Logistikimmobilien nach Corona – Perspektiven und Strömungen
ImmobilienstandortTrends in der Logistikimmobilienwirtschaft 2021
Logistikimmobilien sind derzeit heiße Ware – in Bremen wie auch im Rest der Bundesrepublik. Das Onlinegeschäft ist großer Wachstumstreiber auch für eine Zukunft nach der Pandemie. Welche Entwicklungen halten noch an?
Der Internetriese Amazon steht wie kein anderes Unternehmen für den Siegeszug des Onlinebooms. Dank Coronakrise sogar im Boost-Modus: Allein 2020 stieg der Umsatz von knapp 386 auf 419 Milliarden Dollar. Und auch die gesamte eCommerce Branche in Deutschland erwartet ein Umsatzwachstum von 18 Prozent im Jahresvergleich.
Mit diesen Zahlen muss auch die Logistikinfrastruktur mithalten, um den Anspruch nach schneller Lieferung bedienen zu können. Der Immobilienberatungskonzern Jones Lang LaSalle rechnet für 2020 etwa mit einem Flächenumsatz zwischen 6,5 und 7 Millionen Quadratmetern in Deutschland und damit trotz den Hindernissen der Coronakrise mit einem ähnlich hohen Niveau wie schon im Rekordvorjahr.
Logistikimmobilien: Onlineboom treibt Wachstum nachhaltig
„Wir sehen im Logistikmarkt noch viel Raum nach oben. Gerade durch die Coronakrise hat sich gezeigt, dass der Warenversand, und damit der Bedarf an Logistikimmobilien, in Zukunft noch deutlich zunehmen wird“, bestätigt auch Hubertus Schwanebeck, Leiter der Niederlassungen Hamburg und Bremen des Projektentwicklers BREMER AG.
Das Onlinegeschäft wird damit auch nach der Coronakrise sein starkes Wachstum fortsetzen und damit ein hauptsächlichen Nachfrage-Treiber bleiben (siehe auch: Immobilienzeitung Spezial, S. 33).
Zu einer ähnlichen Einschätzung kommt der Bremer Immobilienentwickler Robert C. Spies KG. In seinem Jahresrückblick sieht er für Bremen eine stabil hohe Nachfrage in 2020. Dabei macht der eCommerce den größten Anteil des Flächenumsatzes aus. „Hintergrund ist neben einer vermehrten lokalen Warenbevorratung auch die gewachsene Akzeptanz des Onlinehandels – nochmals beschleunigt durch die Corona-Pandemie“, so Björn Sundermann, Bereichsleiter für Logistik- und Industrieimmobilien bei Robert C. Spies. Ein Trend, der nach Ansicht der Experten auch in Zukunft anhält.
Kleinteiligere Bedarfe in der Logistik
Mit dem Boom des eCommerce verändern sich auch die Ansprüche an die Logistikimmobilien. Im Gegensatz zu Vorjahren, wo klassische Logistikhochburgen für den größten Zuwachs gesorgt haben, sind in diesem Jahr die großen Ballungszentren wie Berlin, München, Hamburg oder Düsseldorf auf den Spitzenplätzen beim Flächenzuwachs zu finden. Neben der steigender Flächenknappheit an klassischen Logistikstandorten liegt das unter anderem auch am eCommerce.
Gerade dieser benötigt Flächen, die möglichst nahe an den Verbrauchenden liegen. „Sowohl kleine als auch größere Gebäude würden dabei benötigt. Neben großen Verteil- und Logistikzentren liegt ein Trend in der innenstadtnahen Logistik. Themen wie Same-Day-Delivery erfordern eine kleinteiligere Infrastruktur, wo die Auslieferungslager nahe an den Verbraucherinnen und Verbrauchern sind“, sagt auch Jörg Lachmann, selbstständiger Immobilienfachmann in Bremen.
Dieser Trend bestätigt auch eine Umfrage des Immobilienunternehmens Garbe. Es sieht gerade in den lokalen und regionalen Logistikzentren das größte Zuwachspotenzial in den kommenden Jahren. Diese finden sich dabei nicht nur in den Ballungszentren, sondern auch in der Fläche.
Gerade die innerstädtische Logistik steht dabei vor vielen Innovationen und neuen Fragestellungen, da innenstädtische Verteilzentren aufgrund des Flächenbedarfs kaum als Neubauten zu realisieren sind. Hier entstehen derzeit kreative Lösungen, zum Beispiel der Umbau stillgelegter Baumärkte als Verteilzentren, leer stehender Einzelhandelsflächen oder ganz neue Konzepte der innenstädtischen Logistik über Logistiklastenräder und Liefercontainer.
Steigender Bedarf für Lagerhaltung
Neben dem eCommerce sieht die Logistikimmobilienbranche noch weitere Wachstumstreiber. „Viele Unternehmen stehen vor der Herausforderung, das Prinzip der just-in-time Auslieferung umzugestalten. Gerade Pharmaunternehmen sind angehalten, in der Coronakrise gewisse Lagerbestände vorzuhalten. Entsprechend werden größere Flächenkapazitäten benötigt“, prophezeit Sören Bredenkamp von der Bremer Niederlassung des Logistikmaklers Logivest.
Die Coronakrise hat zu einem Umdenken bei der Lagerhaltung in manchen Bereichen geführt. Zu den medizinischen Gütern für den Katastrophenfall kommen jetzt aktuell steigende Anforderungen an die Lagerung von Impfstoffen hinzu.
Auch in anderen Branchen hat die Coronakrise gerade im März gezeigt, wie anfällig die Supply Chain ist. Lieferketten wurden unterbrochen, Schiffsladungen strandeten im Hafen und damit lief auch die Just-in-Time-Logistik Gefahr, zum Stillstand zu kommen. Zieht die Industrie daraus eine Lehre? Noch im Frühjahr 2020 war in zahlreichen Studien und Artikeln von einer De-Globalisierung die Rede, von zunehmender inländischer Lagerhaltung und der Gestaltung widerstandfähigerer Lieferketten. Inwieweit aus diesen Ankündigungen allerdings Realitäten werden, bleibt noch abzusehen, das sieht zumindest der globale Logistikkonzern Dachser so. Einer höheren Resilienz stehen eben auch höhere Kosten und eine tiefgreifende Änderung von Prozessabläufen gegenüber.
Dass eine Umstellung von globalen Lieferketten Zeit und Mehrkosten in Anspruch nimmt, dem stimmt auch Dr. Herbert Kotzab, Professor für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Logistikmanagement an der Universität Bremen zu. „Die globalen Logistikstrukturen sind so angelegt, dass schnellen Veränderungen nicht so einfach möglich sind. Hier handelt es sich um langfristige strategische Entscheidungen. Das gilt besonders für hochkomplexe Industrien wie die Automobilwirtschaft“, so der Logistikexperte. Veränderungen würden hier nicht so schnell durch die Coronapandemie entstehen, sondern eher durch langfristige Trends wie etwa die Elektromobilität, welche auch Zulieferstrukturen verändere. In dem Endkonsumenten näheren Industrien, wie dem Lebensmittelhandel, sieht er eher Potenzial für eine Lokalisierung von Lieferketten. Hier sind auch die Erzeuger oft regional ansässig – und es gibt ohnehin einen Trend zu mehr regionalem Konsum.
Eine nachhaltige Änderung globaler Lieferstrukturen sei immer auch eine Wettbewerbsfrage. „Es ist ähnelt dem Gefangenendilemma. Solange nicht alle mitmachen, haben diejenigen, die höhere Investitionen in regionalere Lieferketten vornehmen, einen Wettbewerbsnachteil“, so der Professor, der seit 2011 in Bremen forscht und lehrt. Hier könne allenfalls eine gesetzliche Regulierung, wie zum Beispiel das Lieferkettengesetz, für einen Anreiz sorgen.
Elektromobilität verändert Automobillogistik
Aus einem ganz anderem Bereich, der eMobility-Logistik kommt eine weitere Entwicklung: „Auch die Beratung von Neubauprojekten ist ein Thema bei Logivest, zum Beispiel für Kunden in der Elektromobilitätsindustrie. Die hier benötigten Batterien brauchen eine aufwändige, brandschutzsichere Lagerung. Dies geben viele Bestandsimmobilien derzeit nicht her. Manche können gemäß den Leitfäden von Feuerwehr und Versicherung nachgerüstet werden, bei anderen Projekten ist ein Neubau sinnvoller“, erklärt der Bremer Logivest-Standortleiter, Sven Lehmann.
Grüne Logistik, Partizipation und Innovation
Weitere Trends in der Logistikimmobilienwirtschaft betreffen die Gebäude und den Betrieb an sich. Denn die Nachhaltigkeit einer Logistikimmobilie ist immer öfter auch eine Anforderung des Marktes, sowohl investoren- als auch betreiberseitig. Das sieht zumindest das Analyseunternehmen Bulwiengesa so. Wichtige Maßnahmen sind hier Photovoltaik-Anlagen, LED-Beleuchtung oder Dämmung.
Eine nachhaltigere Logistik ist zudem wichtig, um einer der größten Herausforderungen der Logistikbranche in Zukunft entgegenzuwirken: der gesellschaftlichen Akzeptanz. Hoher Flächenverbrauch bei verhältnismäßig wenigen qualifizierten Arbeitsplätzen, hohes Verkehrsaufkommen und damit Umweltbelastungen sind häufige Kritikpunkte. Diese können Kommunen dazu bewegen, auf die Ausweisung dringend benötigter Flächen zu verzichten und damit die Flächenknappheit in Zukunft noch zu verstärken.
Wie lässt sich die Akzeptanz der Logistik steigern? „Es geht um Nachhaltigkeit in der Entwicklung von Immobilien, um ökologische Fragen, um die Digitalisierung und das Neudenken von Prozessen, darum, vorhandene Flächen möglichst effizient zu nutzen und dabei alle Betroffenen an einen Tisch zu holen“, so Andreas Heyer, Vorsitzender der Geschäftsführung der Wirtschaftsförderung Bremen.
Vorhandene, bereits bebaute Flächen neu zu belegen, durch Sanierung oder Neubau, wird zu einer wichtigen Option, dem stimmt auch das Analysehaus Bulwiengesa (PDF, S.44) zu. Hinzukommen partizipative Prozesse, die Bürgerinnen und Bürger mit in das Geschehen einbeziehen, sowie hoher Innovationsbedarf, um Transportwege, Arbeitsumfelder und Prozesse nachhaltig zu verbessern.
Bremer Logistikimmobilienmarkt spiegelt Entwicklungen wieder
Als einer der führenden deutschen Logistikstandorte lassen sich diese Trends auch in Bremen wiederfinden. So erreichte der Flächenumsatz der Branche 2021 eine neue Rekordmarke und das trotz der Pandemie; die Leerstandsquote ist auf branchenüblich niedrigem Niveau. Gleichzeitig sinkt die Leerstandquote bei stagnierenden Höchstmieten – ganz ähnlich im deutschlandweiten Vergleich. Und auch in Bremen werden Prozesse angestoßen, die sich mit der Zukunft der Gewerbeflächen befassen, darunter auch der Logistik.
Wie sieht der Wandel zur grünen Logistikimmobilie in der Praxis aus? Darüber haben wir uns mit dem Immobilienentwickler Goodman anhand eines Praxisbeispiels unterhalten.
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