Logistikjobs der Zukunft - der Blick voraus auf die Arbeitswelt von morgen
Maritime Wirtschaft und LogistikIm Land Bremen arbeiten in rund 1.300 Unternehmen mindestens 40.000 Menschen in der maritimen Wirtschaft. Zusätzlich sind zahlreiche, indirekt hafenabhängige Beschäftigte an der Weiterverarbeitung und am Transport beteiligt. Somit geben die bremischen Häfen mindestens 74.000 Menschen Arbeit. Doch wie sieht diese Arbeit in den nächsten 10 bis 15 Jahren aus?
Ob die digitalisierte Wirtschaft nun Jobmotor der Zukunft oder eher zu weitreichenden Arbeitsplatzverlusten durch Automatisierung und der Verbreitung prekärer Beschäftigungsverhältnisse führt, darüber lässt sich je nach Studienlage und abhängig vom Berufsfeld ganz unterschiedlich urteilen. Eine Möglichkeit herauszufinden, wie digitale Technologien die eigene Arbeitswelt verändern können, bietet zum Beispiel der Job Futoromat des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung.
Am Beispiel des Jobs Berufskraftfahrer:in wären Stand heute nur 17 Prozent der Kerntätigkeiten automatisierbar. Einst König der Straße, sind die Tage am Steuer der derzeit mehr als einer halben Millionen deutschen LKW-Fahrer:innen meist geprägt von Stress, mangelnder Wertschätzung und schwierigen Arbeitsbedingungen. Dazu kommt die heutige Marktsituation. Heiß begehrt, doch schlecht behandelt - mehrere zehntausend Fahrer:innen, die ohne feste Arbeitszeiten und bei niedrigem Lohn Waren durch die Welt fahren wollen fehlen aktuell, Tendenz steigend. Ein Fünftel der Stellen sind bereits jetzt nicht besetzt, allein in Deutschland könnten bis 2027 185.000 offene Stelle frei bleiben laut Bundesverkehrsministerium.
Wie autonome LKW das Berufsbild der Kraftfahrer:innen verändern
Doch wie sieht dies weitere Jahre später aus? Wann machen autonome Lastwagen den Menschen arbeitslos? Das hat Parth Vaishnav, Assistant Professor für Sustainable Systems und Climate + Energy der Universität Michigan untersucht. Mit einem Forschendenteam hat er errechnet, dass bis zu 500.000 LKW-Fahrer:innen in den USA überflüssig werden könnten. Zugrunde liegt ein Modell, bei dem Frachten bei Langstreckenfahrten zwischen sogenannten „Hubs“ von autonomen LKW übernommen werden, während komplexere Kurzstreckenfahrten in Innenstädte oder an die letztendliche Zieldestination dem Menschen überlassen werden. 94 Prozent der Fahrten sind damit grundsätzlich automatisierbar. Das hat für viele Fahrer:innen Vorteile, denn monotone Autobahnfahrten fallen für sie weg und sie haben die Möglichkeit, abends zu ihrem Wohnsitz zurückzukehren. Die autonome Zukunft hat somit sowohl Vorteile als auch Schattenseiten.
Logistikunternehmen machen sich zukunftsfähig
Wie auch immer sich die Zukunft des Berufskraftfahrers entwickelt, Logistikunternehmen müssen sich darauf einstellen. Dazu müssen sie Arbeitsabläufe neu denken: Ein Beispiel dafür ist das interaktive Foresight-Format „24 Stunden Zukunft“ des Digital Hub Logistics Hamburg und des Bremer Beratungsunternehmens ProLog Innovation. Anhand ausgewählter Alltagssituation wird dabei die Arbeitswelt von übermorgen wünschenswert, partizipativ und greifbar gestaltet. Ein Einblick zum kurzen Auftakt des Formats findet sich hier:
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„Unser 24 Stunden-Zukunft-Format ermöglicht für alle Prozessbeteiligten eine Abkehr vom Verständnis Zukunft rein als Ergebnis wirtschaftlicher Notwendigkeit und technischer Möglichkeiten zu sehen, hin zu konkreten, wünschenswerten Zielbildern. Denn Zukunft sollte in erster Linie das sein, was wir daraus machen wollen. Eine Vision für die Logistik, an und in der es sich zu arbeiten lohnt“, resümiert Aileen Schmuck, Innovationsmanagerin beim Digital Hub Logistics Hamburg über das Zukunftsformat.
PortSkill 4.0 – wie die Hafenarbeit der Zukunft aussieht
Mit der Veränderung von Jobs in der Logistik beschäftigt sich auch das Projekt PortSkill 4.0. In dessen Rahmen werden Kompetenzprofile und Berufsbilder für die neue Hafenarbeit der Zukunft entwickelt und mit Lerninhalten untersetzt. „Im Rahmen der Digitalisierung und Automatisierung werden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Zukunft weitergehende Qualifikationen benötigen“, so Thomas Lührs, Projektleiter.
Im letzten Jahr wurden in Bremen zudem die Branchendialoge Logistik erstmalig organisiert. Vertreterinnen und Vertreter von Gewerkschaften, Arbeitgeberverbänden, der Kammern und der Unternehmen arbeiteten gemeinsam mit dem Wirtschafts- und Arbeitsressort an neuen Ideen für die Zukunft der Logistik.
„Diese wurden aufgesetzt, um gemeinsam mit den Sozialpartner:innen herauszufinden, welche Personalbedarfe in den nächsten Jahren entstehen werden, und wie wir den Arbeitskräftebedarf decken können“, so Kai Stührenberg, Bremens Staatsrat für Arbeit der Senatorin für Wirtschaft, Arbeit und Europa.
Für Ulrike Riedel, Mitglied des Vorstands und Arbeitsdirektorin der BLG Logistics Group und Teilnehmerin des Branchendialogs steht dabei im Hinblick auf die Zukunft der Arbeit in der Logistik fest: „Engagierte und gut qualifizierte Mitarbeitende sind heute aber auch in Zukunft der Schlüssel für ein erfolgreiches Unternehmen. Neben der Automatisierung und Digitalisierung werden wir immer Menschen brauchen, die die Prozesse steuern, die die Kundenanforderungen im Blick haben, die die Logistik planen und die Lieferketten am Laufen halten.“
Der Branchendialog Logistik wird in diesem Jahr fortgesetzt. Dazu stellt Kai Stührenberg in Aussicht: „Im weiteren Schritt muss es nun darum gehen, etwas tiefer einzusteigen und mit den Verbänden und Unternehmen an konkreten Themen, wie zum Beispiel Familienfreundlichkeit, Arbeitszeitmodelle, Flexibilisierung, Gendergerechtigkeit, Qualifizierung und Definition von Future Skills zu arbeiten. Geplant sind dazu branchenspezifische Workshops zu den einzelnen Themen.“
Wie Unternehmen in der Logistik und maritimen Wirtschaft sich mit Zukunftsprozessen befassen
Sven Hermann, New-Work-Experte und Professor für Logistik und Supply Chain Management, der auch den Branchendialog im letzten Jahr moderiert und konzeptionell begleitet hat, bringt die Aufgaben und Kompetenzen von morgen auf den Punkt: „Weniger Routinen, mehr analytisches Denken und menschliche Interaktion werden zukünftig gefragt sein. Dazu entstehen aus den Herausforderungen der nachhaltigen und digitalen Transformationen fortwährend neue Jobs, während manche ersatzlos verschwinden werden.“
Der Professor beschäftigt sich aktuell sehr intensiv mit den Themen Foresight und Future Work in der Logistik. „Die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Arbeitswelt können zielführend und vorausschauend nur diskutiert werden, wenn wir in partizipativen Prozessen dazu Zukunftsszenarien entwickeln und uns dabei fragen, welche technologischen und gesellschaftlichen Entwicklungen in den kommenden Jahren möglich, machbar und vor allem für uns wünschenswert sind“, so Hermann und ergänzt: „Foresight heißt methodisch einen systematischen Blick in die Zukunft zu werfen, um so in der Gegenwart vorausschauend Entscheidungen für Maßnahmen mit längerem Zeithorizont abzuleiten. Die große Kraft des gemeinsamen Vorausschauens im Unternehmen oder für die ganze Branche liegt in Entwicklung eines gemeinsamen Zielbilds, einer Vision auf die es sich unter Beachtung möglicher alternativer Szenarien im Hinblick aufkommende Jobprofile, Future Skills sowie neue Ausbildungs- und Qualifizierungsformen zusammen zusteuern lässt“.
Anlässlich des Tags der Logistik findet am 21. April 2022 eine Online-Diskussionsrunde zum Thema Zukunft der Ausbildung, der Veränderung von Berufen, Ausbildungsmarketing und Nachwuchsgewinnung in der Logistik statt. Mehr dazu hier.
Um die Bedeutung neuer Jobprofile wie des Nachhaltigkeitsmanagers in der Logistik geht es unter anderem eine Woche später am 27. April im nächsten Online-Hafenclub der BHV Bremischen Hafen- und Logistikvertretung in Kooperation mit dem Verein LogistikLotsen für die Metropolregion Nordwest. Weiteres zur Veranstaltung findet sich hier.
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