Das gewerbliche Lastenrad ist gekommen, um zu bleiben
StandortmarketingLastenräder im gewerblichen Einsatz in Bremen
Sie sind leise und emissionsfrei, sie sparen gegenüber dem Auto Platz – Lastenräder verbessern das Stadtklima in vielerlei Hinsicht. Kein Wunder, dass sie bei Privatpersonen immer beliebter werden. Im vergangenen Jahr wurden laut ZIV-Verband über 100.000 Cargobikes ausgeliefert. Hersteller kommen an ihre Grenzen und sind oft für Monate ausgebucht – wie etwa der Bremer Hersteller Velo Lab, der in der Überseestadt produziert.
Aber auch im gewerblichen Einsatz machen die wuchtigen Zweiräder eine gute Figur. Gerade für den stationären Einzelhandel, das Handwerk oder die Gastronomie bieten sie eine Alternative zum Auto, ob bei der Auslieferung oder beim Wareneinkauf. Die Parkplatzsuche entfällt, die Räder können direkt vor der Ladentür zum Be- und Entladen abgestellt werden, sie verursachen keine Parkkosten und ermöglichen in den Innenstädten schnelleres Vorankommen als im Auto.
„Ich liefere dreimal die Woche Weine per Lastenrad aus“, erzählt etwa Diane Boldt, Inhaberin der Weinhandlung Gluck Gluck in der Bremer Neustadt. Sie nutzt dabei den Bremer Anbieter Cycologic. „Ich hatte noch nie ein eigenes Auto, nutze gerne das Fahrrad – es ist mir wichtig, auch für mein Geschäft auf unnötigen Autoverkehr zu verzichten und Emissionen einzusparen.“
Zusammen mit fünf weiteren Bremer Einzelhändlerinnen und Einzelhändler im Stadtteil nimmt sie jetzt am Pilotprojekt „Wir satteln um aufs Lastenrad“ teil. Gemeinsam schaffen sie einen Elektro-Fahrradanhänger an, mit dem sie künftig Waren ausliefern oder besorgen wollen. So wollen sie sich ihre Ressourcen teilen, denn Lastenräder oder E-Anhänger sind häufig teuer in der Anschaffung. Das Projekt wird von der Senatorin für Wirtschaft, Arbeit und Europa gefördert.
Herausforderungen im gewerblichen Einsatz
Hohe Kosten sind ein Hindernis im Gewerbebetrieb – Modelle mit Elektroantrieb können schnell so viel wie ein halber Kleinwagen kosten. Leihangebote schaffen hier Abhilfe. „Die Bikes müssen aber zentral abgestellt, verfügbar und über ein nutzerfreundliches Buchungssystem ausleihbar sein, dann steigt die Akzeptanz von Leihangeboten“, so Sven Hermann, Professor für Logistik und Koordinator des Pilotprojekts in der Bremer Neustadt. Rund 30 Prozent aller innenstädtischen Warentransporte könnten per Lastenrad erfolgen, schreibt er etwa im Magazin des ADFC Bremen.
„Cargobikes stehen für eine neue Lebenskultur in der Stadt, in der nicht mehr das Auto im Mittelpunkt steht, sondern städtischer Raum wieder dem Menschen zugutekommt“, so Hermann. So verleiht etwa der Bremer Fahrradhändler Sønstebys Lastenräder an Handwerkerinnen und Handwerker.
In Bremen haben sich zahlreiche Initiativen und Projekte gebildet, welche die Nutzung von Lastenrädern im Gewerblichen wie auch Privatem fördern wollen:
Initiative Stadt.Land.Lastenrad
Das Programm will die „Bekanntheit des Lastenrads fördern, interessierte Akteure vernetzen, und Nutzungsmöglichkeiten aufzeigen“. Neben ersten Seminaren, die Vertreter:innen aus Deutschland, den Niederlanden und Österreich zusammengebracht haben, entwickelt das Team um Sven Hermann neue Ideen für die Nutzung von Lastenrädern. Ein erster Vorschlag ist etwa ein Picknick-Bike, eingebunden in touristische Angebote für jene, die Bremen mit dem Fahrrad erkunden wollen:
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Außerdem machen sie sich Gedanken über Parkgaragen für Lastenräder. „Ein großes Problem bei Cargobikes ist ihr Platzbedarf. Sie passen oft nicht in Fahrradkeller, man kann sie aber auch nicht einfach am Straßenrad parken, denn die Gefahr des Diebstahls ist groß“, so der zweiradbegeisterte Logistikprofessor, der zugleich auch als Innovationscoach tätig ist. Das habe auch eine Umfrage bestätigt, die im Rahmen des Projekts unter Bewohner:innen der Bremer Neustadt durchgeführt wurde. Platzmangel sei ein Hauptgrund für die Nicht-Anschaffung eines Cargobikes neben den hohen Kosten, so das Ergebnis. Derzeit arbeitet das Projektteam an einen ersten Prototyp für eine Cargobikegarage, die zum Beispiel im öffentlichen Raum anstelle eines Parkplatzes stehen könnte.
Ein weiterer Baustein ist eine Ausstellung rund um das Thema Lastenrad in einem mobilen Tiny House, die am 17. Juli auf dem Gelände von der Bremer Fahrradmanufaktur Velo Lab zu sehen ist und Projektergebnisse wie auch Anwendungsszenarien zeigt.
Dort präsentiert auch Bremen BIKE IT! sein neues Stage Bike – ein Lastenrad, das zur mobilen Konzertbühne wird, inklusive Technik und Licht für Veranstaltungen bis zu 300 Personen und ausleihbar für Bremer Künstlerinnen und Künstler. BIKE IT! ist ein Projekt der WFB Wirtschaftsförderung Bremen GmbH und fördert unter anderem Stadt.Land.Lastenrad.
Lastenrad-Verleih und Liefergemeinschaften
Gleich eine ganze Reihe an Initiativen und Projekten widmen sich dem Verleih von Lastenrädern, ob nun der ADFC mit „Fietje“ (unterstützt von BIKE IT!) oder verschiedene Stadtteilinitiativen. Eine Liste hat bremen.de zusammengetragen.
Neben der Miete findet sich mit der gemeinsamen Anschaffung von Cargobikes eine weitere Möglichkeit, die Kosten zu sparen – wie bei Diane Boldt und den Einzelhändlern in der Bremer Neustadt. Im Zuge der Coronakrise entstand dort auch eine „Liefergemeinschaft“, ein vom Bremer Senat gefördertes Projekt, dass zunächst einen kostenlosen Lieferservice ermöglichte und zukünftig eine Plattform und ein E-Lastenrad-Sharing-Angebot aufbauen will.
Lastenradnutzung von Kurierdiensten
Zahlreiche Kurierdienste in Bremen nutzen inzwischen Lastenräder, um auch schwerste Ladungen damit zu befördern – bis hin zu Europaletten. Ein Beispiel ist hierfür das Projekt Urban-BRE, das seit 2019 ein neues Konzept urbaner Logistik erprobt: Die Auslieferung von Paketen mittels Lastenrädern aus sogenannten Micro-Hubs. Hierbei werden Lieferungen aus dem Bremer Güterverkehrszentrum mit Ziel im Bremer Stadtteil „Viertel“ zusammengeführt und in einen Container geladen, der dann per LKW ins Viertel gelangt. Von dort aus übernehmen dann die Cargobikes des Bremer Anbieters RYTLE, welche die Pakete bis hin zu Palettengröße aus dem Container-Micro-Hub übernehmen und an ihren Zielort verteilen. Das spart den CO2-Ausstoß der „letzten Meile“, wo Lieferfahrzeuge besonders häufig parken und wieder anfahren müssen, um jedes einzelne Ziel zu erreichen. Außerdem sind Lieferräder häufig wendiger und können in den engen Gassen des Stadtteils besser parken. Das erfolgreiche Pilotprojekt wird von der Senatorin für Wirtschaft, Arbeit und Europa in Bremen finanziell gefördert und soll perspektivisch erweitert werden.
ULaaDS - Urban Logistics as an On-Demand Service
Erkenntnisse aus dem UrbanBRE-Projekt fließen auch in die EU-Initiative UlaaDS ein. Das niederländische Groningen, die belgische Stadt Mechelen sowie Bremen analysieren gemeinsam bestehende und zukünftige innerstädtische Güterverkehre und forschen an alternativen Transportlösungen. Dabei nehmen sie sowohl den gewerblichen wie auch privaten Verkehr ins Auge. Auf dem Prüfstand stehen Mikro-Hubs, elektrifizierte Lastenfahrräder und On-demand-Dienste. Das EU-Projekt startete im Herbst 2020 und dauert drei Jahre. Auch hier ist BIKE IT! Beteiligt.
„Mit Lastenrädern oder -E-Anhängern haben wir auf der letzten Meile die Chance, den innerstädtischen Verkehr zu entlasten, Emissionen deutlich zu senken und die Lebensqualität für Anwohner:innen zu steigern. Bremen ist zwar die fahrradfreundlichste Großstadt Deutschlands, braucht aber weitere und neue Impulse“, so Jens Joost-Krüger, Projektleiter Standortmarketing der Wirtschaftsförderung Bremen.
Lastenradförderungen:
Bundesförderung von E-Lastenfahrrädern
Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit fördert die betriebliche Anschaffung von E-Lastenrädern und Anhängern mit einem Viertel der Anschaffungskosten.
Bremische Lastenrad-Förderung
Das Land Bremen plant derzeit mit einer eigenen Lastenradförderung, die Förderprogramme auf Bundesebene zu ergänzen. Die soll noch 2021 starten, genaue Details stehen noch nicht fest.
Lasteninitiative Metropolregion Nordwest
An Vereine, Verbänden, Institutionen, Einrichtungen und Kommunen in der Metropolregion Nordwest richtet sich dieses Förderprogramm, das bis hin zu 80 Prozent der Anschaffungskosten eines Rades bezuschusst, wenn es mit einem E-Motor ausgestattet ist und mindestens 125 Kilo tragen kann – ähnlich wie im Bundesprogramm.
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Social Media, Teilzeit, Work-Life-Balance – wer im Handwerk Erfolg haben will, muss mit der Zeit gehen, davon ist Thomas Kurzke überzeugt. Der Unternehmenslenker feiert in diesem Jahr 100-jähriges Bestehen seines Betriebs und engagiert sich zudem als Präses der Handwerkskammer Bremen für eine Modernisierung in der Branche.
Mehr erfahrenSeit 2018 setzen die Themenjahre in Bremen innovative Impulse für Stadtmarketing und regionale Wirtschaftsförderung. Sie stärken den Tourismus in der Hansestadt und fördern vielseitige Kooperationen. WFB-Projektleiterin Kristina Brandstädter weiß, was das Bremer Modell erfolgreich macht und welche Ansätze andere Städte nutzen können.
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