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20.7.2017 - Nina Svensson

Offshore-Windenergie: Bremen goes East, Taiwan goes West

Internationales

Taiwanesische Expertendelegation zu Besuch in Bremen

Taiwan steht in Sachen Windenergie da, wo Bremen vor rund 15 Jahren war. Ein Grund mehr, warum Bremen ein idealer Begleiter beim Ausbau der taiwanesischen Offshore-Windenergie ist.
Taiwan steht in Sachen Windenergie da, wo Bremen vor rund 15 Jahren war. Ein Grund mehr, warum Bremen ein idealer Begleiter beim Ausbau der taiwanesischen Offshore-Windenergie ist. © WFB/Frank Pusch

Eine relativ geringe Meerestiefe, aber viel Wind: Die Formosa-Straße vor Taiwans Westküste ist für die Installation von Offshore-Windkraftanlage gut geeignet. Der kleine Inselstaat vor der Küste Chinas will dieses Potenzial jetzt nutzen – onshore hat Taiwan bereits rund 350 Windkraftanlagen installiert, offshore wurden im April 2017 die ersten zwei Testanlagen in Betrieb genommen. 2025 soll 20 Prozent der Energie Taiwans aus erneuerbaren Energien kommen. Um dieses Ziel zu erreichen, intensiviert Taiwan den Austausch mit der Bremer Windkraftbranche.

Mitte Mai 2017 war eine hochrangige Expertendelegation aus der taiwanesischen Offshore-Windbranche auf Einladung des Senators für Wirtschaft, Arbeit und Häfen sowie der WFB Wirtschaftsförderung Bremen GmbH zu Besuch und informierte sich bei Bremer und Bremerhavener Unternehmen und Institutionen aus der Windkraftbranche. Die beteiligten Unternehmen deckten die gesamte Wertschöpfungskette ab: Von der Projektentwicklung über Engineering, Anlagenbau und Installation bis zum Betrieb. Die Taiwanesen zeigten sich bei den Unternehmensbesuchen beeindruckt, bei manchen Antworten auf ihre Fragen überrascht – und erfreut über die konkreten und kompetenten Informationen ihrer deutschen Kollegen.

Jin-Sheng Su, Secretary General, Bureau of Energy, Ministry of Economic Affairs (BOE, MOEA), Taiwan
Jin-Sheng Su, Secretary General, Bureau of Energy, Ministry of Economic Affairs (BOE, MOEA), Taiwan © WFB/Frank Pusch

Nachdem die Delegation offiziell von Wirtschaftssenator Martin Günthner im Rathaus, von der Handelskammer Bremen im Schütting sowie von der WFB empfangen wurde, besuchte sie im weiteren Verlauf ihres Aufenthalts u.a. den Windkraftanlagenhersteller Senvion sowie das Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik (IWES) in Bremerhaven. Weiterhin kamen die taiwanesischen mit deutschen Offshore-Windenergieexperten auf Einladung der WAB Windenergie Agentur zu einem Workshop im Klimahaus Bremerhaven zusammen, bei dem sich die Standorte Bremen und Taiwan vorstellten und zudem Schnittstellen für mögliche gemeinsame Aktivitäten in der Offshore-Windenergie ausloteten.

Wir stehen noch ganz am Anfang unserer Offshore-Entwicklung, aber wir haben die Kapazitäten und den Spirit, diese voran zu bringen. Darum sind wir hier.

                                                                                                                                                                                                                               Jin-Sheng Su, Secretary General, Bureau of Energy, Ministry of Economic Affairs (BOE, MOEA)

Andreas Wellbrock, Geschäftsführer der Windenergie-Agentur WAB e.V., stellte das führende Unternehmensnetzwerk für Windenergie im Nordwesten Deutschlands vor, dem Verein gehören mehr als 350 Unternehmen entlang der gesamten Wertschöpfungskette der Windenergiebranche an. Wellbrock machte deutlich, wo Deutschland in Sachen Offshore-Windenergie vor 15 Jahren stand. „Wir hatten damals noch keine Offshore-Anlage, nur eine Vision“, sagte Wellbrock. Damals sei die WAB gegründet worden, um alle Pioniere zusammen und die Offshore-Windenergie voran zu bringen. 2010 seien dann die ersten Windenergiekraftanlagen für Alpha Ventus installiert worden. „Das fühlte sich für uns an wie die erste Mondlandung.“

Seitdem hat sich viel getan, 2015 waren laut Wellbrock bereits mehr als 20.000 Menschen für die deutsche Offshore-Windenergiebranche tätig. Zum Beispiel für Unternehmen wie bremenports, Deutsche Offshore Consult GmbH, Falck Safety Services, IMS Nord, ONP Management oder Siem Offshore Contractors GmbH, die – neben weiteren deutschen Unternehmen – an dem Workshop teilnahmen.

Angeregter Austausch im Klimahaus Bremerhaven, am Mikrofon Yang Li-Terng
Angeregter Austausch im Klimahaus Bremerhaven, am Mikrofon Yang Li-Terng (Erster Wirtschaftssekretär, Wirtschaftsabteilung, Taipeh Vertretung in der Bundesrepublik Deutschland) © WFB/Frank Pusch

wpd windmanager: Seit mehr als 10 Jahren in Taiwan aktiv

Einer von ihnen war Henning Rüpke, Leiter Technisches Management International / Vertrieb bei der wpd windmanager GmbH & Co. KG in Bremen. Seit 2005 ist wpd mit der Infravest Energy Co. Ltd. In Taiwan aktiv. 2016 hat wpd Infravest übernommen und firmiert mit inzwischen 70 Mitarbeitern als wpd Taiwan Energy Co. Ltd. wpd windmanager hat in Taiwan die technische Betriebsführung für insgesamt 143 Onshore-Windkraftanlagen mit einer Gesamtleistung von 325 Megawatt inne, das ist fast die Hälfte aller Anlagen in Taiwan. Die Leistungen will wpd nun weiter ausbauen und auf den Offshore-Bereich erweitern.

Henning Rüpke sieht mehrere Vorteile, die die langjährigen Erfahrungen mit sich gebracht haben. „Wir arbeiten in Taiwan bereits eng mit dem Anlagenhersteller Enercon zusammen, haben zum Beispiel ein gemeinsames Servicekonzept. Auf der Insel gibt es nicht so viele Alternativen, darum rückt man dort enger zusammen und hilft sich gegenseitig“, sagt Rüpke. „Dadurch dass wir eine Sprache sprechen, finden wir schnell und effektiv Lösungen.“

Wir sind erfahren mit Schäden durch Taifune, mit der salzhaltigen Luft und mit dem elektrischen Standard, der ganz anders ist als in Europa. Auf diese Erfahrungen können wir auch beim Ausbau der Offshore-Windkraftanlagen aufbauen.

                                                                                                                                                                                                                  Henning Rüpke, Leiter Technisches Management International / Vertrieb, wpd windmanager GmbH & Co. KG.

Schließlich hat wpd nicht nur Erfahrung in Taiwan, sondern ist weltweit als Entwickler und Betreiber von On- und Offshore-Windparks in insgesamt 18 Ländern aktiv. Darum lud Achim Berge Olsen, Geschäftsführer der wpd offshore GmbH, die taiwanesische Delegation ein, mit dem Schiff das Nearshore-Projekt Nordergründe zu besichtigen. wpd ist derzeit dabei, den Windpark ans Netz zu bringen. Das erste wpd-offshore-Projekt war Baltic 1, das 2008 baureif an den Enegieversorger EnBW veräußert wurde. 2015 hat wpd das 80-Anlagen-Projekt Butendiek abgeschlossen.

Taiwanesische Delegierte und Unternehmern aus Bremen und Bremerhaven im Workshop
In der moderierten Runde mit taiwanesischen Delegierten und Unternehmern aus Bremen und Bremerhaven wurden bereits erste Schnittstellen für eine Zusammenarbeit sichtbar. © WFB/Frank Pusch

Taiwan: Strategie zum Ausbau der Offshore-Windenergie

Viel Know-how und Erfahrung also, das in Taiwan dringend gebraucht wird. Heute werden 4 Prozent der in Taiwan benötigten Elektrizität aus Erneuerbaren Energien gewonnen. 2025 sollen es 20 Prozent sein, 50 Prozent sollen dann aus Flüssiggas (LNG) und 30 Prozent aus Kohle gewonnen werden. Auf dem Weg dorthin hat Taiwans Regierung eine Strategie mit mehreren Phasen entwickelt, Phase 1 ist der Bau von drei kleineren Windparks als Pilotprojekte vor der Westküste Taiwans: Formosa Wind Power, Fuhai Wind Farm und Taiwan Power Co. (Taipower). Installiert werden jeweils rund 30 Windkraftanlagen in einer Wassertiefe zwischen 15 und 45 Metern. Die Gesamtleistung beträgt rund 350 MW, ab 2020 sollen die Windparks Strom ans Netz liefern. In den darauffolgenden Phasen sollen bis 2025 mindestens 3 GW installierte Kapazität und auch darüber hinaus weitere Windparks realisiert werden.

Der Bedarf insbesondere an Beratungsleistungen scheint groß. Bis 2020 will Taiwan eine Basisinfrastruktur einrichten wie etwa im Hafen von Taichung für schwere Lasten und Spezialausrüstungen. Dadurch, im Bereich der Planung der Windparks und auch im weiteren Verlauf der Entwicklung wird die Nachfrage nach weiteren Techniken und Dienstleistungen steigen. Gefragt sind beispielsweise Ausrüstungen zum Bau von Fundamenten, Spezialschiffe zur Installation der Windtürmen und -turbinen und nicht zuletzt Personal zur Einrichtung, Betrieb und Wartung der Anlagen.

Beim Workshop im Klimahaus wurde deutlich, dass Bremen Taiwan in allen Punkten unterstützen kann. Beispiel Hafenentwicklung: Was braucht ein Hafen für die Offshore-Windkraftindustrie? Tiefgang, Befestigungen, Schwerlastkais, Kräne, Sicherheit, Fachkräfte, Erreichbarkeit für die Mitarbeiter – all das sind Fragen, auf Unternehmen aus dem Land Bremen eine Antwort haben.

Gruppenfoto Delegation
Sightseeing in Bremen zwischen Rathaus und Schütting – auch das gehörte zum Programm der Delegationsreise. © WFB/Frank Pusch

Taiwan hat neben dem eigentlichen Bau mit weiteren Herausforderungen zu kämpfen, wie zum Beispiel mit Erdbeben und Taifunen sowie dem Schutz der weißen Delfine. Auch da können die Erfahrungen der Bremer Unternehmen zum Schutz der hiesigen Schweinswale eine Hilfe sein. So zeigten sich die Taiwanesen äußerst interessiert an den Möglichkeiten, die Monopiles oder Tripoden möglichst leise im Meeresboden zu verankern – und sie waren überrascht zu hören, dass die Fischbestände rund um die Offshore-Windparks wieder deutlich zugenommen haben, da dort die Fischerei verboten ist und die Fische einen entsprechend „sicheren“ Lebensraum haben.

Rückenwind für die deutsch-taiwanesische Zusammenarbeit

Der Besuch war das Ergebnis intensiver Bemühungen und Vorbereitungen der WFB und des Senators für Wirtschaft, Arbeit und Häfen. Erste Impulse setzte die Veranstaltung „Offshore-Windenergie in Ostasien“ des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie, die im Oktober 2015 auf Veranlassung der WFB in Bremen stattfand. Konkreter wurden die Bemühungen dann ein Jahr später, als eine Bremer Delegation unter der Leitung von Wirtschaftssenator Martin Günthner nach Taiwan reiste. „Die Resonanz war auf beiden Seiten großartig“, sagt Matthias Hempen von der WFB. „Taiwan steht mit seinem Ziel, dem ,1000 Windturbinen Projekt‘, dort, wo die deutsche Offshore-Industrie vor etwa 15 Jahren war. Taiwan kann von unserer Offshore-Kompetenz profitieren, um seine Ziele besser zu realisieren. Hieraus ergeben sich gute Geschäftsmöglichkeiten für unsere Unternehmen.“

Für die WFB und das Wirtschaftsressort gilt es, die Unternehmen beider Länder enger zusammen zu bringen und die taiwanesischen Unternehmer*innen vor Ort von der regionalen Kompetenz in Bremen zu überzeugen. Darum reiste eine kleine Bremer Delegation im April 2017 auf Einladung taiwanesischer Unternehmen erneut nach Taiwan, erhöhte damit das Vertrauen und nutzte gleichzeitig die Chance, den Besuch der Taiwanesischen Delegation einen Monat später vorzubereiten. Welchen Unternehmen gilt das Interesse? Wie sollte das Rahmenprogramm sein, um in kein interkulturelles Fettnäpfchen zu treten? Welche Sitzordnung bringt die passenden Teilnehmenden zusammen? Auch das sind wichtige Bausteine auf dem Weg zu gemeinsamen Engagement für Taiwans Windenergie.


Weitere Informationen über die Windkraft-Kompetenzen im Land Bremen erhalten Sie bei Dieter Voß, Clustermanager Windenergie, Tel. 0421 361-32175, dieter.voss@wah.bremen.de und hier.


Für Informationen und Kontakte für das Engagement deutscher Unternehmen in Asien (insbesondere China) sowie chinesischer Unternehmen in Bremen ist Matthias Hempen Ihr Ansprechpartner bei der WFB. T 0421 9600 127, matthias.hempen@wfb-bremen.de

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