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31.8.2017 - Jann Raveling

Bremen statt Berlin: Wie das BLG Digilab Start-up-Kultur in den Weltkonzern bringt

Digitalisierung / Industrie 4.0

Ein Praxisbeispiel für erfolgreiche Digitalisierung bei der BLG Logistics Group

Blick ins Digilab: Helle und bunte Einrichtung (Archivbild: 2017)
Blick ins Digilab: Helle und bunte Einrichtung (Archivbild: 2017) © BLG

Die Digitalisierung in der Logistik hört bei der BLG Logistics Group auf den Namen „Digilab“. Hinter dem Think Tank für digitale Ideen steckt eine ausgeklügelte Strategie, die den Konzern für die Zukunft fit macht. Ein Praxisbeispiel für gelungene Digitalisierung aus Bremen.

Das zentrale Abfertigungs- und Verwaltungsgebäude der BLG macht auf den ersten Blick einen eher biederen Eindruck: ein schmuckloses Klinkerhochhaus aus den 1960er-Jahren, freistehend am Eingang zum Neustädter Hafen, nahe Bremens größtem Industriegebiet: dem Güterverkehrszentrum GVZ. Ringsherum eine riesige Rangierfläche, an der 40-Tonner minütlich vorbeibrummen. Dass hier ein moderner Think Tank beheimatet ist, überrascht wohl jede Besucherin und jeden Besucher.

Der erste Blick in die Räumlichkeiten spricht für sich: bunte Wände, Möbel aus Paletten, mobile Konferenztische und -stühle. Metaplantafeln, eine beschreibbare Wand und Fenster animieren zum kreativen Austausch, dazu kommen Gruppenräume. „Wir wollen hier eine Atmosphäre schaffen, die zu kreativem Denken anregt“, erzählt Christoph Homeier, „wer hier hereinkommt, soll sich wohlfühlen“. Der 33-jährige leitet das Digilab und koordiniert von hier aus die sogenannten 100-Tage-Projekte, eine zentrale Säule der BLG-Digitalstrategie.

Digitalisierung bei der BLG: ausgerichtet am Bedarf

Die anderen beiden Säulen sind die operativen Projekte und Forschungsprojekte. Beide zielen darauf ab, Innovationen in die Praxis umzusetzen. Die 100-Tage-Projekte dienen hingegen eher der Erschließung neuer Technologien. „Wir geben einem Vorschlag 100 Tage Zeit, danach muss etwas Produktives herauskommen. So vermeiden wir Projekte, die ins Unendliche ausufern und nie etwas Vorzeigbares schaffen. Gerade bei neuen Technologien, wie zum Beispiel Drohnen, können wir schnell einschätzen, ob sich ein Einsatz für die BLG lohnt“, so Homeier. Bei diesen Kurzprojekten arbeiten die Bremer mit Partnern, oft Start-ups, zusammen. Diese steuern meist die Technologie bei. Zusammen mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus den jeweiligen Fachabteilungen bringt Homeier so ein interdisziplinäres Projektteam zusammen, das die Einsatzmöglichkeiten neuer Technologien schnell ausloten und umsetzen kann.

Christoph Homeier und Jakub Piotrowski im Digilab
Christoph Homeier und Jakub Piotrowski im Digilab © WFB/Raveling

Ist der Prototyp oder Pilotversuch erfolgreich, kann er als operatives Projekt umgesetzt werden. Fachabteilungen arbeiten dann den Roll-out für weitere Bereiche des Unternehmens aus und übernehmen die Umsetzung. Schlägt ein 100-Tage-Projekt fehl, verbucht die BLG aber auch das als Erfolg. „Wir lernen aus jedem Projekt und sehen uns sehr genau an, warum es gescheitert ist: Ist es nicht skalierbar? Ist die Technik noch nicht so weit? Mit diesen Erkenntnissen können wir in einigen Jahren einen neuen Versuch wagen“, erläutert Homeier. Vier bis sechs 100-Tage-Projekte führt das Digilab im Jahr durch. Beispiele dafür: Drohnen für die Inspektion von Lagerplätzen und Lagerhäusern, agentenbasierte Disposition von Aufträgen oder digitale Frachtpapiere für den papierlosen Transport.

Eine innovative Gemeinschaft schaffen

Die BLG hat für sich ein konkretes Digitalisierungs-Ziel ausgearbeitet: „Wir wollen nach Möglichkeit den kompletten logistischen Prozess digital abbilden, sowohl horizontal als auch vertikal, um agiler auf Anforderungen unserer Kundschaft zu reagieren und unser Dienstleistungsportfolio zu erweitern“, sagt Jakub Piotrowski. Der 42-jährige Informatiker leitet die strategische Geschäftsbereichsentwicklung für den Bereich Contract der BLG und das interdisziplinäre Innovationsteam. „Wir suchen nach neuen Geschäftsmodellen für die Zukunft und schauen uns dabei alle Technologien an, die aufkommen, ob autonome Roboter, KI oder Assistenzsysteme. Dabei ist uns wichtig, dass wir alle Mitarbeiter mitnehmen. Der Arbeitsplatz der Zukunft wird sich ändern, wir müssen daher unser Personal befähigen, neue Systeme zu verstehen“, erklärt Piotrowski.

Das eigene Personal eng in den Innovationsprozess einzubinden, hat noch einen weiteren Nutzen für die BLG: So baut sie Hemmschwellen beim Einsatz neuer Technologien ab. Regelmäßig sitzen im Digilab neben Entscheidern des Konzerns auch Angestellte, die mit den Prozessen vor Ort vertraut sind. Hier grübeln sie dann gemeinsam an digitalen Herausforderungen, unabhängig von sonst geltenden Konzernhierarchien. „Darum haben wir mit dem Digilab auch in Bremen unsere Zelte aufgeschlagen statt in Berlin. Wir wollen mitten im Herzen des Konzerns sein, kein abgekapselter Think Tank von außen“, so Homeier.

Möbel aus Paletten, Rückzugsorte für Kleingruppen: Kreative Prozesse gelingen nur in kreativer Atmosphäre
Möbel aus Paletten, Rückzugsorte für Kleingruppen: Kreative Prozesse gelingen nur in kreativer Atmosphäre © BLG

Ideen von oben und von unten

Neue Ideen kommen so aus verschiedenen Richtungen: einmal klassisch top-down, etwa wenn das Innovationsteam neue Technologien in den Fachbereich hinein trägt. Aber auch andersherum, bottom-up, vollzieht sich Innovation. Mitarbeiter einzelner Fachbereiche können ihre Ideen einbringen oder Probleme schildern, aus denen dann möglicherweise 100-Tage-Projekte entstehen.

Das Digilab feierte im Sommer 2017 sein einjähriges Bestehen. Aus dem ersten Jahr hat Jakub Piotrowski schon wichtige Erkenntnisse gezogen: „Eine gute Idee und die richtige Vernetzung im Unternehmen sind das A und O. Wir müssen die Schlüsselpersonen finden und zusammenbringen, abteilungsübergreifend. Dafür ist eine gute Kommunikation auf allen Hierarchie-Ebenen wichtig. Und Rückenwind der Vorstände sowie von der Geschäftsführung“. Auf die kann das Digilab bauen. Für die Zukunft haben sich die beiden Innovationsmanager, als Teil des BLG-Innovationteams noch einiges vorgenommen. So wollen sie Methoden und Tools verfeinern und eine konzernweite „Innovation Community“ aufbauen, die für einen konstanten Strom neuer Ideen sorgt. Denn bei einer Sache sind sie sich einig: Die Digitalisierung ist nicht ein Projekt, sondern begleitet ab jetzt jedes Unternehmen permanent.

Lehren auch für den Mittelstand

Auch wenn die BLG ein großes, international agierendes Logistikunternehmen ist, können kleinere Unternehmen viel von der Digitalstrategie der BLG mitnehmen. Denn die wichtigen Erkenntnisse für erfolgreiche Digitalisierung sind unabhängig von hohen Budgets oder großen Entwicklungsabteilungen. Hier die wichtigsten Lehren:

  • Mutig sein und einfach mal machen
  • neue Technologien in kleinen Projekten testen, die einen klaren zeitlichen Rahmen haben
  • Räume schaffen, die zu kreativem Denken anregen und Angestellte aus dem Alltag herausholen
  • Mitarbeiter aller Hierarchie-Ebenen mitnehmen und frühzeitig in Projekte einbinden
  • Unterstützung von der Geschäftsführung sichern und mit Rückenwind arbeiten
  • Schlüsselpersonen über Abteilungen hinweg identifizieren und in interdisziplinären Teams zusammenbringen
  • Kontakt zu Kunden und Kooperationspartnern aus anderen Branchen suchen
  • Kommunikationskanäle nutzen und regelmäßig über die Digitalisierung informieren

Lesen Sie mehr zu BLG-Digitaltechnologien in unserem Artikel: BLG LOGISTICS hat einiges auf Lager – zum Beispiel eines der modernsten Kommissioniersysteme Europas



Welche Services die WFB Wirtschaftsförderung Bremen GmbH bei der Digitalisierung Ihres Unternehmens bietet, finden Sie auf der Übersichtsseite Digitalisierung.

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