Auf den Ton kommt es an
PressedienstDas Keramikhandwerk boomt – Im Bremer Viertel wird ausgebildet
Schönes aus Keramik boomt: Töpferkurse sind ausgebucht, Restaurants servieren auf Steinzeugtellern, Galerien entdecken Porzellan neu. Doch wer eine Ausbildung zum Keramikerin oder Keramiker machen will, hat es schwer. Ausbildungsplätze sind bundesweit rar gesät. Eine kleine Ausnahme bildet das Viertel in Bremen.
Das Drehen an der Töpferscheibe ist Teresa Rieger von Anfang an leicht von der Hand gegangen. Schwieriger ist für sie das Glasieren. „Da steckt ganz viel Feingefühl drin“, sagt sie. Die 27-jährige gebürtige Stuttgarterin macht seit 2019 in Bremen eine dreijährige Ausbildung zur Keramikerin. Dafür hat sie ihr Masterstudium der Kulturanalyse abgebrochen. „Ich wollte eine konkrete Berufsperspektive haben“, sagte die Wahl-Bremerin. „Und ich finde es sehr spannend, mit den Händen zu arbeiten.“ Mit ihrer Entscheidung für die Keramik ist Teresa Rieger nicht allein: Das jahrtausendealte Töpferhandwerk boomt.
Viele Keramiker sind Ein-Personen-Betriebe
Doch wer Keramikerin oder Keramiker werden möchte, muss einen langen Atem haben. Denn Ausbildungsplätze sind bundesweit rar gesät. Die meisten Betriebe bestehen nur aus einer einzelnen Keramikerin oder einem Keramiker. Sie scheuten vor dem Mehraufwand zurück, den ein Lehrling bedeuten würde, sagt Keramikerin Tanja Möwis, in deren Werkstatt und Laden im Bremer Szene-Quartier Viertel Teresa Rieger ihre Ausbildung macht: „Viele verkaufen ihre Werke an den Wochenenden auf Kunsthandwerkermärkten oder Ausstellungen. Ihnen gelingt es gar nicht, regelmäßig jeden Tag acht Stunden in der Werkstatt zu produzieren und für den Auszubildenden da zu sein.“ Ein Lehrling würde eine große Veränderung im Arbeitsalltag bedeuten.
Zu schaffen macht den kleinen Betrieben auch die Mindestausbildungsvergütung, die seit dem 1. Januar 2020 im Berufsbildungsgesetz festgeschrieben ist. „Die können sich viele nicht leisten“, sagt Keramikerin Frauke Alber, die ebenfalls im Bremer Viertel ausbildet. Sie rechnet damit, dass künftig noch weniger Ausbildungsplätze angeboten werden. Das befürchtet auch Dr. Nora Jensen, Fachbereichsleiterin an der Landesberufsschule für das Keramikhandwerk in Heide. „In den letzten 15 Jahren sind Ausbildungsplätze immer weniger geworden.“ Selbst alteingesessene Ausbildungsbetriebe hörten nun damit auf, Nachwuchs anzulernen.
Nachfrage nach Lehrstellen übersteigt das Angebot
Und so kommt es, dass die Nachfrage nach Lehrstellen das Angebot übersteigt. „Ich bekomme jeden Monat zwei bis drei Anfragen“, berichtet Frauke Alber. „Die Nachfrage hat dieses Jahr noch zugenommen.“ In ihrer Werkstatt kann sie immer nur eine Auszubildende zurzeit beschäftigen. Gerade hat Lisa Rosemann bei ihr ihre Gesellenprüfung absolviert, im November macht sich die Jung-Keramikerin in Bremen selbständig. Seit August hat Frauke Alber eine neue Auszubildende. In den letzten Jahren gab es noch mit Arend Harbertz einen dritten Keramiker, der im Bremer Viertel ausbildete.
Diese Häufung an Ausbildungsbetrieben auf wenigen Quadratkilometern ist ungewöhnlich: Sind es doch im gesamten Norden so wenige, dass die Keramik-Lehrlinge aus sieben Bundesländern zum mehrwöchigen Blockunterricht zur Landesberufsschule in Heide in Schleswig-Holstein fahren müssen. Um überhaupt auf Klassenstärke zu kommen, werden regelmäßig das erste und zweite Ausbildungsjahr zusammengelegt, sagt Nora Jensen. Aber auch so sind es nur 14 Schülerinnen und Schüler, mit denen Teresa Rieger zurzeit die Berufsschule besucht.
Handwerkliches Geschick und künstlerische Ader sind gefragt
Tanja Möwis findet es wichtig auszubilden, seit zwölf Jahren macht sie das. Stets waren es Frauen. „Ich hätte auch gerne mal einem Mann eine Chance gegeben, aber es hat sich nie jemand bei mir vorgestellt“, sagt die 49-Jährige. Sie nimmt die Bewerberinnen genau unter die Lupe, denn auch auf der persönlichen Ebenen müsse es passen. „Wenn man so eng zusammenarbeitet, muss man sich gut verstehen.“ Eine künstlerische Ader und handwerkliches Geschick sind ebenfalls wichtig: Der Ton wird zunächst geschlagen, auf der Drehscheibe in Form gebracht, nach dem ersten Rohbrand wird das Stück bemalt und glasiert. Anschließend wird noch einmal im Ofen bei bis zu 1300 Grad gebrannt. „Erst dann stellt sich heraus, ob man gut gearbeitet hat“, sagt Tanja Möwis. Je nach Beschaffenheit des Tons besteht das Endprodukt aus feinem Porzellan oder derben Steinzeug. „Mancher Ton ist mager und reißt schnell, anderer ist fett, dann kann man ihn gut in Kugelform ausarbeiten.“
Viele Auszubildende zur Keramikerin/Keramiker haben vorher etwas anderes gemacht
Zu Beginn einer Ausbildung erzielten die angehenden Keramiker rasche Erfolge. Doch wenn es später in die Tiefe des Handwerks gehe, kämen auch immer wieder Rückschläge. „In dem Beruf muss man, um gut zu werden, Ausdauer haben und die Fähigkeit besitzen, sich zu fokussieren. Diese Eigenschaften dürfen nicht verloren gehen“, betont Tanja Möwis. Viele Auszubildende brächten schon Erfahrungen aus anderen Bereichen mit. „Ich bin mit meinem Lebenslauf exemplarisch“, sagt Teresa Rieger. Viele in ihrer Berufsschulklasse hätten vor der Keramik-Ausbildung eine andere Ausbildung gemacht, Abitur sei inzwischen Standard.
Betriebe haben dank des Keramikbooms die Coronazeit bisher gut überstanden
Aber warum wollen plötzlich so viele junge Menschen Keramikerin oder Keramiker werden? „Keramik ist gerade total angesagt“, sagt Teresa Rieger. Die Generation ihrer Eltern habe sehr skeptisch reagiert, als sie ihr Studium abgebrochen habe, um zu dem Handwerk zu wechseln. „Aber Menschen in meinem Alter fanden es cool.“ Kreatives Handwerk boomt allgemein, sei es Kochen, Einmachen, Backen, Nähen oder Töpfern. „Die Bewegung zum Handgemachten spielt uns zu“, sagt Keramikerin Frauke Alber. Nur deshalb seien die Keramiker auch gut durch die Coronazeit gekommen, sagt Nora Jensen: „Es wurden ja alle Märkte und Ausstellungen abgesagt, aber die Werkstätten haben trotzdem gut verkauft.“ Die Bestellungen kamen per Telefon.
„Handwerk mit großem ästhetischen Anspruch“
Deutlich wird der Keramik-Trend auch darin, dass bundesweit immer mehr Töpferkurse angeboten werden. „Die Kurse sind überlaufen“, sagt Tanja Möwis, die selbst aber keine anbietet. Ihre Auszubildende Teresa Rieger glaubt, dass das auch mit Instagram zusammenhängt, wo viele schöne Bilder von Keramiken zu sehen sind. „Damit ist das Töpfern ins Bewusstsein der Menschen gerückt“, sagt Teresa Rieger, die sich schon vor ihrer Ausbildung eine Töpferscheibe gekauft hat. Ihr gefällt der Beruf: „Es ist ein Handwerk mit einem großen ästhetischen Anspruch.“ Ihre Lehrerin Nora Jensen sieht den Grund für die gestiegene Nachfrage nach dem Keramik-Handwerk auch darin, dass in vielen anderen Berufen nichts Greifbares erarbeitet werde: „Bei der Keramik schaffe ich etwas mit den Händen, das man sieht.“
Tanja Möwis stellt im Viertel nicht nur ihre gestreiften Vasen, Teller oder Becher her, sie verkauft sie dort auch. Und sie bemerkt das gestiegene Interesse an individuellen Tafelservices. „Restaurants, die etwas auf sich halten, bestellen gerade sehr viel handgearbeitetes Geschirr“, sagt sie. „Das war lange nicht so.“ Noch vor nicht allzu langer Zeit setzte die gehobene Gastronomie eher auf feines, weißes Porzellan und nicht auf zum Teil grobes Steinzeug, bei dem kein Teil dem anderen gleicht.
Tanja Möwis mag die Wertschätzung, die die Kunden ihr regelmäßig zeigen
Wer bei Tanja Möwis eine Tasse oder eine Vase kauft, schickt ihr auch gerne ein Foto davon in der neuen Umgebung zu Hause. Diese Wertschätzung sei es, die sie liebe an dem Beruf, sagt sie. Zu diesem gekommen ist sie durch die Familie ihres späteren Mannes. „Seine Mutter und sein Onkel sind auch Keramiker“, erzählt sie. Viele Wochenenden habe sie in der Werkstatt des Onkels zugebracht, ihm über die Schulter geschaut. Nach dem Abitur machte sie eine Keramik-Ausbildung, arbeite zunächst bei einem Gartenbaukeramiker, vor rund 16 Jahren machte sie sich dann selbstständig. Nachdem sie Fuß gefasst hatte, wollte sie auch ausbilden.
Viele Keramikerinnen und Keramiker eröffnen nach der Ausbildung ihre eigene Werkstatt, Angestellte gibt es in dem Bereich eher bei größeren Produzenten. Arbeitsmöglichkeiten finden sich nach Angaben von Nora Jensen aber auch in sozialen Einrichtungen mit Töpferwerkstatt. Für Teresa Rieger steht bereits fest, dass sie sich selbstständig machen will. Das nötige Rüstzeug dafür bekommt sie während ihrer dualen Ausbildung. „Ich würde nicht ausbilden, wenn ich nicht sicher wäre, dass die Chance besteht, in dem Beruf auch arbeiten zu können“, unterstreicht Tanja Möwis.
Pressekontakt:
Tanja Möwis, Tel.: 0421 6367775, E-Mail: tanja@moewis-keramik.de
Frauke Alber, Tel.: 0421 4989367, E-Mail: keramik@frauke-alber.de
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