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1.9.2022 - Mona Fendri

Topsharing bei der WFB: Wie sich zwei Führungskräfte die Teamleitung teilen

Über uns

„Es ist Zeit, dass sich das Modell „Topsharing“ in den Köpfen der Arbeitnehmer:innen und -geber:innen durchsetzt“

Zwei Frauen sitzen im Büro und gucken auf einen Bildschirm
Sarah Mothes (links) und Cornelia Getta (rechts) teilen sich die Teamleitung „Service & Produktmanagement“ in der Tourismusabteilung der WFB © WFB / Fendri

Work-Life-Balance, Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Fachkräftemangel … Der Arbeitsmarkt befindet sich im Wandel, was wiederum zu alternativen Arbeitszeitmodellen führt. In Deutschland ist das Recht auf Teilzeitarbeit bereits seit 2001 gesetzlich verankert und auch „Jobsharing“ – das Teilen einer Stelle – wird immer beliebter. Auch auf Führungsebene.

„Topsharing“ – so heißt das Teilen einer Managementposition – kann viele Vorteile mit sich bringen: Es erhöht die Chancengleichheit zwischen Männern und Frauen, ermöglicht eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf und kann dazu beitragen, den Fachkräftemangel zu reduzieren. Doch funktioniert ein solches Modell auch im Arbeitsalltag? Kann es klappen, wenn zwei Führungskräfte mit unterschiedlichen Persönlichkeiten und Führungsstil sich eine Position und ein Team teilen? „Ja“, sagen Sarah Mothes und Cornelia Getta. Die beiden Frauen teilen sich die Teamleitung „Service & Produktmanagement“ in der Tourismusabteilung der WFB Wirtschaftsförderung Bremen GmbH.

Aus der Vollzeitleitung in die geteilte Leitung

Bereits seit 2006 ist Cornelia Getta als Teamleiterin in der Tourismusabteilung der WFB – ehemals BTZ Bremer Touristik-Zentrale – tätig. Angefangen hat sie ganz klassisch als Vollzeitführungskraft. Als sie 2012 schwanger wurde, besetzte Sarah Mothes ihre Vollzeitposition als Elternzeitvertretung. Nach ihrer Rückkehr übernahm Getta Projektaufgaben in Teilzeit, Mothes behielt die Teamleitung. Doch als auch sie sich in die Elternzeit verabschiedete, wurde für beide klar, dass sie sich künftig die Teamleitung teilen würden. „Wir stellten unsere Planung der Geschäftsleitung vor, die unserem Vorschlag zustimmte. Seit meiner Rückkehr aus der Elternzeit im Jahr 2017 teilen wir uns die Leitung fifty-fifty“, erinnert sich Sarah Mothes. Und Cornelia Getta ergänzt: „Es war erfreulicherweise weniger Überzeugungsarbeit zu leisten als gedacht.“

Und so begann das Experiment. Dabei erwies es sich als großer Vorteil, dass beide Führungskräfte die Stelle bereits in Vollzeit besetzt hatten und dementsprechend die Aufgaben und die Anforderungen sehr gut kannten. Wohlwissend, wo die Stärken und Interessen jeder Einzelnen lagen, konnten sie sich die Aufgaben schnell und unkompliziert aufteilen. Darüber hinaus legten sie gemeinsame Themenschwerpunkte fest. Personelle Entscheidungen treffen die beiden zum Beispiel immer zusammen.

„Vertrauen, Loyalität und ein Arbeiten auf Augenhöhe“

Im Arbeitsalltag ziehen die zwei Führungskräfte klare Grenzen bei der Arbeitsaufteilung. Die Themenschwerpunkte sind definiert, jede hat die volle Entscheidungsmacht in ihrem speziellen Bereich. In Vertretung kann die eine für die andere aber ebenfalls Entscheidungen treffen, da die Arbeitsbereiche beiden bekannt sind. Damit dies reibungslos funktioniert, spielen Respekt und Vertrauen eine entscheidende Rolle. „Die Chemie zwischen den beiden Personen muss stimmen“, erklärt Mothes. „Die Charaktere können ruhig unterschiedlich sein. Das kann sogar von Vorteil sein, um sich in bestimmten Bereichen zu ergänzen, die Basis muss aber stimmen. Dazu gehören auch Vertrauen, Loyalität und ein Arbeiten auf Augenhöhe. Arbeitet man gegeneinander statt miteinander, kann das Modell nicht funktionieren.“

Auch wenn jede ihre eigenen Aufgaben hat, können sie sich aufeinander verlassen. Gerade in Urlaubssituationen oder bei Krankheitsausfällen ist durch eine geteilte Position die Vertretungsfrage automatisch geklärt. Die Teammitglieder und externen Partner:innen haben immer eine Ansprechperson auf Führungsebene, an die sie sich wenden können. Auch für die Teamleiterinnen selbst liegen die Vorteile dabei auf der Hand. „Man kann mit ruhigem Gewissen ausspannen, es gibt ja ein ‚Back-up‘“, erklärt Getta. „Man hat nicht die übliche Aufholjagd der unerledigten Aufgaben nach dem Urlaub.“

Im allgemeinen Arbeitsalltag sieht das Führungsduo ebenfalls erhebliche Vorteile in diesem Arbeitszeitmodell. „Ich schätze es sehr, dass es eine Person gibt, mit der man sich bei ‚heiklen‘ Themen oder Fragestellungen austauschen kann, und die dann in derselben Verantwortung steht“, so Getta weiter. „Man diskutiert Dinge vor demselben Hintergrund und aus derselben Situation und Position heraus. Dies ist sicher auch ein positiver Beitrag, um die richtige Entscheidung zu treffen oder verschiedene Sichtweisen zu berücksichtigen.“

Eine Frau lächelt
Ein vertrauensvolles Miteinander und eine gute Kommunikation sind sehr wichtig beim Topsharing © WFB / Fendri

Kommunikation im Team

Doch wie gehen die Teammitglieder mit der geteilten Leitung um? „Ich glaube, am Anfang war die Erleichterung groß, dass die Teamleitung wieder verstärkt war, verbunden mit einer gewissen verständlichen Skepsis, ob das so funktioniert. Auch wenn sich alle erst einmal an die Situation gewöhnen mussten, setzte sich die Aufteilung unserer Schwerpunkte schnell durch,“ erläutert Getta. Durch die klare Aufgabenstruktur wissen die Mitarbeitenden, welche der beiden Führungskräfte sie zu welchem Thema ansprechen können. „Grundsätzlich mussten alle lernen, wo jeweils unsere Schwerpunkte liegen, auch die Leistungsträger wie Hotels, Guides und andere. Schließlich waren wir beide bekannt und ‚wieder da‘“, erklärt Getta weiter.

Richtig und effektiv kommunizieren – das ist bei einer geteilten Position auch untereinander besonders wichtig. Die beiden Führungskräfte mussten eine Balance finden, welche Informationen sie miteinander teilen und welche nicht. Mit dem Team gibt es zwar eine wöchentliche Runde, damit alle auf dem aktuellen Stand sind, doch untereinander haben Mothes und Getta keine regelmäßigen Austauschtermine und kommunizieren anlassbezogen zu bestimmten Themen.

Topsharing fördert die Vereinbarkeit von Beruf und Familie von Führungskräften

Das Modell des Co-Leaderships eignet sich hervorragend für Führungskräfte, die Beruf und Familie unter einen Hut bringen wollen. Dabei handelt es sich oftmals um Mütter, die durch solche Teilzeitmodelle bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt erhalten und dementsprechend leichter in Führungspositionen kommen können, was wiederum dem Fachkräftemangel entgegenwirken kann. Eine Studie des Bundesfamilienministeriums gibt an, dass mehr als 1,5 Millionen Stellen in Deutschland von Müttern mit Kindern unter 16 Jahren besetzt werden könnten, wenn es leichter wäre, Beruf und Familie zu vereinbaren.

Dies bestätigt auch Sarah Mothes: „Uns beiden hat es die Möglichkeit geboten, auch in einer Führungsposition Familie und Beruf miteinander zu verbinden.“ Leider kämen noch immer Mitarbeiter:innen an den Punkt, an dem sie sich für eine Familie oder eine Karriere entscheiden müssten, erklärt sie weiter. „Arbeitsmodelle wie diese können dafür sorgen, dass diese Mitarbeiter:innen dem Arbeitsmarkt im Führungsbereich nicht verloren gehen und Männer und Frauen gleiche Karrierechancen erhalten.“ Doch auch für Väter, Menschen, die sich um ein Familienmitglied kümmern oder Wert auf eine gute Work-Life-Balance legen, werden Modelle wie Topsharing und Jobsharing immer attraktiver.

Topsharing ist also gerade in Zeiten des Fachkräftemangels und eines Strukturwandels in der Arbeitswelt eine interessante Alternative zu klassischen Führungsmodellen in Unternehmen. Dies bestätigen Mothes und Getta, die dieses Modell erfolgreich in der Touristikabteilung der WFB ausüben. „Es ist Zeit, dass sich ‚Topsharing‘ mehr in den Köpfen der Arbeitnehmer:innen und -geber:innen durchsetzt,“ schließt Getta ab. „Man muss sicher genau überlegen, wo es passt und wie es sinnvoll umgesetzt werden kann. Dies sollte aber auch tatsächlich getan werden, denn im Ergebnis kann es für alle Beteiligten vorteilhaft sein.“

Die WFB bietet ihren Mitarbeitenden schon lange flexible Arbeitszeitmodelle. 2021 waren von 254 Angestellten 102 in Teilzeit angestellt.

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