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1.6.2022 - Mona Fendri

„Wir möchten das Haus am Wall 164 in eine kreative Oase verwandeln“

Innenstadt im Wandel

Mit ihren Ateliers Schnitträume und WOLLE gehören die Schwestern Hübotter zu den Gewinnerinnen des WFB-Wettbewerbs „Neu gedacht – neu gemacht“

Nicola und Julia Hübotter vor ihrem Schaufenster
Mit dem Gewinn aus dem WFB-Wettbewerb „Neu gedacht – neu gemacht“ gestalten Nicola und Julia Hübotter (v. l. n. r.) das Haus am Wall 164 in ein Kreativkaufhaus um © WFB / Jan Rathke

Ein verschachteltes Treppenhaus, ein Showroom mit farbenfrohen Produkten und links und rechts Glaswände. Aus der Pizzeria Napoli weht der Duft frischer italienischer Köstlichkeiten. Am Nachmittag hört man von oben das Klirren der Cocktailgläser, wenn die Lemon Lounge wieder einmal zum Cocktailkurs lädt. Und dann sind da noch die kleinen Ateliers: Im Erdgeschoss kann man der Goldschmiedin Maike Eisenhauer beim Schmieden zusehen, im Hochparterre hört man das Rattern der Nähmaschine aus dem Modeatelier von Schnitträume und das Wollgeschäft WOLLE, ganz oben im Haus, präsentiert eine Augenweide an bunten Garnen. Das Haus am Wall 164, an den Wallanlagen in der Bremer Innenstadt, lädt zum Verweilen mit allen Sinnen ein.

Das Haus am Wall 164 – eine Bremer Familiengeschichte

Mit dem Gewinn aus dem Bestandskunden-Wettbewerb „Neu gedacht – neu gemacht“, den die WFB Wirtschaftsförderung Bremen GmbH im Rahmen des Aktionsprogramms Innenstadt (API) im Auftrag der Senatorin für Wirtschaft, Arbeit und Europa im zweiten Halbjahr 2021 organisierte, haben Julia und Nicola Hübotter, die Besitzerinnen des Wolladens WOLLE und des Nähateliers und Modegeschäfts Schnitträume nicht nur ihre eigenen Geschäfte auf Vordermann gebracht. Die Idee hinter ihrem preisgekrönten Konzept? „Wir möchten das Haus am Wall 164, in dem wir unsere Läden haben, in eine kreative Oase verwandeln“, erklärt Julia Hübotter. Dort sollen Atelierbesitzer:innen ihre Produkte vor den Augen der Kundinnen und Kunden fertigen und vor Ort verkaufen können.

Das Haus am Wall 164 blickt auf eine langjährige Bremer Geschichte zurück. Es handelt sich um ein gründerzeitliches Gebäude, das in den 1960er Jahren zu einer Immobilie mit Geschäften auf mehreren Etagen umgebaut wurde. Für die Schwestern gehört es zur Familiengeschichte. „Das Haus ist schon lange in Familienbesitz. Unsere Mutter hatte hier früher einen Spielzeugladen zusammen mit einer Freundin, die Kinderkleidung produzierte“, erinnert sich Nicola Hübotter. „Die Idee war schon immer gewesen, ein offenes Konzept mit verschiedenen kleinen Läden zu gestalten, sodass alle Beteiligten voneinander profitieren können.“

Neues Leben einhauchen

Doch dieses Konzept wurde im Laufe der Zeit vernachlässigt und das Miteinander im Haus ging verloren. Als Nicola Hübotter, die in Italien Modedesign studiert hatte, in ihre Bremer Heimat zurückkehrte, fand sie in dem Haus leerstehende Flächen vor. Zunächst nutzte sie die Räumlichkeiten als eine Art Co-Working Space für Modedesigner:innen, die sich mit ihrer Nähmaschine einen Arbeitsplatz mieten konnten. Später eröffnete sie dort ihr Modeatelier Schnitträume, in dem sie unter anderem das Bremer Modelabel My Pulli vertreibt, das sich auf Maßanfertigungen für Damen und Herren spezialisiert. Ihre Schwester Julia zog mit ihrem Wollfachverkauf nach. Die Idee, das ursprüngliche Konzept wiederzubeleben, keimte langsam auf.

Nicola Hübotter sitzt an ihrer Nähmaschine
Nicola Hübotter in ihrem Modeatelier Schnitträume © WFB / Jan Rathke

Teilnahme am Wettbewerb „Neu gedacht – neu gemacht“ der WFB

Als die beiden 2021 schließlich auf den Bestandskunden-Wettbewerb der Wirtschaftsförderung Bremen aufmerksam wurden, sahen sie in ihm die Chance, ihren Traum in die Realität umzusetzen – und der Plan ging auf. Die Schwestern Hübotter belegten den vierten Platz und erhielten 20.000 Euro Zuschuss von der WFB für die Umsetzung ihres Konzepts. „Wir haben uns sehr über den Gewinn gefreut“, erklären sie begeistert. „Es war ein absoluter Ansporn und eine Bestätigung für uns. Diese Idee hatten wir schon lange und hätten sie vielleicht irgendwann auch ohne den Wettbewerb umgesetzt, aber nicht jetzt und nicht mit dieser Konsequenz.“

Ein großes Unterfangen, das sich die beiden vorgenommen hatten. „Wir brauchten erst einmal eine komplette Grundreinigung für die Scheiben und Böden, was die letzten 50 Jahre nicht mehr so konsequent gemacht worden war und auch das Treppenhaus war ziemlich heruntergekommen“, beschreibt Nicola Hübotter den Arbeitsumfang. „Wir mussten so richtig was in die Hand nehmen. Das fällt in Corona-Zeiten besonders schwer.“

Die Glaswände aufzupolieren war den beiden besonders wichtig, um das Gefühl der Offenheit und Transparenz zu vermitteln, das den beiden Inhaberinnen so am Herzen liegt. Auch die neuen Lichter für die Schaufenster tragen dazu bei. „Dadurch, dass es hier auch abends belebt ist, konnten wir uns gut vorstellen, dass es für die Leute interessant sein könnte, auch außerhalb unserer Öffnungszeiten in die Geschäfte zu gucken und sich inspirieren zu lassen. Abends bleibt hier Licht an und das Schaufenster ist hell beleuchtet. Es ist natürlich alles LED, damit es nicht so viel Strom frisst. Alles neu gemacht, mit Unterstützung der WFB“, freut sich Julia Hübotter.

Darüber hinaus gibt es nun einen Internet-Gastzugang im Haus. So können es sich Kundinnen und Kunden in den Räumlichkeiten von WOLLE oder Schnitträume bequem machen, dort verweilen und in aller Ruhe zum Beispiel ein Schnittmuster oder ein gewünschtes Modell heraussuchen, erklären die Wettbewerbsgewinnerinnen.

Julia Hübotter in ihrem Wollgeschäft
In Julia Hübotters Wollgeschäft WOLLE finden regelmäßig Strickkurse statt © WFB / Jan Rathke

Eine Oase für den kreativen Austausch in der Bremer Innenstadt

Dass sich die Kundinnen und Kunden im Hause wohlfühlen, ist den beiden Ladenbesitzerinnen ein besonderes Anliegen. Sie sollen die Arbeit der kleinen Manufakturen hautnah miterleben, die Produkte nicht nur sehen, sondern auch anfassen können und transparent erfahren, woher die Materialien stammen – Regionalität, Fairness und Nachhaltigkeit sind in diesem Zusammenhang wichtige Aspekte für die Schwestern.

Darüber hinaus sollen die Kundinnen und Kunden selbst Hand anlegen: Im Wollgeschäft finden zum Beispiel wöchentlich Strickkurse für alle Interessierten statt – egal, ob Anfänger:innen oder begnadete Strickprofis. In gemütlicher Atmosphäre lernen die Teilnehmer:innen nicht nur von einer Kursleiterin, sondern auch gegenseitig voneinander.

Ferner planen die Hübotter-Schwestern weitere Aktionen, bei denen sie die Besucher:innen involvieren. „Wir denken darüber nach, Second-Hand-Verkäufe zu organisieren und werden dabei auch unsere Kundinnen und Kunden fragen, ob sie selbstgemachte Sachen verkaufen möchten“, erklärt die Strickdesignerin. „So konsumiert der Kunde oder die Kundin nicht nur, sondern kann eigene Produkte präsentieren. Vielleicht veranstalten wir auch eine Tauschbörse – das ist alles noch im Werden. Eventuell werden wir im Treppenhaus kleine Pop-up-Flächen an Designerinnen und Designer vermieten… Wir haben noch einiges vor!“

Und was sagen die Kundinnen und Kunden zum neu geschaffenen Kreativkaufhaus? „Die sind begeistert, vor allem, weil die Aufenthaltsqualität gestiegen ist“, versichert Julia Hübotter. Und ihre Schwester fügt hinzu: „Dadurch, dass wir während der Öffnungszeiten in unseren Werkstätten arbeiten, können die Leute einfach reinkommen und gucken. Manche stellen Fragen zum Haus. Vor allem die Älteren finden die Geschichte spannend, vielleicht, weil sie früher hier schon waren. Und die Jüngeren freuen sich einfach, dass es mal etwas anderes ist als die meisten Geschäfte in der Innenstadt.“

Das Aktionsprogramm Innenstadt & der Zukunftsfonds Innenstadt

Das Aktionsprogramm Innenstadt wurde am 25. August 2020 vom Senat beschlossen, um die Folgen der Corona-Pandemie abzufedern. Es ist ein Gemeinschaftsprojekt der Senatskanzlei, der Senatorin für Wirtschaft, Arbeit und Europa, der Senatorin für Klima, Umwelt, Mobilität, Stadtentwicklung und dem Senator für Kultur – unter der Federführung von Bürgermeister Dr. Andreas Bovenschulte und finanziert über den Bremen-Fonds. Das Aktionsprogramm Innenstadt umfasst insgesamt über 30 Einzelmaßnahmen, die bis Ende 2021 schnell und unkompliziert umgesetzt werden und die Bremer City nachhaltig stärken sollen. Der Zukunftsfonds Innenstadt schließt an das Aktionsprogramm Innenstadt an und fördert spannende touristische Angebote, kulturelle Impulse, neue Nutzungsangebote und vieles mehr. Weitere Informationen unter www.bremenwirdneu.de.

Der Wettbewerb „Neu gedacht – neu gemacht“ im Rahmen des Aktionsprogramms Innenstadt

Der Wettbewerb „Neu gedacht – neu gemacht“ fand im Rahmen des Aktionsprogramms Innenstadt statt und richtete sich an bereits bestehende, inhabergeführte Einzelhandelsunternehmen innerhalb eines fest definierten Bereichs der Bremer Innenstadt. Von der WFB gefördert wurden ausschließlich Fremdkosten in Investitionen sowie Dienst- und Handwerkerleistungen. Die eingereichten Konzepte wurden durch eine Fachjury nach festgelegten Kriterien bewertet. Dazu gehörten die Stimmigkeit des Konzeptes, sein Innovationsgrad, die Relevanz für die Frequenz von Kundinnen und Kunden in der Innenstadt, die Nutzungsvielfalt und die ökologische Nachhaltigkeit. Die Gewinner:innen erhielten eine Förderung: Für den ersten Platz gab es 70.000 Euro, für den zweiten 50.000 Euro, für den dritten 35.000 Euro und für den vierten und fünften Platz jeweils 20.000 Euro. Alle Beteiligten investieren neben dem gewonnenen Preis auch eigene Mittel für die Umsetzung der Konzepte.

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