Transfer von Wissen und Technologien ‒ ein Bremer Erfolgsmodell
WissenschaftWie die Bremer Wirtschaft mit der Wissenschaft kooperieren kann
Mehr denn je zählt eine enge Kooperation zwischen Wirtschaft und Wissenschaft zu den Schlüsselfaktoren erfolgreicher Ökonomien. Sie ist jedoch kein Selbstläufer. Wie im Land Bremen ein enger Bund zwischen Wirtschaft und Wissenschaft entsteht.
Welche Strategien braucht es, um in wichtigen Zukunftstechnologien auch künftig wettbewerbsfähig zu bleiben? Kooperationen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft könnten „entscheidende Katalysatoren sein‟, stellte der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft e. V. zum Auftakt der diesjährigen Hannover Messe fest. Bundeskanzler Olaf Scholz forderte beim Gipfel für Forschung und Innovation in Hannover für die Bundesrepublik einen schnelleren Transfer von der Forschung in die Praxis. Im Land Bremen sind Kooperationen und der Austausch von Wissen und Technologie zwischen Wirtschaft und Wissenschaft sowie zwischen Unternehmen unterschiedlicher Branchen weit vorangeschritten. In die daraus entstehenden Strukturen werden zunehmend auch Schulen und junge Start-ups einbezogen.
Hier einige Beispiele für herausragenden Wissenstransfer:
Hochschule Bremen ‒ Service für KMU und Gründer:innen
Einen hohen Stellenwert hat der Transfer von Wissen und Technologien an der Hochschule Bremen. Unter den Kooperationspartnern befinden sich bevorzugt kleine und mittlere Unternehmen. Das Referat Forschung und Transfer der Hochschule Bremen ist dem Konrektorat Forschung und Transfer zugeordnet und umfasst den Forschungsservice sowie den Transfer- und Gründungsservice. Während der Forschungsservice Beratung und Unterstützung zu Fragen der Forschung und zur Einwerbung von Drittmittelprojekten anbietet, unterstützt der Transfer- und Gründungsservice die Mitglieder der Hochschule Bremen bei Transferaktivitäten, vermittelt Praxispartner:innen sowie Expert:innen der Hochschule und fördert Gründungsinteressierte bei der Ideenentwicklung, Vorbereitung und Umsetzung ihrer Gründungsprojekte. Angehörige und Alumni der Hochschule erhalten hier auf Wunsch Unterstützung auf dem Weg in die Selbstständigkeit.
Universität Bremen ‒ Transfer mit Tradition
An der Universität Bremen wird dem Thema „Transfer‟ seit jeher eine wesentliche Rolle zugemessen: Das Referat UniTransfer der Universität Bremen gibt es bereits seit 1985. Im November 2023 hat Anne-Kathrin Guder die Leitung des Teams aus 21 Mitarbeiter:innen übernommen.
UniTransfer unterstützt Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie ihre außeruniversitären Partner:innen unter anderem bei Existenzgründungen, Erfindungsmeldungen, Patenten, Fundraising oder Personaltransfer. Transfer wird dabei immer als wechselseitiger Dialog verstanden, ist wissensbasiert und schließt alle Fachbereiche ein.
Dafür wurden Netzwerke geknüpft, ein institutionelles Geflecht von Organisationen geschaffen, Fonds, Praxisbörsen, Angebote für Schulen und Mentoring-Programme etabliert, Förderprogramme strategisch sinnvoll genutzt, eine enge Kooperation mit der Wirtschaftsförderung sowie der BAB ‒ die Förderbank für Bremen und Bremerhaven gepflegt. Allein in 2023 kamen so über das Netzwerk BRIDGE – Gründen aus Bremer Hochschulen 13 Startups zustande. BRIDGE ist die zentrale Anlaufstelle für Studierende, Alumni und Angehörige der Bremer Hochschulen zum Thema Existenzgründung. Trägerinnen des Hochschulnetzwerks BRIDGE sind die Universität Bremen, die Hochschule Bremen, die Hochschule Bremerhaven, die Constructor University und die BAB. Seit Jahren liege die Universität Bremen damit und vielen weiteren Aktivitäten im Gründungsbereich „im oberen Drittel des bundesweiten Gründungsradars‟, sagt Anne-Kathrin Guder.
Ein erfolgreicher Wissenstransfer beginnt schon bei Kindern und Jugendlichen. Mit ihrer Projektreihe zum Thema „Schule trifft Wissenschaft‟ macht die Universität Bremen vielfältige Angebote für Kinder, Jugendliche und Lehrkräfte. Dazu zählen die „Kinder-Uni‟, Schülerlabore sowie langjährige Kooperationen mit Schulen.
ECOMAT ‒ interdisziplinäres Zentrum mit Strahlkraft
Im April dieses Jahres feierten die Nutzer mit Gästen aus Politik und Wirtschaft das fünfjährige Bestehen des Forschungs- und Technologiezentrums ECOMAT (Center for Eco-efficient Materials & Technologies) in der Airportstadt Bremen. Die hier vorgenommene Bündelung von Kompetenzen in den Bereichen klimaneutrales Fliegen, Leichtbau, Materialforschung und virtueller Produktentwicklung im Flugzeugbau entfaltet viel Strahlkraft. Die Einrichtung ist zu knapp 100 Prozent ausgelastet. Andreas Heyer, Vorsitzender der Geschäftsführung der WFB, bezeichnete das Projekt anlässlich des fünfjährigen Bestehens als „Erfolgsbeispiel dafür, wie Zusammenarbeit hier in Bremen interdisziplinär zwischen Industrie, Wissenschaft und Stadtgesellschaft funktioniert.‟ Das ECOMAT soll in naher Zukunft mit dem ECOMAT Hydrogen Campus (EHC) um einen wichtigen (Wasserstoff-)Baustein erweitert werden.
Im ECOMAT hat sich der Transfer von Wissen und Technologien innerhalb kurzer Zeit zu einem Erfolgsmodell entwickelt. In der maßgeschneiderten Einrichtung kooperieren renommierte (anwendungsnahe) Forschungs- und Technologieinstitute, kleine und mittlere Betriebe sowie Großunternehmen miteinander. Für Kleinunternehmen stellt der Einstieg in neue Branchen und Zielgruppen oft eine besondere Hürde dar.
Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung IFAM
Das Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung IFAM hat seinen Hauptstandort im Technologiepark Universität Bremen. Rund 500 Mitarbeitende leisten hier Forschungs- und Entwicklungsarbeit für verschiedene Industriebranchen und Anwendungsbereiche. Rechnet man die weiteren Standorte dazu (Helgoland, Cuxhaven, Stade, Wolfsburg, Braunschweig und Dresden), sind es mehr als 700 Mitarbeitende. Seit 1974 ist das IFAM Teil der Fraunhofer-Gesellschaft, die mit mehr als 30.000 Spezialist:innen als weltweit führende Organisation für anwendungsorientierte Forschung gilt.
Zu den Kernkompetenzen des IFAM zählen die Forschung und Entwicklung zu metallischen und polymeren Werkstoffen, Oberflächentechnik, Kleben, Formgebung und Komponentenfertigung, Energiespeicher und -wandler sowie Automatisierung und Robotik. Die Forschungsthemen fokussieren auf die Sektoren Luftfahrt, Mobilität, maritime Technologien, Energie sowie Medizintechnik und Life Sciences. Mit diesem Geschäftsmodell ist das IFAM, das auch zu den Forschungspartnern im ECOMAT zählt, ein Prototyp für Wissens- und Technologietransfer.
Die Kunden des IFAM kommen aus vielen verschiedenen Branchen. Von hoher Bedeutung ist am Hauptsitz Bremen das Geschäftsfeld Luft- und Raumfahrt. Das liege auch an den wichtigen Playern aus diesem Sektor vor Ort, sagt Dr.-Ing. Simon M. Kothe, Head of Business Development beim Fraunhofer IFAM. So haben die Bremer auch eingewilligt, das Geschäftsfeld Luftfahrt der gesamten Fraunhofer-Gesellschaft unter dem Dach der Fraunhofer-Allianz AVIATION & SPACE zu koordinieren. Die Geschäftsstelle der Allianz befindet sich im Bremer Forschungs- und Technologiezentrum ECOMAT. „Und dort stehen wir nicht nur für die Kompetenzen des Fraunhofer IFAMs, sondern auch für die Luftfahrtaktivitäten der gesamten Fraunhofer-Gesellschaft, zu denen noch eine Reihe weiterer Institute gehören.‟, so Kothe. Daneben unterhalte das Fraunhofer IFAM in Bremen enge Arbeitskontakte zu weiteren wichtigen Branchenmitgliedern wie AIRBUS, OHB, der ArianeGroup, ZEROe-Projektbeteiligten (Projekt Zero Emission Aircraft), EVIA Aero und anderen.
TOPAS – Universelles Wissen für Intelligente Systeme
Wer im Wettbewerb mithalten will, sollte Intelligente Systeme einsetzen. Einfacher gesagt als getan, vor allem für kleinere Unternehmen. Denn Intelligente Systeme – zum Beispiel für Simulationen oder KI – fußen auf komplexer Industriemathematik. Um besonders Mittelständlern den Zugang zu erleichtern, gründeten Dr.-Ing. Mitja Echim, Prof. Dr. Christof Büskens und Dr. Matthias Knauer 2021 in Bremen die gemeinnützige TOPAS Industriemathematik Innovation gGmbH und die TOPAS Industriemathematik Transfer GmbH. Als Ausgründung des Zentrums für Industriemathematik an der Universität Bremen unterstützt der Verbund seither kleine und mittlere Unternehmen, wenn es um autonome Systeme, digitale Zwillinge, Energiemanagement oder Simulationen geht.
2023 startete das Team #MOIN (Modellregion Industriemathematik). Das Transferprojekt besteht aus Kooperationsprojekten mit Schulen, der Förderung industrieller Anwender:innen und einer breiten Öffentlichkeitsarbeit. Insgesamt 20 Projekte sind Teil der Initiative, die mit sechs Millionen Euro vom BMBF und weiteren 1,5 Millionen von der Industrie unterstützt wird.
„Wenn man es geschafft hat zu erklären, was Industriemathematik ist und warum sie nützlich ist, dann ist die Resonanz bei den Unternehmen sehr positiv‟, sagt Mitinitiator Mitja Echim. Und bei den Schulen? „Mit den Schulen arbeiten wir in enger Kooperation mit der Uni Bremen‟, erklärt Echim. „Die Lehrkräfte können bei uns gemeinsam mit den Schüler:innen erkunden, worin im Alltag mittlerweile überall Mathematik steckt. Da bekommen wir ganz viel tolles, positives Feedback.‟
NGIO – das Northern Germany Innovation Office
Ein Transfer von Wissen und Technologien kann zwischen Forschenden und Unternehmen stattfinden, aber auch zwischen jungen oder etablierten Unternehmen untereinander. Aber wie können die Partner gezielt zueinanderfinden? Ein „Pfadfinder‟ für solche Fälle ist Tim Ole Jöhnk. Der Direktor des Northern Germany Innovation Office (NGIO) im Silicon Valley, dem Hightech-Hotspot an der US-amerikanischen Westküste, ist darauf fokussiert, Trends und neue Technologien zu erkennen sowie Kontakte zwischen Unternehmen beider Länder zu knüpfen. Als gemeinsame Initiative der Bundesländer Bremen, Schleswig-Holstein und Hamburg sowie Mecklenburg-Vorpommern dient das NGIO dem Technologietransfer.
Das NGIO bietet kontinuierlich Delegationsreisen ins Silicon Valley an, bei denen sich interessierte Unternehmerinnen und Unternehmer einen direkten Eindruck von den Denk- und Arbeitsweisen maßgeblicher Akteure vor Ort verschaffen können.
„Es hilft eben nicht, nur Visitenkarten oder LinkedIn-Profile zu sammeln‟, weiß Jöhnk aus Erfahrung. Wichtig sei der Schritt, mit passenden Gesprächspartnern in persönlichen Kontakt zu kommen, „und das gerade im Silicon Valley, wo keiner Zeit hat und wo alle hinkommen, um mit wichtigen Leuten zu reden. Dafür ist so ein Türöffner einfach unabdingbar.‟
Kontakte zu Tim Ole Jöhnk vermittelt in Bremen Andreas Gerber, Teamleiter Ansiedlung bei Bremeninvest, der internationalen Marke der WFB Wirtschaftsförderung Bremen GmbH.
Andreas Gerber
Akquisition und Projekte
Teamleiter
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Prof. Dr. Karen Struve ist Professorin für Frankoromanistik an der Universität Bremen. In ihrem Forschungsfeld beschäftigt sie sich unter anderem mit postkolonialen Literatur- und Kulturtheorien sowie mit den Narrativen der Angst und der weltweiten Anxiety Culture. Was Karen Struve an ihrer Arbeit besonders begeistert, verrät sie bei „Wissenschaft persönlich".
Mehr erfahrenVor seiner Pensionierung war er wissenschaftlicher Geschäftsführer des Instituts für Interkulturelle und Internationale Studien sowie Leiter des Arbeitsbereich Wahlen und Parteien am Institut für Politikwissenschaft. Heute engagiert er sich beim Hannah Arendt Institut für politisches Denken und führt außerdem seine Forschung im Bereich "Regieren und Politik in Bremen" fort.
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