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21.1.2020 - Berit Böhme

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Pressedienst

Tonmeisterin Renate Wolter-Seevers erneut für den Grammy nominiert

Bremer Tonmeisterin Renate Wolter-Seevers im Bremer Sendesaal
2020 zum sechsten Mal für einen Grammy nominiert: Bremer Tonmeisterin Renate Wolter-Seevers. © WFB/Carmen Jaspersen

Renate Wolter-Seevers sorgt für vollendete Klangerlebnisse. Die Tonmeisterin ist zum sechsten Mal für den Grammy Award nominiert. Einmal konnte die Bremerin den bedeutendsten Musikpreis der Welt bereits einheimsen.

Er ist einem Grammophon nachempfunden und lässt weltweit Musikerherzen höherschlagen: der Grammy Award. Nicht einmal eine Handvoll deutscher Künstlerinnen wurde bislang mit dem bedeutendsten internationalen Musikpreis ausgezeichnet. Eine davon ist die Bremer Tonmeisterin Renate Wolter-Seevers. Nach 2015 könnte sie am 26. Januar 2020 von der Recording Academy in Los Angeles ihren zweiten Grammy verliehen bekommen, der mit dem Oscar in der Filmbranche vergleichbar ist. Nominiert ist die 60-Jährige als Produzentin der barocken Kammeropern „Les Plaisirs de Versailles“ (Die Freuden von Versailles) und „Les Arts Florissants“ (Die blühenden Künste). Die Aufnahmen mit dem namhaften Ensemble „Boston Early Music Festival“ entstanden Anfang 2019 im renommierten Bremer Sendesaal.

Sie wollte nie selbst auf der Bühne stehen

Als Tonmeisterin wirkt Renate Wolter-Seevers hinter den Kulissen, im Regieraum oder im Übertragungswagen. „Ich wollte nie auf die Bühne“, sagt Renate Wolter-Seevers. Aber von früh an war klar, dass die Musik und sie zusammengehören. Schon auf dem musischen Gymnasium fiel sie durch ihr Talent auf. „Mir wurden eine hohe Kritikfähigkeit und ein sehr feines Gehör bescheinigt“, erinnert sie sich. Mit 16 Jahren stand ihr Berufswunsch fest: Sie studierte an der Berliner Musikhochschule, schloss als Diplom-Tonmeisterin und Musiklehrerin für Tonsatz und Gehörbildung ab und kam 1982 als junge Absolventin zunächst aushilfsweise zu Radio Bremen. Seit fast 36 Jahren ist sie bei dem kleinsten öffentlich-rechtlichen Sender fest angestellt. Eine Frau auf der Tonmeisterposition sei heute „immer noch selten“, bedauert Renate Wolter-Seevers. „Radio Bremen war da extrem modern und offen.“

Dank der flexiblen Arbeitszeiten ihres Mannes konnte die Mutter zweier Kinder auch immer Vollzeit arbeiten. Sie ist verheiratet mit dem inzwischen in Rente gegangenen ehemaligen Leiter der Tonabteilung des Bremer Theaters. Die musische Seite der Familie übertrug sich auch auf ihren Sohn: Er ist Jazzmusiker; ihre Tochter ist Maschinenbauingenieurin.

Jeder Ton muss bei einer Aufnahme besser als im Konzert sein

Mit viel Fingerspitzengefühl sorgt Renate Wolter-Seevers als Tonmeisterin dafür, dass Solisten und Ensembles klanglich glänzen können. „Was wir transportieren, ist reines Audio, das allein die Ohren anspricht“, sagt Wolter-Seevers. „Da muss jede musikalische Phrase 50 Prozent besser funktionieren als im Konzert. Ich muss die Musiker qualitativ da abholen, wo sie sind und zum Gipfel ihrer Fähigkeiten bringen“, sagt sie.

Während der Aufnahmen notiert sich Wolter-Seevers Anmerkungen in die Partitur. „Ich schreibe mir zum Beispiel rein, welcher ‚Take‘ wo perfekt ist“, sagt sie.
Während der Aufnahmen notiert sich Wolter-Seevers Anmerkungen in die Partitur. „Ich schreibe mir zum Beispiel rein, welcher ‚Take‘ wo perfekt ist“, sagt sie. © WFB/Carmen Jaspersen

Produktionen bereitet sie minutiös vor

Ihre Produktionen bereitet Renate Wolter-Seevers minutiös vor. „Man muss so ein Buch voller Noten richtig auskleiden mit Leben.“ Dieser Tage beispielsweise dreht sich bei der Bremerin alles um die Opernpartitur „Antiochus und Stratonica“ von Christoph Graupner (1683-1760). Es ist das 13. gemeinsame Projekt mit dem „Boston Early Music Festival“. Mit einem Toningenieur arbeitet sie einen Produktionsplan aus. Darin steht unter anderem, wann welcher Sänger „dran“ ist und an welchem Mikrofon er aufgezeichnet wird. „Wir haben acht Solosänger bei der nächsten Oper“, sagt sie. „Wir müssen die Anzahl der Kanäle und Fehlermöglichkeiten im Zaum halten.“

Bremer Kollege initiierte die Zusammenarbeit mit dem Bostoner Ensemble

Die musikalische Transatlantikverbindung zum Bostoner Ensemble besteht bereits seit 2004. Alles begann mit Johann Georg Conradis Oper „Ariadne“. Angestoßen wurde die Kooperation von Stephen Stubbs, der lange Jahre Lautenprofessor an der Bremer Musikhochschule war und später einer der künstlerischen Leiter des „Boston Early Music Festivals“ wurde. „Stubbs kannte mich“, erinnert sich Wolter-Seevers. „Wir haben schon 1984 zusammen für Radio Bremen aufgenommen.“

Musikerinnen und Musiker fühlen sich im Bremer Sendesaal heimisch

Die Chemie zwischen den Nordamerikanern und den Hanseaten stimmt. „Über die Jahre ist etwas entstanden, was sich perfekt zusammensetzt“, schwärmt Renate Wolter-Seevers. „Sie schätzen unsere Arbeit total.“ Viele Musikerinnen und Musiker des Bostoner Ensembles sind jedes Jahr zu Gast an der Weser, um im Bremer Sendesaal zu spielen und aufzunehmen. „Minimum 70 Prozent des Ensembles sind wiederkehrend“, sagt Wolter-Seevers. „Sie kommen hier rein wie in ihr eigenes Wohnzimmer. Während der Produktion sind sie wie auf einem anderen Stern.“

„Der Sendesaal ist ein Juwel“

Schon der damalige Bürgermeister Wilhelm Kaisen sagte bei der Eröffnung des Sendesaals im Jahr 1952, er sei „der eigenartigste, der schönste Saal“. Er wurde speziell für die Bedürfnisse von Radio- und Studioaufnahmen gebaut. „Der Sendesaal ist ein Juwel“, sagt auch die Tonmeisterin. „Nicht nur in Deutschland, sondern in Europa. Es ist ein Raum, der vollkommene Stille zulässt“. Es gebe nichts Störendes, er sei aber hochanspruchsvoll. „Der Musiker bekommt seine eigene Klanggebung präzise widergespiegelt.“

Noten, Kopfhörer, Stift und Lesebrille gehören zum Equipment

Gearbeitet wird bei den Produktionen mit dem Bostoner Ensemble meist zwölf Tage am Stück. Während der Einspielung sitzt Wolter-Seevers im Regieraum, mit Noten, Kopfhörer, Stift und Lesebrille bewaffnet. Im Laufe der Sessions füllt sich ihre Partitur mit Anmerkungen. „Ich schreibe mir zum Beispiel rein, welcher ‚Take‘ wo perfekt ist.“ Nur die gelungensten aufgenommenen Teilstücke bilden das Material für die Veröffentlichung des gesamten Werks. Am Mischpult sitzt der Toningenieur, mit dem sie sich perfekt ergänzt. Denn er begleitet die Aufnahmen „mit technischen Ohren“. „Gerade die Stimme musst du händisch vom Toningenieur modulieren lassen, je nach Stimmführung und Dynamik“, sagt Wolter-Seevers. Jeder Sänger habe seine „technischen Eigenarten“.

Im Sendesaal spielten schon Keith Jarrett und Alfred Brendel

Die Bostoner sind nicht die einzigen Fans des Bremer Sendesaals. Musiker wie Pianist Alfred Brendel, Komponist John Cage oder der Pianist Keith Jarrett gehör(t)en zu den Anhängern des Sendesaals. Experten sind sich einig, dass es ein perfekt auf die sinfonische wie kammermusikalische Tonkunst abgestimmtes Meisterwerk des Architekten Hans Storm und des Hörfunk-Akustikers Walter Kuhl ist. Sie entwarfen den Saal „Raum-in-Raum“, basierend auf dem Prinzip von zwei getrennten Hüllen. Der Innenraum hängt an hunderten Stahlfedern.

Blick in den Bremer Sendesaal
Der Bremer Sendesaal wurde 1952 speziell für die Bedürfnisse von Radio- und Studioaufnahmen gebaut. „Es ist ein Raum, der vollkommene Stille zulässt“, sagt die Tonmeisterin Renate Wolter-Seevers. © WFB/Carmen Jaspersen

Auch der Regieraum hat seine Besonderheiten

Bis 2008 gehörte der Saal Radio Bremen, seit 2009 steht er unter Denkmalschutz und wird erfolgreich vom Verein „Freunde des Sendesaals“ betrieben. „Die Musiker und Plattenlabel geben sich zum Einmieten die Klinke in die Hand“, freut sich Renate Wolter-Seevers, die sich ebenfalls im Sendesaal-Verein engagiert. Tontechniker und Musiker schwärmen aber nicht nur für den Sendesaal, der Aufnahmestudio und Konzertsaal mit Platz für bis zu 250 Zuhörerinnen und Zuhörern zugleich ist. Sondern ebenfalls für den großzügigen, doppelt zweifach verglasten und mit Akustikpaneelen ausgekleideten Regieraum aus dem Jahr 1991. „Er ist Raum in Raum gebaut, man hört nur, was im Saal passiert.“

Keine Zeit, um nach Los Angeles zu fliegen

Wolter-Seevers träumt übrigens von keinem bestimmten Werk, das sie unbedingt noch aufnehmen möchte. Die besonderen Momente ergäben sich einfach im Laufe der Arbeit. „Lieblingsaufnahmen entstehen“, sagt sie. „Das können bekannte oder unbekannte Stücke sein.“ Dass sie nun bereits zum sechsten Mal für den Grammy nominiert ist, habe sie freudig überrascht. „Rechnen kann man damit nie“, sagte sie in einem Interview. Zur Verleihung nach Los Angeles fliegt sie deshalb auch nicht. Sie hat keine Zeit - wegen der aktuellen Tonaufnahmen mit dem Bostoner Ensemble. Sollte ein Grammy zu ihr nach Bremen gehen, werde dann eben zwischen der Arbeit „heftig“ gefeiert.


Nachtrag:

Dieses Mal hat es nicht geklappt. Renate Wolter-Seevers ist bei der Grammy-Verleihung am 26. Januar 2020 leer ausgegangen.


Pressekontakt:

Radio Bremen Pressestelle, Telefon: +49 (0)421 246 41 050, presse.pr@radiobremen.de


Bildmaterial:

Das Bildmaterial ist bei themengebundener Berichterstattung und unter Nennung des jeweils angegebenen Bildnachweises frei zum Abdruck.

Foto 1: 2020 zum sechsten Mal für einen Grammy nominiert: Bremer Tonmeisterin Renate Wolter-Seevers. Als eine der wenigen Deutschen konnte sie bereits einen 2015 gewinnen. © WFB/Carmen Jaspersen

Foto 2: Während der Aufnahmen notiert sich Wolter-Seevers Anmerkungen in die Partitur. „Ich schreibe mir zum Beispiel rein, welcher ‚Take‘ wo perfekt ist“, sagt sie. © WFB/Carmen Jaspersen

Foto 3: Der Bremer Sendesaal wurde 1952 speziell für die Bedürfnisse von Radio- und Studioaufnahmen gebaut. „Es ist ein Raum, der vollkommene Stille zulässt“, sagt die Tonmeisterin Renate Wolter-Seevers. © WFB/Carmen Jaspersen


Der Pressedienst aus dem Bundesland Bremen berichtet bereits seit Juli 2008 monatlich über Menschen und Geschichten aus dem Bundesland Bremen mit überregionaler Relevanz herausgegeben von der WFB Wirtschaftsförderung Bremen GmbH. Bei den Artikeln handelt es sich nicht um Werbe- oder PR-Texte, sondern um Autorenstücke, die von Journalisten für Journalisten geschrieben werden. Es ist erwünscht, dass Journalistinnen und Journalisten den Text komplett, in Auszügen oder Zitate daraus übernehmen.

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