Velo Lab: Mit neuer Manufaktur im Lastenrad-Boom
InternationalesHandgefertigte Cargo-, City-, und Gravelbikes in der Überseestadt
Lastenräder boomen – wie etwa beim Bremer Hersteller Velo-Lab. Mit neuer Produktionsstätte in der Überseestadt und innovativen Drahteseln trifft Gründer Stathis Stasinopoulos genau den Zeitgeist. Eine Testfahrt.
Die erste Runde auf dem Cargobike ist ungewohnt – das Vorderrad einen knappen Meter vor der Lenkstange verändert das Lenkverhalten spürbar. Aber schon nach wenigen Metern ist das Manövrieren kein Problem mehr und statt zu wackeln, gleite ich dahin. Auch dank des kleinen Elektromotors, der das Hinterrad sanft antreibt. Vor mir: eine geräumige Ladefläche, ausreichend für den Wocheneinkauf inklusive Getränkekiste. Mit ein wenig vorausschauender Fahrweise ist der Unterschied zum normalen Fahrrad nicht mehr weit.
Velo-Lab Bestseller: Modell „Kàro“
Der E-Motor ist beim Bremer Hersteller optional, wer ganz auf seine eigenen organischen Antriebseinheiten setzt, nimmt das Modell „Kàro“ in Standardausführung. Und kauft damit das leichteste Lastenrad der Welt, mit nur 18 Kilogramm Leergewicht ohne Zubehör – manche Hollandräder bringen mehr auf die Waage. Das macht sich besonders auf Langstrecken bemerkbar.
Das angenehme Fahrgefühl verdankt das Bremer Zweirad unter anderem einem Aluminium-Leichtgewichtrahmen sowie einem patentierten Lenksystem, das auf Bowden-Seilzüge statt einer klobigen Lenkstange setzt. Mit diesem cleveren System lenkt das Rad deutlich weiter ein als die Konkurrenz, da sich Lenkstangen im Gegensatz zu Seilzügen nicht so weit einschlagen lassen – „Kàro“ ist wendig wie ein Aal.
Die Ladefläche ist in zwei Ausführungen erhältlich, die große trägt locker zwei Bierkästen. Und alles wird in Handarbeit gefertigt, mitten in der Bremer Überseestadt.
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Ein Grieche in Norddeutschland
Verantwortlich dafür sind Stathis Stasinopoulos und Jap Kellner. Der Grieche kam 2017 nach Bremen. Griechenlandkrise und das fahrradunfreundliche Athen trieben den Ingenieur an die Weser. Damals hatte er schon erste Fahrräder konstruiert: Sein erster Prototyp erblickte 2012 das Licht der Welt.
2014 präsentierte Stasinopoulos dann sein weiterentwickeltes Modell erstmals auf der Eurobike in Friedrichshafen. Auf Europas größter Fahrradmesse hatte er nur einen kleinen, selbstgebauten Stand und übernachtete im Wohnwagen auf dem Parkplatz. „Aber mein Modell hat überzeugt. Ein bequemes Klapprad, das auch noch schick aussieht, war selten. Ich hatte gleich viele Interessenten aus Deutschland, Großbritannien, Schweiz, Frankreich und Spanien“, sagt Stasinopoulos.
Ein Freund arbeitete damals als Schiffsmakler in Bremen – durch ihn lernte er die Stadt an der Weser kennen und lieben. „Bremen ist eine hervorragende Stadt für Fahrradliebhaber. Außerdem kann man von hier aus die Märkte und Messen in Deutschland, den Niederlanden, Dänemark, Italien und Großbritannien bedienen“, begründet Stasinopoulos seine Entscheidung, 2017 in die Hansestadt auszuwandern.
In Bremen tat er sich mit Jap Kellner zusammen. Der Ingenieur für Bekleidungstechnik ist selbst ein Fahrradnarr und legt auch morgens schon mal 40 Kilometer Arbeitsweg nach Bremen ins Büro zurück. Nur, wenn es plärrend regnet, lässt er das Zweirad stehen – und das auch eher unwillig. Die beiden Gleichgesinnten fanden sich durch Zufall. Den Tipp, sich bei Stasinopoulos nach einem Job zu erkundigen, bekam Kellner von seiner Schwägerin – die in Griechenland auf die gleiche Schule ging wie Stasinopoulos' Frau. Ein Glücksfall für beide Geschäftspartner.
Kreatives Umfeld in der Bremer Überseestadt
Kellner kümmert sich heute hauptsächlich um den Vertrieb und besucht Fahrradläden, die die Velo-Lab-Bikes verkaufen wollen, Stasinopoulos entwirft neue Modelle und optimiert den Betrieb.
Der ist in den vergangenen Jahren deutlich gewachsen. Zweimal zogen die beiden bereits innerhalb von Bremen um in eine größere Werkstatt, zuletzt in die Bremer Überseestadt. „Wir mögen die Chemie, speziell hier auf der Überseeinsel“, sagt Kellner. Die Überseeinsel ist ein Stadtentwicklungsprojekt innerhalb der Bremer Überseestadt, in dem Investor Klaus Meier ein neues Quartier errichtet, das mit einem Mix aus Wohnen, Arbeiten und Leben allen Bevölkerungsgruppen offen stehen soll.
Neben den beiden Geschäftspartnern arbeiten mittlerweile zwölf Angestellte in der 450-Quadratmeter-Werkstatt, die mit einem kleinen Showroom inklusive Bike-Café aufwartet. „Der Standort hier ist ideal für uns. Hier im Haus befinden sich Ateliers und Handwerksbetriebe, wir haben bereits Fachkräfte über die Gemeinschaft hier gewinnen können“, so Kellner weiter.
Unterstützung beim Start in das eigene Unternehmen erhielt der Grieche von der WFB Wirtschaftsförderung Bremen GmbH – die auch seitdem in engem Austausch mit dem aufstrebenden Fahrradbauer steht und etwa bei der Suche nach neuen Gewerberäumen unterstützt.
Nachhaltigkeit schon bei der Fahrradproduktion
Zwischen 100 und 300 Fahrräder wollen sie dieses Jahr fertigen. Neben Lastenrädern in vielen Varianten hat Velo-Lab auch noch ein Faltbike, ein Cityrad und – ganz neu – ein Gravelbike im Angebot. Mit seinem unlackierten Edelstahlrahmen sticht letzteres aus der Masse heraus und zeigt etwa die fachmännisch ausgeführten und beinahe kunstvoll anmutenden Edelstahlschweißnähte. „So gut wie unsere Schweißer könnte ich das niemals“, ist auch Kellner von der handwerklichen Qualität immer wieder selbst beeindruckt.
Großen Wert legen die beiden Fahrradenthusiasten dabei immer auf Nachhaltigkeit. „Unser Aluminium kommt aus Griechenland und gegenüber dem asiatischen um zwei Drittel niedrige C02-Emissionen“, erklärt Stasinopoulos. Das Holz für die Ladeflächen der Cargobikes oder Zubehör stammt von Weltholz aus Bremen. Der Holzhändler hat sich ganz der nachhaltigen Holzwirtschaft verschrieben.
Lange Wartelisten auf dem Lastenradmarkt
Wer jetzt direkt ein Lastenrad von Velo-Lab kaufen möchte, muss sich noch etwas gedulden. „Wir haben täglich drei bis vier Anfragen. Zudem spüren wir die Rohstoffengpässe auf den Weltmärkten, besonders bei Komponenten wie Bremsen oder Schaltungen“, so Kellner.
Lastenräder erfreuen sich seit Jahren steigender Beliebtheit. 2020 wurden laut ZIV (Zweirad-Industrie-Verband) über 100.000 Lastenräder in Deutschland verkauft – bei elektrischen Lastenrädern sind es 43 Prozent mehr als im Vorjahr. Produziert wird meist von kleinen und mittleren Unternehmen wie Velo-Lab. „Es gibt viele Newcomer am Markt. Wir sind immer noch recht klein und agil und können so gut kleine Kontingente abgreifen, eine Nische finden“, bestätigt auch Stasinopoulos.
Statt kaufen hilft aktuell also nur reinschnuppern: Mit Voranmeldung ermöglicht Velo-Lab Probefahrten entweder direkt im Showroom oder beim Fahrradhandel. „Wir verkaufen unsere Räder über Händlerinnen und Händler in vielen Teilen Deutschlands. Nur dort, wo wir keinen Vertrieb haben, versenden wir ab Werk. So wollen wir den lokalen Handel unterstützen“, so Kellner.
In Bremen übernimmt etwa der Händler Sønstebys und conRAD den Vertrieb.
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