45 Jahre für nachhaltige Abwasseraufbereitung
InternationalesBremer Organisation BORDA im Einsatz für das Menschenrecht auf Wasser und eine nachhaltige Sanitärversorgung
Immer noch sterben täglich rund 1.000 Kinder wegen mangelnder Hygiene, schmutzigen Wassers und schlechter Sanitärversorgung. Noch immer hat einer von drei Menschen keinen Zugang zu einer sauberen, hygienischen Toilette. Demgegenüber fordert das Entwicklungsziel (SDG) 6 der Vereinten Nationen seit 2015 die „Verfügbarkeit und nachhaltige Bewirtschaftung von Wasser und Sanitärversorgung für alle zu gewährleisten“.
Die gemeinnützige Fachorganisation BORDA leistet von Bremen aus in gut 20 Ländern, im globalen Süden, auf den Kontinenten, Afrika, Asien und Lateinamerika, einen wichtigen Beitrag dafür, dass sich die Situation bessert. Und feiert jetzt ihr 45-jähriges Jubiläum.
Vor 45 Jahren, am 07.07.1977, gründete eine Gruppe von Bremer Akademikern die gemeinnützige Organisation BORDA mit dem Ziel, die Lebensbedingungen von Menschen durch ressourcenschonende Technologien in den Ländern des Globalen Südens zu verbessern. War die Bremer Fachorganisation zunächst vorwiegend im Biogas-Sektor aktiv, entwickelte sie in den Folgejahren vor allem Lösungsansätze für nachhaltige, dezentrale und lokal angepasste Abwasseraufbereitungsanlagen (DEWATS).
2010 wurde sie für diese Innovation von der International Wasser-Agentur (IWA) ausgezeichnet. Das aufbereitete, gereinigte Wasser kann entweder zum Begießen einer Gartenanlage (zum Beispiel für einen Schulgarten) verwendet werden, oder es wird in einen nahegelegenen Wasserkörper geleitet. Das im Reinigungsprozess entstandene Biogas kann für die Stromversorgung der Anlage oder der anliegenden Kommune verwendet werden.
Seit einigen Jahren hat die Bremer Organisation ihr Portfolio zudem um den Bereich des sogenannten „Fäkalschlamm-Managements“ (FSM) erweitert. Dieser Ansatz konzentriert sich auf die Aufbereitung von Festabfällen, dem sogenannten Fäkalschlamm, der in nährstoffreichen Dünger umgewandelt wird und ergänzt somit die oben genannte Abwasseraufbereitung.
BORDA ist keine Organisation für Nothilfe, betont die Geschäftsführerin Judith Ringlstetter. „Wir wollen soziale Strukturen verändern, damit die Menschen in den Regionen in einer gesunden, lebenswerten Umwelt leben können,“ beschreibt Judith Ringlstetter den Antrieb der Fachorganisation. Unter dem Leitmotiv der Nachhaltigkeit, betreibt BORDA mittlerweile Büros und Projekte in über 20 Ländern, arbeitet eng mit einem Netzwerk von weltweit über 100 Partnerorganisationen zusammen und ist international anerkannt.
Partizipativer Ansatz: Beteiligte vor Ort einbinden
Ging es früher vor allem um sauberes Wasser und nachhaltige Energieversorgung, stehen heute vor allem dezentrale Abwassersysteme im Mittelpunkt. Die Fachleute von BORDA haben dazu Konzepte ausgearbeitet, die von Städten und Verwaltungen in Asien, Afrika, Lateinamerika und dem Nahen Osten auf ihre lokalen Gegebenheiten angepasst werden. BORDA unterstützt mit ihrem langjährigen Know-how bei der Planung, dem Bau und dem Betrieb der Anlagen. Dabei ist es besonders wichtig, die Leute vor Ort, die Bevölkerung sowie die lokalen Behörden und politischen Verantwortlichen in den Prozess einzubinden, damit die Einrichtung auch langfristig funktioniert.
Jede Region hat ihre eigenen Herausforderungen
Zwar gibt es allgemeingültige Konzepte zur Abwasseraufbereitung. Diese müssen aber von den Fachkräften vor Ort in Zusammenarbeit mit lokalen Behörden und Einwohner:innen nahezu immer an regionale Besonderheiten angepasst werden, so die Erfahrung der BORDA-Expert:innen.
Ein Beispiel: Der Bau einer Kläranlage im Himalaya-Gebirge in 3.500 Metern Höhe unterliegt besonderen Herausforderungen. Wenn es kalt ist, können die häuslichen Klärgruben nicht entleert werden. Hier kann nur ein System installiert werden, das die Temperaturen von bis zu minus 30 Grad aushält. Die BORDA-Expert:innen entschieden sich deshalb für ein bewachsenes “Vertikalfiltersystem”: Das bewachsene Filterbett wird von oben mit Abwasser beschickt, sodass das Abwasser vertikal durch den Filter fließen kann.
Andere Herausforderungen gibt es etwa in den Tropen: Hier müssen Anlagen besonders in den Regenmonaten häufig entleert werden, damit sie nicht überlaufen.
Die extreme Trockenheit in Jordanien, dem zweitwasserärmsten Land der Welt, erfordert ebenso individuelle Lösungen. Abwasser und Festabfälle dürfen nicht einfach im Wüstenboden verschwinden. Dementsprechend hat BORDA konkrete Konzepte entwickelt, damit das entstandene Abwasser sowie der Fäkalschlamm aufbereitet und wiederverwertet werden können.
Unterstützung durch die Nachhaltigkeitsziele der UN
Vor allem seit den letzten Jahren wird die Expertise des Bremer Vereins immer stärker nachgefragt - aus einem einfachen Grund: 2015 verpflichteten sich alle 193 Staaten der Vereinten Nationen im Rahmen der Agenda 2030 für ihre Einwohner:innen sauberes Wasser und eine angemessene sanitäre Infrastruktur bis 2030 zur Verfügung zu stellen. Eine Mammutaufgabe, denn mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung hat noch immer keine vernünftige sanitäre Grundversorgung. „Früher mussten wir viel Überzeugungsarbeit leisten, um Projekte realisieren zu können“, sagt Ringlstetter. „Seit dem es die Nachhaltigkeitsziele der UN gibt ist das anders. Wir müssen bei den Stadtverwaltungen und Regierungen nicht mehr so sehr darum kämpfen, weil den meisten die Problematik bekannt ist.” Ein wichtiger Bestandteil für die Arbeit von BORDA ist dabei das Vertrauen, das sich die Organisation über die Jahrzehnte erarbeitet hat.
Fäkalien – eine wichtige, nährstoffreiche Ressource
Als Bill Gates 2018 während einer Konferenz in Peking plötzlich ein Glas mit menschlichen Exkrementen neben sich auf den Tisch stellte, wollte er auf den Mangel an Toiletten beziehungsweise einer angemessenen, umweltgerechten Abwasserbehandlung in einigen Ländern des Globalen Südens aufmerksam machen. Hier entstehen Erreger tödlicher Krankheiten, an denen Millionen Menschen sterben.
Festabfälle - wie in dem Glas von Bill Gates - wurden von BORDA vor einigen Jahren als wertvolle Ressource erkannt. Bereits 2016 setzte die Bremer Organisation zusammen mit einer Partnerorganisation in einem Pilotprojekt in Devanahalli - einer indischen Stadt mit 30.000 Einwohner:innen - das Fäkalschlamm-Management um. Dieses Konzept wurde mittlerweile in mehreren Ländern, in denen BORDA tätig ist, übernommen.
Die Häuser verfügten zwar bereits über Klärgruben, doch der Fäkalschlamm wurde nicht regelmäßig abgeholt, und wenn doch, wurde er irgendwo in der Natur entsorgt. BORDA unterstützte beim Bau einer modernen Kläranlage, die mit mikrobiologischen Abbauprozessen arbeitet. In den Anlagen wird die Flüssigkeit aus dem Fäkalienschlamm so aufbereitet, dass sie zur Bewässerung von Feldern genutzt werden kann.
Das durch den Vergärungsprozess entstehende Biogas kann zudem zur Beleuchtung und zum Kochen verwendet werden. Der verbleibende aufbereitete Fäkalschlamm wird mit lokalem, organischem Abfall durchmischt und kann als nährstoffreicher Dünger auf Obstplantagen und Gemüsegärten wiederverwertet werden. Auf diese Weise leistet der Prozess einen Beitrag zur Ernährungssicherung für die Bewohner:innen der betroffenen Kommunen oder zum Beispiel für Schulen. Sie werden weniger abhängig von dem, was auf den Märkten gekauft werden müsste, und können das freie Geld beispielsweise für Schulmaterialien der Kinder verwenden.
Ein neues Gewerbe im Verborgenen
Dort, wo eine zentralisierte sanitäre Infrastruktur fehlt, müssen dezentrale Lösungen entwickelt werden, die sowohl Sammlung und Abtransport als auch eine Wiederverwertung des Fäkalschlammes berücksichtigen, damit die Menschen vor Ort nicht im wahrsten Sinne des Wortes auf ihren Ausscheidungen sitzen bleiben. Die Anlagen müssen verlässlich gewartet und entleert werden. An dieser Stelle kommen sogenannte „Sanitation Workers“ oder „Pit Emptiers“ zum Einsatz. Sie pumpen die Fäkalien mit Schläuchen aus den häuslichen Latrinengruben, um sie mit einem Truck, dem Sludge Truck, einem Tanklaster mit Absaugvorrichtung, in die Anlage zu bringen, wo sie aufbereitet werden können.
Städte wie Daressalam in Tansania sind aber sehr dicht besiedelt, besonders in den sogenannten Informal Settlements. Für Sludge Trucks gibt es hier kein Durchkommen. Also müssen die Fäkalien per motorisierter Handpumpe aus den Gruben geholt, in Fässer abgefüllt und auf Traktoren oder Lastenmotorrädern zu den entsprechenden Einrichtungen gebracht werden. Das geschieht meist im Verborgenen, zu Zeiten in denen die Straßen nicht belebt sind. In einigen Ländern, wie zum Beispiel Sambia oder Tansania, ist auf diese Weise ein Kleingewerbe entstanden. In Daressalam entstand daraus das innovative Kleinunternehmen Sludge Go.
Damit das System langfristig finanziert werden kann, erhebt die Stadtverwaltung eine kleine Gebühr. Die Arbeit bietet den „Sludge Workern“ wiederum eine Möglichkeit, etwas Geld zu verdienen, um aus ihren prekären Lebensverhältnissen zu entkommen und eventuell ihren Kindern eine Schulausbildung zu ermöglichen.
Das Jahresbudget des gemeinnützigen Vereins BORDA liegt bei acht Millionen Euro. Der überwiegende Teil kommt vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Weitere Mittel stammen vom Land Bremen, von Projekten in Zusammenarbeit mit der Weltbank oder von der Bill and Melinda Gates Foundation.
Bremer Unternehmen sollen mit ins Boot geholt werden
Um mehr Menschen zu einer angemessenen, umweltgerechten Sanitärversorgung zu verhelfen, will BORDA künftig mehr Unterstützer:innen finden, wie zum Beispiel die europaweit tätige Henry Lamotte Food GmbH. “In Zukunft wird das Wassermanagement in der Landwirtschaft und in weiterverarbeitenden Betrieben noch weiter in den Fokus rücken und auch die Sanitärversorgung von Bauern und Landarbeitern wurde bisher zu wenig in den Blick genommen“, sagt Maria Lamotte, Nachhaltigkeitsmanagerin bei dem Bremer Traditionsunternehmen.
Auch der Lions Club oder der Rotary Club finanzieren immer wieder Projekte in Asien und Afrika.
Eine 45-jährige Erfolgsgeschichte aus Bremen
Über 3.500 dezentrale Abwasserbehandlungssysteme hat BORDA bislang zusammen mit ihren Partnerorganisationen gebaut und in Betrieb genommen, wovon über eine Million Menschen profitieren können. Bildungsmaßnahmen, Wissenstransfer und partizipative Planungen sind dabei selbstverständliche und grundlegende Bestandteile eines Gesamtkonzeptes, das die Lebensbedingungen von mehr als einer Million Menschen verbessert hat.
Geht es nach der BORDA-Geschäftsführerin, sollen in Zukunft noch viele weitere folgen, damit das Nachhaltigkeitsziel 6, Sauberes Wasser und sanitäre Einrichtungen, für alle erreicht wird.
Pressekontakt:
BORDA e.V. (Bremen Overseas Research & Development Association), Mareike Drewes, Tel.: +49 421 40 89 52-0, E-Mail: drewes@borda.org
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