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20.1.2023 - Anne-Katrin Wehrmann

„Das schönste Bild nutzt nichts, wenn der Witz fehlt“

Kreativwirtschaft

Bremer Cartoonistin setzt auf Humor als Bewältigungsstrategie

Das Erfolgsgeheimnis der Bremer Cartoonistin Miriam Wurster: Auch in schwierigen Zeiten den Humor nicht verlieren.
Das Erfolgsgeheimnis der Bremer Cartoonistin Miriam Wurster: Auch in schwierigen Zeiten den Humor nicht verlieren. © Jörg Sarbach

Sie hat den Karikaturenpreis der deutschen Zeitungen gewonnen und arbeitet für angesehene Publikationen in ganz Deutschland: Die Bremer Cartoonistin Miriam Wurster hat sich mit ihren markanten Zeichnungen nicht nur in der Szene einen Namen gemacht, sondern erfreut regelmäßig auch ein breites Publikum. Zu ihren Erfolgsgeheimnissen gehört es, auch in schwierigen Zeiten nicht den Humor zu verlieren.

Auf einem russischen Friedhof steht eine Trauergemeinde vor zwei ausgehobenen Gräbern. Der orthodoxe Geistliche sagt: „Sie sind fürs Vaterland gestorben. Ähm … Bei einem Ausflug sozusagen.“ Wo ein Krieg nicht als Krieg bezeichnet werden darf, hat der Humor einen schweren Stand. Und doch ist es möglich, auch im Tragischen das Komische zu entdecken – so wie in diesem Bildwitz der Bremer Cartoonistin Miriam Wurster. Auf der Suche nach Themen für neue Zeichnungen schließt die 58-Jährige grundsätzlich erst einmal nichts aus. „Das ist auch im Sinne der Pressefreiheit wichtig, das Zulassen von Gratwanderungen sollte möglich sein“, meint sie. Dabei komme es immer auf das „Wie“ an: „Bei dem Cartoon auf dem Friedhof zum Beispiel wollte ich das Leid der Menschen nicht verharmlosen und trotzdem diese unglaubliche Lüge bloßstellen.“

Bei ihren Cartoons komme es immer auf das „Wie“ an, sagt Miriam Wurster. „Bei dem Cartoon auf dem Friedhof zum Beispiel wollte ich das Leid der Menschen nicht verharmlosen und trotzdem diese unglaubliche Lüge bloßstellen.“
Bei ihren Cartoons komme es immer auf das „Wie“ an, sagt Miriam Wurster. „Bei dem Cartoon auf dem Friedhof zum Beispiel wollte ich das Leid der Menschen nicht verharmlosen und trotzdem diese unglaubliche Lüge bloßstellen.“ © Miriam Wurster

Humor als Bewältigungsstrategie

Mit ihren stimmungsvollen Cartoons, die sich durch hintergründigen Humor und einen markanten Strich für die Konturen auszeichnen, hat sich Miriam Wurster längst einen Namen weit über Bremen hinaus gemacht. Zu ihren Auftraggebern gehören neben renommierten Publikationen wie Süddeutsche Zeitung, Neues Deutschland, taz, Spiegel online und Weser-Kurier auch die Satiremagazine Titanic und Charlie Hebdo. Vor fünf Jahren wurde sie mit dem ersten Preis bei der „Rückblende“, dem deutschen Preis für politische Fotografie und Karikatur, ausgezeichnet. Auch in schwierigen Zeiten den Humor zu bewahren, sei für sie zu einer Art Bewältigungsstrategie geworden, berichtet sie. „Humor arbeitet sich an Ungereimtheiten und Absurditäten ab, und das tun Cartoons auch. Deswegen lassen sich gerade in Zeiten wie diesen komische Ideen gut umsetzen.“

Dass sie einmal eine angesehene Cartoonistin werden würde, war in jungen Jahren noch nicht abzusehen. „Als Kind habe ich noch nicht so viel gezeichnet“, erzählt die gebürtige Hamburgerin. „Das wurde erst in der Jugend wichtig, als ich gemerkt habe, dass ich damit etwas ausdrücken kann. Das war eine wichtige Erfahrung.“ Sie beschloss, nach dem Abitur Grafikdesign und Illustration zu studieren, und bekam Mitte der 1980er-Jahre einen Studienplatz an der Hochschule für Künste (HfK) in Bremen. Ihr ursprünglicher Plan war es, in diesem Metier später auch ihr Geld zu verdienen: „Zu der Zeit waren nur Männer im Cartoon-Geschäft unterwegs“, erinnert sie sich, „darum bin ich gar nicht auf die Idee gekommen, da einzusteigen.“ Doch dann gründete einer ihrer Professoren an der HfK eine Cartoon-Gruppe und legte damit den Grundstein für eine Begeisterung, die bis heute nicht nachgelassen hat.

Um auf dem Markt bestehen zu können, brauche es sowohl künstlerisches Talent als auch Ideenreichtum, sagt die Cartoonistin Miriam Wurster.
Um auf dem Markt bestehen zu können, brauche es sowohl künstlerisches Talent als auch Ideenreichtum, sagt die Cartoonistin Miriam Wurster. © WFB/Sarbach

Witz braucht Freiraum

Nach Beendigung ihres Studiums schaffte sich Miriam Wurster neben der Arbeit als freie Illustratorin auch mit Nebenjobs, unter anderem als Grafikerin für Radio Bremen, ein Auskommen. Im Laufe der Jahre nahm die Arbeit als Cartoonistin dann immer mehr Raum ein. Um auf dem Markt bestehen zu können, brauche es sowohl künstlerisches Talent als auch Ideenreichtum, sagt sie. „Es hilft auf jeden Fall, im Zeichnen ausgebildet zu sein. Viel findet über das Bild statt, das spricht mehr das Unbewusste an als die Sprechblasen“, erläutert sie. „Aber das schönste Bild nutzt nichts, wenn der Witz fehlt.“ Erzwingen lasse sich der allerdings nicht: „Echter Witz braucht Freiraum, der lässt sich nicht in eine Richtung drängen.“

Zu ihren wichtigsten Hilfsmitteln gehören ihr Notizbuch, in dem sie auch unterwegs spontane Ideen festhält, sowie ihr Skizzenbuch, in das sie erste thematische Annäherungen zeichnet. Und, neben Papier und Stiften, auch der Computer. „Mit dem PC lassen sich inzwischen leider wirklich tolle Dinge machen“, sagt sie und lacht. Gelungen ist ein Cartoon aus ihrer Sicht, wenn er funktioniert und dabei die Balance zwischen Hintergründigkeit und Einfachheit wahrt. „Kalauer können auch toll sein, aber nur Kalauer sind auf Dauer öde“, meint sie. Zu kompliziert dürfe es allerdings auch nicht werden: Es tue den Cartoons gut, möglichst schlicht und reduziert zu bleiben. In ihrer täglichen Arbeit befasst sich die 58-Jährige jeweils zur Hälfte mit politischen und mit allgemeinen gesellschaftlichen Themen. Was dabei immer wieder vorkommt und ihr ein Anliegen ist: „Ich lasse gerne Frauen agieren, wir haben da viel aufzuholen. Ich möchte, dass es normal ist, dass Frauen den Witz machen und nicht nur als Klischee auftauchen.“

„Idealerweise wirkt ein Cartoon ganz leicht, wenn er fertig ist“, sagt Miriam Wurster – so wie bei ihrem Cartoon mit dem Titel „Die deeskalierende Hundestaffel“.
„Idealerweise wirkt ein Cartoon ganz leicht, wenn er fertig ist“, sagt Miriam Wurster – so wie bei ihrem Cartoon mit dem Titel „Die deeskalierende Hundestaffel“. © Miriam Wurster

Studium mit Freiräumen

Um sich inhaltlich in die politischen Themen einzuarbeiten, hört sie viel Radio und liest viele Artikel. Das braucht Zeit, denn: „Nur mit den Schlagzeilen kann ich nicht viel anfangen. Für mich sind detaillierte Beschreibungen, Nebenschauplätze und Kommentare wichtig, um einen interessanten Gedanken entwickeln zu können.“ Immer wieder müsse sie sich dabei zwingen, nicht nur im Internet zu recherchieren, sondern parallel auch schon einmal zu zeichnen: „Das löst andere Prozesse im Gehirn aus und führt die Gedanken in eine andere Richtung.“ Ihr selbst gefällt es besonders, wenn ein Witz nicht zu offensichtlich ist, sondern sich ein bisschen von der Seite hereinschleicht. Aus dem Ärmel schütteln lasse sich das allerdings in den wenigsten Fällen: „Meistens steckt da viel Mühe drin“, erzählt sie, „aber das soll niemand merken. Idealerweise wirkt ein Cartoon ganz leicht, wenn er fertig ist.“

Wenn der Ideenfluss einmal ins Stocken gerät, setzt sich Miriam Wurster aufs Fahrrad, macht einen Spaziergang, schwimmt durch den Werdersee oder wühlt in ihrem Kleingarten. „Das ist das Tolle an Bremen: Es ist eine Großstadt, und trotzdem ist man schnell draußen in der Natur“, sagt sie. Nach ihrem Studium in eine andere Stadt zu ziehen, war für sie nie eine Option. Zu sehr schätzt sie die hanseatische Weltoffenheit – und die freundschaftlichen und beruflichen Kontakte, die sie hier schon seit ihrer Hochschulzeit geknüpft und gepflegt hat. Die Jahre ihres Studiums an der HfK in Bremen hat sie im Übrigen in guter Erinnerung behalten. „Das war damals ein sehr freies Studium“, erinnert sie sich. „Die Professoren waren sehr engagiert und gespannt darauf, was wir machen. Wir konnten uns ausprobieren und hatten viele Freiräume – das war eine gute Grundlage für alles, was danach kam.“

Zu ihren wichtigsten Hilfsmitteln gehören ihr Notizbuch, in dem sie auch unterwegs spontane Ideen festhält, sowie ihr Skizzenbuch, in das sie erste thematische Annäherungen zeichnet.
Zu ihren wichtigsten Hilfsmitteln gehören ihr Notizbuch, in dem sie auch unterwegs spontane Ideen festhält, sowie ihr Skizzenbuch, in das sie erste thematische Annäherungen zeichnet. © WFB/Sarbach

Es darf auch hübsch sein

Für das gerade angelaufene Jahr erwartet Wurster, dass die Corona-Pandemie als großes Thema langsam abebben wird. „Der Verteilungskampf und die Umsetzung der Energiewende bleiben bestimmt weiterhin Thema und der schreckliche Angriffskrieg in der Ukraine leider wohl auch“, vermutet sie. Daneben werden aber auch die komischen und leichten Dinge immer wieder Eingang in ihre Cartoons finden. „Das finde ich auch wichtig“, betont sie. Das Leben biete nicht nur schwere Themen, sondern auch ganz viel Leichtigkeit und Nettigkeit, die sich gerne in Cartoons finden dürften: „Die Suche nach Schönheit bleibt ein wichtiger Aspekt. Es darf auch mal etwas einfach nur hübsch sein.“

Pressekontakt:

Miriam Wurster, Tel.: +49 421 2010416, E-Mail: post@miriamwurster.de

Bildmaterial: Das Bildmaterial ist bei themengebundener Berichterstattung und unter Nennung des jeweils angegebenen Bildnachweises frei zum Abdruck.

Foto 1: Das Erfolgsgeheimnis der Bremer Cartoonistin Miriam Wurster: Auch in schwierigen Zeiten den Humor nicht verlieren. © Jörg Sarbach

Foto 2: Bei ihren Cartoons komme es immer auf das „Wie“ an, sagt Miriam Wurster. „Bei dem Cartoon auf dem Friedhof zum Beispiel wollte ich das Leid der Menschen nicht verharmlosen und trotzdem diese unglaubliche Lüge bloßstellen.“ © Miriam Wurster

Foto 3: Um auf dem Markt bestehen zu können, brauche es sowohl künstlerisches Talent als auch Ideenreichtum, sagt die Cartoonistin Miriam Wurster. © Jörg Sarbach

Foto 4: „Idealerweise wirkt ein Cartoon ganz leicht, wenn er fertig ist“, sagt Miriam Wurster – so wie bei ihrem Cartoon mit dem Titel „Die deeskalierende Hundestaffel“. © Miriam Wurster

Foto 5: Zu ihren wichtigsten Hilfsmitteln gehören ihr Notizbuch, in dem sie auch unterwegs spontane Ideen festhält, sowie ihr Skizzenbuch, in das sie erste thematische Annäherungen zeichnet. © Jörg Sarbach 

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