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11.7.2016 - Astrid Labbert

Vom Bettvorleger zum Tier - lebensechte Tiere im Übersee-Museum Bremen

Lebensqualität

Vom Bettvorleger zum Tier

Das Bremer Übersee-Museum beherbergt viele Tiere, die lebensecht aus Panorama-Schaukästen ihre Betrachter ansehen. Das ist das Werk der Präparatoren. Derzeit spült ihnen die Amerika-Dauerausstellung, die im November neu konzipiert wieder eröffnet wird, viele Aufträge in die Werkstatt.

Wenn das Karibu in der Präparatorenwerkstatt des Übersee-Museums die Möglichkeit hätte, es dürfte angesichts der sorgsamen Behandlung von Ruth Nüß ein wohliges Gefühl haben. Jeden seiner Knochen hat die Tierpräparatorin in den zurückliegenden Monaten mit Vorsicht behandelt, seine Haut behutsam auf einen präzise modellierten und in Kunstharz gegossenen Körper gezogen und die großen dunklen Glasaugen eingesetzt, die einen jetzt so direkt ansehen – und wenn man den tiefen Blick, den Ruth Nüß dem Karibu nun zuwirft, nicht fehlinterpretiert, ist hier reichlich Zuneigung im Spiel. „Jedes Tier, an dem ich gerade arbeite, ist in dem Moment mein absolutes Lieblingstier“, bestätigt die zierliche Frau. Tagein, tagaus hat sie mit dem Karibu in der Werkstatt zugebracht, wie alle Tiere bekam es von ihr einen Namen. Welchen? „Rudi natürlich“, sagt Nüß fast erstaunt. Natürlich: Karibus gehören zur Familie der Rentiere – und leben in den Weiten Amerikas.

Neue Amerika-Ausstellung

Ab dem 5. November 2016 wird es auch für Besucher des Bremer Übersee-Museums zu sehen sein. Dann eröffnet die neu konzipierte Amerika-Schau. Sie ist der letzte Teil der Dauerstellung des Natur-, Völker- und Handelskundemuseums, der pünktlich zum 120. Geburtstag modernisiert ist. Die Abteilungen sind dann miteinander verwoben, historische Exponate werden mit aktuellen Themen verknüpft. So wird gezeigt, dass sich der Erdölexport auf das Leben von „Rudis“ Artgenossen auswirkt. Karibus legen bis zu 6.000 Kilometer im Jahr in riesigen Herden zurück, doch die Pipelines durchschneiden ihre gewohnten Routen. Genauso ist dann nachvollziehbar, was die amerikanischen Gesellschaften im Süden und Norden des Kontinents heute prägt.

„Rudi“ kam als Lieferung aus Labrador (Kanada) ins Museum, darin waren: Haut, Schädel und Skelett. Daraus ein lebensechtes Ausstellungsstück zu machen, ist das Metier von Ruth Nüß und ihren vier Kollegen. Mit jedem Exponat beginnt ein neues Puzzle, denn: „Jedes Tier hat eine andere Anatomie“, sagt die Präparatorin.

Das Präparieren, so wird schnell klar, ist ein aufwendiger Prozess. Ruth Nüß ist im Fall von „Rudi“ in den Zoo gefahren und hat seine Artgenossen fotografiert, Bewegungsabläufe und Anatomie studiert. Im Museum soll das Tier später nicht stocksteif dastehen, sondern in einem der beliebten Panorama-Schaukasten („Dioramen“) wie lebendig in seinem Lebensraum zu sehen sein. Die Haltung des Tieres ist deshalb ein entscheidendes Element. Die Präparatorin plant sie vorab anhand eines Kleinmodells aus Plastilin. Erst danach wird das Skelett genau so auf einem Montageständer aufgebaut und mit Drähten stabilisiert. Anschließend wird der dazugehörige Körper so passgenau aus Ton und Plastilin modelliert, dass die Haut wie ein Anzug darüber gezogen werden kann. Dieses Modell wird abschnittweise eingegipst, die entstehenden so genannten Formteile ergeben später eine Hohlform, die mit Polyurethanschaum aufgefüllt wird. Nach knapp dreieinhalb Monaten Arbeit ist der Körper fertig, und im Fall von „Rudi“ 14 Kilogramm leicht. Zweieinhalb Tage brauchten Nüß und ihre Kollegen noch, um die Haut vorsichtig aufzukleben und zu vernähen.

Das ist schon ein besonderer Moment, wenn das Tier dann fertig angezogen vor einem steht.



Ruth Nüß, Präparatorin im Übersee-Museum Bremen

Etwas Schönes soll entstehen

Wenn Ruth Nüß von ihrem Beruf spricht, wird schnell klar, dass sie ihn mit Leidenschaft betreibt. Beim Präparieren gehe es ihr nicht ums Zerlegen, sondern ums Zusammenfügen, darum, „aus der Haut, die nur ein Bettvorleger ist, wieder ein Tier zu machen.“ Innerlich müsse man sich davon trennen, dass man ein Tier erst „desintegriere“, erklärt sie. „Ich möchte das nur machen, wenn ich weiß, dass etwas Schönes daraus entsteht. Ich stelle die Integration wieder her.“

Im vierten Stock arbeiten Handwerker derweil an den neuen Ausstellungselementen. „Rudis“ Diorama steht schon: eine halbrunde Leinwand in einem Schaukasten. Ruth Nüß wird darauf eine Landschaft malen, in der Karibus einen Fluss durchqueren. Normalerweise übernehmen Bühnenmaler diesen Job. „Es ist ein Kindheitstraum von mir, Dioramen zu malen.“


Mehr Informationen zur Amerika-Ausstellung im Übersee-Museum Bremen gibt es unter www.uebersee-museum.de

Pressekontakt: Cerstin Wille, Leiterin PR und Marketing Übersee-Museum Bremen, Tel. 0421 – 16 03 81 04, presse@uebersee-museum.de


Bilddownload

Das Bildmaterial ist bei themengebundener Berichterstattung und unter Nennung des jeweils angegebenen Bildnachweises frei zum Abdruck.

Foto 1: Bevor sich Ruth Nüß im Übersee-Museum Bremen an Exponate wagt, fertigt sie Kleinmodelle an. Präparieren ist sehr aufwendig, vom Studieren der Tiere bis zum fertigen Diorama sind viele Handgriffe nötig. © Übersee-Museum Bremen, Matthias Haase

Foto 2: Präparatorin Ruth Nüß sorgt im Übersee-Museum Bremen für eine lebensechte Darstellung der Tierexponate. Bald wandert das fertige Karibu in die neu konzipierte Amerika-Ausstellung, die im November eröffnet. © Foto: Übersee-Museum Bremen, Matthias Haase


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