Sauber bis vor die Haustür
LogistikDas Bremer Start-up Rytle bietet eine innovative Lösung für die Innenstadt-Logistik
Kein Ärger mit der Parkplatzsuche, kein Stress beim Rangieren und kein Suchen nach dem richtigen Weg: Eine Entwicklung aus Bremen besitzt das Potenzial, Paketboten das Leben zu erleichtern und dabei die Emissionsbelastung in den Städten zu verringern. Herzstück des Logistikkonzepts ist ein E-Lastenrad, das mit einer fertig gepackten Wechsel-Box beladen wird und dessen Fahrer per Handy navigiert wird.
Neu kombiniert und weiterentwickelt
Manchmal muss man das Rad gar nicht neu erfinden, um eine Lösung für eine aktuelle Herausforderung zu finden – manchmal reicht es schon aus, vorhandene Komponenten neu miteinander zu kombinieren und weiterzuentwickeln. Genau das haben Dr. Arne Kruse und Ingo Lübs, die Gründer von Rytle, getan: Das Start-up aus Bremen hat aus einem Lastenrad, einer Box, einem mobilen Depot und einer Smartphone-App ein System zusammengestellt, das die Auslieferung von Paketen erleichtern und dabei die Verkehrsproblematik in den Innenstädten entschärfen soll. „Für Logistiker und Kuriere stellt die Urbanisierung der Städte eine wachsende Herausforderung dar“, erläutert Geschäftsführer Arne Kruse die Hintergründe, vor denen die Idee entstanden ist. „Der Zugang zum Kunden wird schwieriger, die Anzahl der Lieferungen nimmt rapide zu, die Komplexität der Innenstadtlogistik ebenso.“ Zugleich bremsten gesetzliche Rahmenbedingungen den Zulieferprozess „auf der letzten Meile“ aus, was eine pünktliche Zustellung erschwere und aufwendiger mache. Hier will Rytle gegensteuern.
Tipps aus der Praxis
Im Detail funktioniert das Ganze so: Zentraler Bestandteil ist das Lastenfahrrad „MovR“, in dessen Entwicklung mehrere Kuriere praxisnahe Tipps und Vorschläge eingebracht haben. Auf ihren Wunsch verfügt es nun über eine spezielle Rahmenkonstruktion, die den Fahrer vor Witterungseinflüssen schützt und ihm das Auf- und Absteigen erleichtert. Dank zweier Radnabenmotoren inklusive Anfahrhilfe lassen sich auch lange Strecken noch entspannt fahren. Beladen wird das Rad mit einer Wechselbox, die ein Logistikdienstleister schon vorab mit Paketen, Päckchen oder anderen Waren bestückt. Die Box hat das Format einer Europalette mit fast zwei Kubikmetern Volumen und lässt sich, wenn sie leer ist, schnell und unkompliziert gegen eine volle austauschen. „Das spart viel Zeit und somit Geld“, sagt Kruse.
Mobiles Depot für unterwegs
Zum Wechseln dient der so genannte „Hub“ – ein mobiles Depot, das sich flexibel aufstellen lässt und auf der Grundfläche eines Pkw-Stellplatzes bis zu neun Boxen Platz bietet. Um eine Vernetzung ins digitale Zeitalter zu schaffen, haben die Rytle-Macher eine App mit dahinterliegendem Cloud-Service programmiert, die unter anderem eine optimierte Routenplanung, Schließmöglichkeiten für die verschiedenen Komponenten sowie aktuelle Statusmeldungen über eingegangene Aufträge umfasst. „Wir haben festgestellt, dass mit unserem System in Ballungsräumen bei Standardpaketen eine 50 Prozent höhere Effizienz erreichbar ist als bei der klassischen Zustellung mit Lieferwagen“, berichtet Kruse. Die Gründe dafür: „Durch die Vorsortierung müssen Pakete einmal weniger angefasst werden. Dazukommt, dass wir näher an die Häuser herankommen und fast keine Kosten beim Verbrauch haben.“
Intelligentes Fahrrad
Da jedes Rad mit Sensoren ausgestattet werden kann, bietet das System perspektivisch viele zusätzliche Möglichkeiten. „Der MovR berichtet selbstständig, was er tut und wie es ihm gerade geht“, erläutert der Geschäftsführer. „Wenn er zum Beispiel auf seiner Tour über viele Bordsteine fahren muss, lassen sich anhand der gesammelten Daten Straßenprofile anlegen, die letztlich zur Optimierung zukünftiger Routen genutzt werden können.“ Möglich sei es zum Beispiel auch, von den Sensoren die Luftqualität oder andere Umweltparameter messen zu lassen und anschließend zur Auswertung an öffentliche oder wissenschaftliche Stellen weiterzugeben. Im Einsatz sind aktuell schon fast 100 Räder, unter anderem in Hamburg, Berlin, München, Rotterdam und Paris. Demnächst soll ein Pilotprojekt in Singapur starten, von dem sich die Verantwortlichen den Einstieg in den asiatischen Markt erhoffen. Neben lokalen Dienstleistern sind mit UPS und drei weiteren globalen Logistikern auch einige der großen Paketdienstleister bereits mit an Bord. „Wenn künftig noch mehr Innenstädte für den Autoverkehr gesperrt werden, werden unsere Logistiklösungen weiter an Bedeutung gewinnen“, ist Kruse überzeugt.
Pilotprojekt mit Crowd
Zwar können globale Dienstleister mit dem System Pakete aus aller Welt in den Innenstädten verteilen: Da es aber auf die Zustellung im räumlich limitierten Aktionsradius ausgerichtet ist, stellen lokale Anbieter eine weitere wichtige Zielgruppe dar. So ist in Bremerhaven gerade ein Pilotprojekt gestartet, das die Machbarkeit und Wirksamkeit zunächst in einem Testfeld belegen soll und dabei erstmals die Crowd, also eine Vielzahl von Menschen, mit einbezieht. Unterstützt von der BIS Wirtschaftsförderung Bremerhaven, die das Projekt mit 288.000 Euro fördert, wird der Praxispartner „Weser Eilboten“ in den kommenden Monaten die einzelnen Komponenten im Zusammenspiel testen. Wissenschaftliche Begleitung kommt dabei von der Hochschule Bremerhaven, die dabei hilft, das betriebswirtschaftliche und organisatorische Konzept zu entwickeln sowie die Anforderungen an die für die Crowd-Logistik benötigte Software zu erarbeiten.
Lastspitzen abfangen
„Neu ist, dass wir zum ersten Mal flexibel Kuriere für Transportaufträge einsetzen wollen“, erläutert Prof. Dr.-Ing. Benjamin Wagner vom Berg, Professor für Informations- und Kommunikationstechnologie in Transport und Logistik. In der Pilotphase sollen das Studierende der Hochschule sein, die sich etwas Geld dazuverdienen und flexibel arbeiten wollen: Über eine Handy-App können sie sich eingehende Transportaufträge sichern und für die Ausführung dann das Rytle-System nutzen. Die Idee dahinter ist, dass sich mit einem solchen Modell künftig Lastspitzen bei Dienstleistern wie den „Weser Eilboten“ abfangen ließen. „Wir gehen davon aus, dass sich dadurch mehr Arbeitsverhältnisse in Festanstellung überführen lassen beziehungsweise sich die Arbeitsbedingungen für die festangestellten Mitarbeiter verbessern, weil sichere Arbeitszeiten ohne Überstunden ermöglicht werden“, sagt Wagner vom Berg. Das Pilotprojekt solle zeigen, wie die Rahmenbedingungen auszusehen hätten, damit das Ganze in der Praxis funktioniere. Darüber hinaus wolle man die Nachhaltigkeitsaspekte des Logistiksystems bei der Vermarktung in den Vordergrund rücken.
Die Ware ryteln lassen
Hervorgegangen ist Rytle aus einer Zusammenarbeit der Bremer Unternehmensberatung Orbitak und des Nutzfahrzeugherstellers Krone, die im vorigen Jahr ihr gemeinsames Projekt als Joint Venture an den Start gebracht haben. Neben Paketdienstleistern könnten auch andere interessierte Gruppen wie Handwerker, Industriebetriebe mit großem Werksgelände oder Supermärkte die Räder zum Transport von Werkzeugen und Maschinen beziehungsweise zur Auslieferung von Waren einsetzen. Übrigens ist Rytle eine Kombination der englischen Wörter „bicycle“ (Fahrrad) und „right“ (richtig). Die Wortschöpfung soll bewusst auch als Verb funktionieren: „Wenn sich jemand etwas auf ökologisch richtigem Weg liefern lassen möchte und die Wahl zwischen unterschiedlichen Dienstleistern hat, kann er sich gezielt entscheiden, seine Ware ryteln zu lassen“, meint Arne Kruse. „Wir hoffen, dass das künftig an möglichst vielen Orten der Welt geschieht.“
Pressekontakt:
Rieke Hartmann, RYTLE GmbH, Tel.: +49 421 56633-200, E-Mail: hartmann@rytle.com
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