen, die am Ende für das Unternehmen posten werden, als auch die Task Force im Hintergrund. Schulungen können intern durchgeführt werden, aber auch durch externe Berater:innen.
Für die Corporate Influencer:innen selbst liegt der Arbeitsaufwand erfahrungsgemäß bei circa zwei Stunden pro Woche – am Anfang eventuell ein bisschen mehr. Manche Kolleginnen und Kollegen möchten in der ersten Zeit vielleicht auch noch Rücksprache halten, zum Beispiel mit der Unternehmenskommunikation, ob sie den Post so veröffentlichen können. Da ist es wichtig, dass sie diese Unterstützung bekommen.
Aber zwei Stunden pro Woche ist ein guter Richtwert für Postings, Community Management und Netzwerkpflege. Wenn man nicht mindestens eine Stunde pro Woche investieren kann oder möchte, sollte man nicht an einem Corporate-Influencer:innen-Programm teilnehmen.
Für ein Unternehmen bieten sich klare Vorteile: mehr Reichweite, mehr Brand Awareness und Positionierung als Arbeitgeber:in. Aber was haben die Corporate Influencer:innen selbst von einer solchen Strategie?
Herrera: Das Personal Branding und die eigene Sichtbarkeit wachsen. Man wird intern und extern mehr wahrgenommen und kann sich als Expertin oder Experte in einem bestimmten Bereich positionieren. Man wird dann eher auf Veranstaltungen als Referentin oder Referent eingeladen. Man fühlt sich dadurch auch viel mehr wertgeschätzt, vor allem, wenn das Unternehmen hinter einem steht. Das fördert die Zufriedenheit im Unternehmen. Zur Vorbereitung auf den Stammtisch für Personalverantwortliche der WFB und der Wirtschaftssenatorin, bei dem ich als Referentin aufgetreten bin, habe ich Corporate Influencer:innen gesucht, um auf der Veranstaltung über ihre eigenen Erfahrungen zu sprechen. Die habe ich über LinkedIn gefunden. Ich hatte einen Post auf meinem LinkedIn-Kanal über die Veranstaltung veröffentlicht und mein Netzwerk hat darauf reagiert und mir einige Vorschläge von Corporate Influencer:innen hier in Bremen geschickt. Diese Personen haben schon ein gewisses Standing in diesem Bereich. Ihre Teilnahme an solchen Events gibt auch dem Unternehmen mehr Sichtbarkeit.
Manche Unternehmen haben Angst, dass ihre Mitarbeiter:innen durch diese Sichtbarkeit, die sie bekommen, schneller abgeworben werden. Das kann natürlich passieren, aber wenn diese Angestellten zufrieden sind im Unternehmen, sich wertgeschätzt fühlen und sich entfalten können, ist das Risiko weniger hoch, den Arbeitgeber zu wechseln, als wenn sie im Unternehmen unzufrieden sind. Und Mitarbeiter:innen nehmen an einem Corporate-Influencer:innen-Programm in der Regel teil, weil sie hinter ihrem Unternehmen stehen und es gut finden.
Manche Unternehmen haben auch Angst, den Überblick über die Postings ihrer Angestellten zu verlieren. Wie nehmen Sie ihnen diese Sorge?
Herrera: Mitarbeitende, die für das Corporate-Influencer:innen-Programm ausgewählt werden, bekommen eine Schulung bevor sie anfangen zu posten. Das Team, das die Strategie entwickelt, veröffentlicht auch Guidelines, an denen sich die Corporate Influencer:innen orientieren. In diesen Guidelines können zum Beispiel Themen definiert werden, die nicht kommuniziert werden sollen. Die Unternehmenskommunikation kann den Kolleginnen und Kollegen auch Themen zuspielen, die für die Corporate Influencer:innen interessant sein könnten, sie kann ihnen auch zur Seite stehen und sie unterstützen. Die Unternehmenskommunikation darf allerdings keine Richtung vorgeben!
Auch Feedbackrunden sind in diesem Zusammenhang wichtig. Gerade am Anfang werden sicherlich Fehler passieren, zum Beispiel, dass die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter die Firmierung des Unternehmens falsch schreibt. Auf so etwas können die Unternehmenskommunikation oder die Task Force im Feedbackgespräch aufmerksam machen, dann passiert es nicht wieder. Aber ich empfehle, besonders am Anfang, diese Termine weniger für Kritik und mehr für Lob zu nutzen. Ich erlebe es auch oft, dass Unternehmen, die ich beim Corporate-Influencer:innen-Programm unterstütze, mich zwischendurch immer mal wieder fragen, wie sie einen Post am besten schreiben können. Dafür stehe ich als externe Beraterin natürlich auch jederzeit gerne zur Verfügung.
Es ist wirklich wichtig, dass die Mitarbeiter:innen einerseits wissen, dass das Unternehmen ihnen vertraut und hinter ihnen steht, aber andererseits auch, dass sie bei Fragen Unterstützung bekommen.
Was sind die Do´s und Don´ts für Unternehmen, die eine Corporate-Influencer:innen-Strategie planen?
Herrera: Auf jeden Fall zu vermeiden sind Freigabeschleifen. Man kann Leute sehr schnell demotivieren, wenn sie jeden Post erstmal zur Freigabe schicken müssen. Das Unternehmen muss den Mitarbeiter:innen hier erst einmal Vertrauen entgegenbringen.
Was das Unternehmen tun sollte, ist die Angestellten zu schulen, unterstützen und die Vorteile, die so ein Programm den Mitarbeiter:innen selbst bringt, zu definieren und mit Incentives zu arbeiten. Zum Beispiel könnte das Unternehmen Fotoshootings für die Corporate Influencer:innen organisieren, damit sie ihr Profil aktualisieren können oder ihnen ein Premium-Account gewähren. Auf jeden Fall sollten die Mitarbeitenden regelmäßig honoriert werden, zum Beispiel kann der „Post des Monats“ im Intranet oder im internen Newsletter erwähnt werden.
Worüber sich das Unternehmen auf jeden Fall im Vorfeld Gedanken machen soll, sind die Ziele, die es mit einer solchen Strategie erreichen möchte. Das ist auch wichtig, um die Erfolge messen zu können. Wenn das Ziel zum Beispiel ist, die Reichweite zu erhöhen, dann sollte man messen, wie hoch die Reichweite der Unternehmensseite vor der Implementierung der Corporate-Influencer:innen-Strategie war und dann in regelmäßigen Abständen, wie hoch die kumulierte Reichweite ist. Auch hierfür sind Feedbackrunden wichtig, an denen die Corporate Influencer:innen aber auch die Kolleginnen und Kollegen der Task Force teilnehmen.
Welche Themen sind bei der Schulung der Mitarbeitenden zu beachten?
Herrera: Bei den Trainings, die ich anbiete, achte ich erstmal auf die Profiloptimierung – da gehen wir Klick für Klick durch, was man wo im Profil setzen muss. Auch die Content Strategie spielt eine Rolle. Ich bespreche mit den Teilnehmenden, auf welche Themen sie den Fokus setzen möchten, welche Formate auf LinkedIn besser oder schlechter funktionieren oder wie sie einen Beitrag aufbauen können. Gerade am Anfang gebe ich den Leuten einen Redaktionsplan an die Hand, mit dessen Hilfe sie dann schon einmal die ersten Postings vorbereiten können.
Darüber hinaus spielt auch das Thema Personal Branding beim Training eine wichtige Rolle. Dabei sind Fotoshootings durchaus hilfreich, unter anderem für das LinkedIn-Headerbild.
LinkedIn ist eine digitale Networking-Plattform. Wie wichtig sind Ihrer Meinung nach auch „reale“ Networking-Events wie der Stammtisch für Personalverantwortliche, an dem Sie als Referentin teilgenommen haben?
Herrera: Ich glaube, dass es für Personalverantwortliche wirklich wichtig ist, einen Hub zu haben, wo sie sich untereinander austauschen können, wo sie Input zu neuen Trends und Innovationen erhalten, den sie anwenden können. Ich bin insgesamt eine große Netzwerkerin und habe den Eindruck, dass es immer fruchtbar ist, sich mit Personen aus der eigenen Branche auszutauschen und zu sehen, was man voneinander lernen kann und welche Themen andere Unternehmen bewegen und daraus Benefits zu ziehen. Ich finde, der Stammtisch für Personalverantwortliche ist ein sehr gelungenes Format und ich würde gerne auch als Zuhörerin wiederkommen!
Wie war Ihre persönliche Erfahrung auf dem Stammtisch für Personalverantwortliche?
Herrera: Richtig toll. Als eingeladene Speakerin habe ich mich sehr gut aufgehoben gefühlt und die Diskussionskultur war sehr gut, es wurden viele interessante Fragen gestellt. Ich fand es sehr spannend zu sehen, dass das Interesse für das Thema in Bremen so groß ist und dass viele Unternehmen mit Corporate-Influencer:innen-Programmen bereits am Start oder zumindest in den Startlöchern sind.
Vielen Dank für das Gespräch!
Stammtisch für Personalverantwortliche
Zum Stammtisch für Personalverantwortliche laden die Senatorin für Wirtschaft, Häfen und Transformation und die WFB Wirtschaftsförderung Bremen alle zwei bis drei Monate ein. Der Stammtisch ist eine Plattform, um sich über aktuelle Themen und Herausforderungen zu allen Aspekten des Personalwesens auszutauschen und Politik und Verwaltung wichtige Impulse mitzugeben, wie ansässige Firmen bei ihrer Personalakquise, -bindung und -entwicklung unterstützt werden können. Die Teilnahme ist kostenlos. Weitere Infos zum Veranstaltungsformat finden sich hier: https://www.fachkraefte-fuer-bremen.de/stammtisch-fuer-personalverantwortliche/
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