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1.2.2018 - Maike Bialek

Raumfahrt zum Anfassen

Tourismus
Papponaut des DLR
© Maike Bialek

Ein Fall für echte Weltraum-Fans: Im Rahmen des Raumfahrtjahres #sternstunden2018 öffnet das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Bremen einmal im Monat seine Türen für eine öffentliche Führung. Diese Chance habe ich mir nicht entgehen lassen und war bei der ersten dieser regelmäßigen Touren dabei!

Wie züchtet man Tomaten im Weltraum? Wie landet man auf einem Asteroiden? Oder wie gräbt man sich in die Marserde? Die Fragen, denen hier nachgegangen wird, sind ganz handfest und gut verständlich. Und dennoch wird hier auf höchstem Niveau geforscht und entwickelt.

Das DLR ist das offizielle Forschungszentrum der Bundesrepublik Deutschland. Es ist  in nationale und internationale Kooperationen eingebunden. Und darüber hinaus im Auftrag der Bundesregierung  für die Planung und Umsetzung der deutschen Raumfahrtaktivitäten zuständig. Weltweit ist es an 20 Standorten vertreten.

In Bremen steht seit 2007 das DLR Institut für Raumfahrtsysteme. Hier entwerfen und analysieren die Wissenschaftler zukünftige Raumfahrzeuge und Raumfahrtmissionen, z. B. Trägersysteme, Orbital- und Erforschungssysteme oder Satelliten. Das passt, denn hier profitieren sie von den Vorteilen des Standortes, der Nähe zu anderen Einrichtungen wie dem ZARM oder Airbus sowie der Universität. Kurze Wege sind entscheidend.

Collage: Vorstellung der Instrumente der Raumfahrttechnik
Ob Asteroiden-Lander, ein Instrument zur Temperaturmessung auf dem Mars oder ein Pflanzenlabor, das für den Einsatz auf fremden Planeten getestet wird – das DLR arbeitet in verschiedensten Bereichen der Raumfahrttechnik. © Maike Bialek

Interessiert bemerke ich, dass das Publikum der Führung sehr gemischt ist. Wie erwartet, sind die männlichen Teilnehmer ein wenig in der Überzahl, doch das Alter der Gäste variiert vom Rentner über eine Gruppe Studenten bis hin zum kleinen Jungen, der mit großen Augen am Arm seines Papas hängt.

Von der Marsexpedition bis zur Landung auf einem Asteroiden

Im Foyer des DLR begrüßt uns Janis Sebastian Häseker. Der Diplom-Ingenieur ist wissenschaftlicher Mitarbeiter und wird uns die nächsten anderthalb Stunden durch die verschiedenen Labors und Hallen des Hauses begleiten. Wir starten mit den Ausstellungsstücken im Eingangsbereich, die einen ersten Eindruck über die Missionen der Einrichtung vermitteln.

Dazu gehört zum Beispiel die aktuelle Mars-Mission. Die amerikanische Weltraumbehörde NASA hat den neuen Starttermin für die InSight-Mission endgültig bestätigt: Am 5. Mai 2018 soll der Flug zum roten Planeten starten, um die geophysikalischen Eigenschaften des Mars zu untersuchen. Mit an Bord: das Sensorpaket HP3 (Heat Flow and Physical Properties Package) – eine Thermalsonde mit einer „Mole/Maulwurf” genannten Rammsonde des DLR, die sich bis zu fünf Metern tief in den Boden hämmern soll.

Teilnehmende der Raumfahrt-Führung im Foyer des DLR
Das Spaceshuttle-Triebwerk in Originalgröße wurde zwar nicht am DLR hergestellt, dient im Foyer aber als eindrucksvolle Lampe von oben. © Maike Bialek

Gebannt lauschen die knapp zwanzig Teilnehmer des Rundganges den Erklärungen von Janis Häseker. Hier wird die theoretische Raumfahrt plötzlich gut begreifbar und vor allem spannend.

Spannend, wie zum Beispiel das Projekt Eden-ISS, das vor kurzem in der Antarktis angelaufen ist. Dabei geht es um die Aufzucht von Nutzpflanzen in geschlossenen Systemen. Das Team vom DLR  errichtet das für extreme Umwelten konzipierte Gewächshaus nur 400 Meter von der deutschen Neumayer-Station III. Diese wird durch das Alfred-Wegener-Institut betrieben, das zusammen mit dem DLR das EDEN-ISS-Projekt realisiert. Die Antarktis ist das ideale Testgelände für die Gemüsezucht ohne Erde mit künstlichem Licht in einem abgeschlossenen System, in dem sämtliches Wasser recycelt wird und keine Pestizide und Insektizide benötigt werden. Der Testlauf soll die Kultivierung von Nutzpflanzen in Wüsten sowie Gebieten mit tiefen Temperaturen auf der Erde wie auch für zukünftige bemannte Missionen zu Mond und Mars demonstrieren.

Modell des Philae-Landers
Nicht hundertprozentig erfolgreich, aber sehr lehrreich, die Landung des Philae-Landers auf der Oberfläche des Kometen mit dem Spitznamen “Tschurri”. © Maike Bialek

Das nächste Exponat zeigt den Philae-Lander, der 2014 im Rahmen der Rosetta-Mission auf dem Kometen Churyumov-Gerasimenko landen sollte.  Die Mission der europäischen Weltraumorganisation ESA sollte die Entstehungsgeschichte unseres Sonnensystems erforschen, indem sie einen der ältesten und ursprünglichsten Himmelskörper, einen Kometen, untersucht. Das DLR hatte wesentliche Anteile beim Bau des Landers und betrieb das Lander-Kontrollzentrum, das die schwierige und bisher noch nie gewagte Landung auf dem Kometen am 12. November 2014 vorbereitete und betreut hat. Leider war die Geschwindigkeit des Landers etwas zu schnell, er sprang zweimal über die Oberfläche und blieb dann im Schatten liegen. Die Solarpanels von Philae konnten sich nicht genug aufladen und aufgrund des Strommangels konnte nur ein Teil der gewünschten Daten übertragen werden.

Modell des MASCOT-Landers
Der Lander MASCOT erreicht im Oktober 2018 den Asteroiden Habayusa 2 und soll dort 16 Stunden lang Messungen vornehmen. © Maike Bialek

Doch die nächste Landung auf einem sich schnell bewegenden Himmelskörper ist schon in Sicht. Im Oktober 2018 soll der in Bremen konzipierte MASCOT-Lander auf dem Asteroiden Hayabusa2 aufsetzen. Er fällt dabei aus zirka hundert Metern auf die Oberfläche und soll Temperatur- und Magnetisierungsmessungen sowie Mineralienanalysen vornehmen. Hat der DLR-Asteroidenlander an einer Position alle Messungen durchgeführt, springt er mit Hilfe eines Schwungrades zur nächsten Stelle und beginnt dort mit neuen Messungen. Dieser Mechanismus wurde im DLR-Institut für Robotik und Mechatronik entwickelt. Insgesamt 16 Stunden – zwei komplette Asteroidentage – soll MASCOT auf dem Asteroiden arbeiten.  Eine der Entwicklerinnen des Landers, Dr. Tra Mi Ho, wird übrigens gerade in der Ausstellung „Space Girls Space Women“ im Universum porträtiert. Eine Ausstellung über das Gesamtprojekt in der Unteren Rathaushalle ist für den Sommer dieses Jahres geplant.

Zwei Papponaut-Figuren des DLR
Bob, der Papponaut, ist eine Figur des DLR, die derzeit durch die Kanäle von Twitter und Instagram tourt. © Maike Bialek

Eine Spielwiese für junge Raumfahrer

Weiter geht’s im School Lab, dem Schülerlabor des DLR. Schon früh sollen hier interessierte Kinder und Jugendliche an das Thema „Raumfahrt“ herangeführt werden, denn guter Nachwuchs ist in der Wissenschaft wichtig und gesucht.

Julius Eckel, der stellvertretende Leiter des School Labs, berichtet, dass hier Experimente in vereinfachter Form nachgeahmt werden können, wie zum Beispiel der Bau von Raketen  (diesmal mit Wasser- oder Luftantrieb), physikalische Effekte, die Relativitätstheorie oder die Alphastrahlung. Es gibt Versuche zu Auswirkungen eines Vakuums. Die Kids gehen der Frage nach, wie man eigentlich Flugbahnen von Asteroiden berechnet. Und in einem Mini-Fallturm wird mit Schwerelosigkeit experimentiert. Hier werden auch wieder die kurzen Wege in der Bremer Raumfahrtszene deutlich, denn das Modell zur Schwerelosigkeitsforschung stammt vom ZARM, das den Bremer Fallturm betreibt. Und das Gerät zum Nachweis der Alphastrahlung stammt aus dem Universum.

Es können auch komplette Mars-Missionen vom Raketenstart über die Landung und Robotersteuerung bis zur Probenanalyse in Teams simuliert werden. Ein Traum für die Space Kids! Hier bekommen auch die teilnehmenden Kinder der Führung große Augen. Der Jüngste in der Gruppe ist gerade mal fünf Jahre alt! Aber auch Till, 11 Jahre, findet die Themen sehr spannend, guckt genau hin und beantwortet sogar Fragen, die der Guide in die Runde stellt.

Collage: Experimentier-Möglichkeiten im SchoolLab des DLR
Im SchoolLab können sich raumfahrtbegeisterte Kinder und Jugendliche austoben, Experimente mit Schwerelosigkeit machen und sogar ganze Mars-Expeditionen nacherleben. © Maike Bialek

Weiter geht es zur LAMA, der Lande- und Mobilitästestanlage im DLR. Hier wird das Aufsetzverhalten von  Landesystemen untersucht. Was passiert also beispielsweise mit MASCOT, wenn er auf hartem Gestein aufsetzt oder dem Mars-Maulwurf, wenn er auf weichen Sand trifft? In der großen Halle sind realistische Simulationen zu Gewicht, Dynamik und Bodenbeschaffenheit möglich, wie beispielsweise bei Landungen am Hang auf unterschiedlichen Materialien. Dafür ist ein Teil der Halle bis zu 30° neigbar. Um die Eigenschaften eines bestimmten Sandes zu testen, wurden kürzlich sogar Tonnen von hawaiianischem Sand herbeigekarrt. Ein nicht ganz einfaches Unterfangen, wie man sich vorstellen kann. Doch die Anlage ist weltweit einzigartig.

Collage: Lande- und Mobilitätstestanalage (LAMA)
In der LAMA (Lande- und Mobilitätstestanlage) wird das Aufsetzen von Landern auf unterschiedlichen Oberflächen simuliert. Nachgestellt wird beispielsweise eine Landung auf dem Mond oder Mars. © Maike Bialek

Anschließend können wir einen Blick in die große Integrationshalle werfen. In diesem Cleanroom, der besondere Anforderungen an Staubarmut stellt, wird derzeit der Eu:CROPIS-Satellit integriert. In knapp vier Monaten startet er ins All, um zu zeigen, dass ein geschlossenes Lebenserhaltungssystem unter verschiedenen Gravitationsbedingungen betrieben und wiedergestartet werden kann.

Astronauten müssen im All mit Atemluft, Wasser und Nahrung versorgt werden. Um diese lebensnotwendigen Ressourcen zu recyclen und damit auch für einen Langzeiteinsatz über mehrere Jahre verfügbar zu machen, werden geschlossene Lebenserhaltungssysteme gebraucht. Im Fokus  der DLR-Mission Eu:CROPIS stehen Tests der Langzeitstabilität eines biologischen Lebenserhaltungssystems für Missionen zum Mond oder Mars. Mithilfe des vom DLR entwickelten Filtersystem wird künstlicher Urin zu einer Nitratlösung umgesetzt, mit der z. B. Tomatenpflanzen gedüngt werden können. Ein zweites, auf Algen basiertes System wird genutzt, um das Gesamtsystem mit Sauerstoff zu versorgen und bei Bedarf zu entgiften.

Collage: Integrationshalle im DLR
In der Integrationshalle wir unter besonders staubarmen Bedingungen der Satellit Eu:CROPIS zusammengebaut. © Maike Bialek

Der Satellit Eu:CROPIS kann eine künstliche Gravitation herstellen, wie beispielsweise auf dem Mond oder dem Mars. Hier werden Tomatensamen zum Keimen gebracht und geschaut, wie sich die Pflanze verhalten wird. Wenn ihr ein wunderbar anschauliches Beispiel dazu sehen wollt, schaut doch mal in den Film „Science Clips Tomaten im Weltall“.

Puh, das sind wirklich eine ganze Menge Infos! Aber ich finde es spannend. Und faszinierend, denn all diese Dinge, die international in der Raumfahrt eingesetzt werden, werden in Bremen entwickelt.

Doch die Tour ist noch nicht zu Ende. Vorbei geht es an der Weltraumsimulationsanlage. Hier werden Fragen erforscht wie: Wie beeinflussen Temperaturen, Vakuum, Sonnenstrahlung z. B. die Batterien des MASCOT-Landers?

Im Kryo-Labor werden Experimente mit tiefkalten flüssigen Gasen, den Treibstoffen der Trägersysteme, durchgeführt. Wie verhalten sich Treibstoffe im Tank? Wie schwappen sie bei Bewegungen, z. B. beim Start oder in Schwerelosigkeit? Die Ergebnisse fließen ein in die Entwicklung von Raketen wie der Ariane 6.

Fassade des DLR
Außenansicht des DLR: Die Gestaltung der Fassade erinnert an die Hitzeschutzkacheln des Spaceshuttles. © Maike Bialek

Nach dem 90minütigen Rundgang landen wir zurück im Foyer. Den Kopf voll mit neuen Eindrücken, beeindruckt von der Projektvielfalt, aber auch begeistert und ein bisschen stolz, dass all diese Entwicklungen hier in der Hansestadt entstehen und damit dem Erfolg der weltweiten Raumfahrt beisteuern.

Die Faszination scheint in Bremen weite Kreise zu ziehen, denn wie ich inzwischen erfahren habe, sind die regelmäßigen monatlichen deutschen Führungen in diesem Jahr schon bis August ausgebucht. Doch für Gruppen sind auch individuell vereinbarte Führungen möglich und auch in en englischen und spanischen Touren sind noch Plätze frei.

Eine kleine kuriose Erinnerung an das Leben im All bekommen wir anschließend noch alle in die Hand gedrückt. Jeder von uns darf Bob, den Papponauten, mit nach Hause nehmen. Die kleine Pappfigur wurde im Auftrag des DLR erstellt und zieht bereits seine Kreise durch die Welt der sozialen Medien. Wer mag, nimmt Bob mit auf Reisen und postet sein Foto mit den Hashtags #papponaut und #papponautaroundtheworld auf Instagram. Ziel ist es, Bob einmal in allen Ländern dieser Erde gezeigt zu haben. Schaut doch mal auf seinen Account @papponaut auf Instagram! Oder ihr bestellt euch dort selbst einen kleinen Pappastronauten und fliegt mit ihm um die Welt.

Wenn ihr noch mehr über das Raumfahrtjahr #sternstunden2018 erfahren möchtet, erhaltet ihr hier und hier weitere Infos. Wie wäre es denn mal mit einer Führung im Fallturm? Oder ihr macht einen Abstecher auf die Internationale Raumstation bei Airbus. Oder schaut mal im Planetarium vorbei … Bis zum International Astronautical Congress mit seinem Tag der Offenen Tür im Oktober gibt’s in Bremen noch jede Menge Spaciges zu erleben!!

Hinweis: Bei der Beschreibung der einzelnen Projekte habe ich mich zum Teil der fertigen Texte der Website des DLR bedient, um sicher zu gehen, dass Fachtermini und Abläufe richtig beschrieben werden. Viele weitere Infos findet ihr hier: dlr.de/irs.

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