Ein Shootingstar im Holzgeschäft
Digitalisierung / Industrie 4.0Online Holz kaufen: Kahrs Holzhandel krempelt eine Branche um
Gepflegter Rauschebart, lässige Sneaker, Jeans und Polo-Shirt – Michel Kahrs gehört eindeutig zum Typ cooler Unternehmenslenker. Das passt auch gut zu seinem Image. Denn der 38-Jährige ist ein Shooting-Star im Holzgeschäft.
Geschichten über ihn erscheinen regelmäßig in den Fachmedien, auf Branchenevents hält er Vorträge und ist gern gesehener Gesprächsgast. Was hat es mit dem sympathischen Unternehmer auf sich?
Ein Querkopf mit einer Idee
Einerseits ist da der geschäftliche Erfolg: 2008, im zweiten Jahr nach seiner Gründung, durchbrach er mit seinem Kahrs Holzhandel die Millionengrenze, allein im vergangenen Jahr stieg der Umsatz um 50 Prozent. „Wir wachsen so schnell, dass wir 2020 eine kleine Pause einlegen möchten, um unsere Prozesse zu optimieren“, sagt der Geschäftsführer. Mittlerweile 60 Angestellte beschäftigt er bei der Kahrs GmbH.
Viel wichtiger als der geschäftliche Erfolg ist aber, wie er entstand. „Der Holzhandel ist eine recht konservative Branche. Als ich mit der Idee kam, Holz im Internet zu verkaufen, stieß ich bei meinen damaligen Chefs auf wenig Begeisterung, das war frustrierend. Ich wollte es moderner, wollte beweisen, dass es auch anders geht. Deshalb habe ich mit meinem Internethandel für Holz selbstständig gemacht“, erinnert er sich heute.
Marktführer im Terrassengeschäft
Dass er sich auf keinem Holzweg befand, beweisen nicht nur das kometenhafte Wachstum oder die Tatsache, dass mittlerweile zahlreiche andere Holzhändler im Internet unterwegs sind. Auch ein Rundgang auf dem Firmengelände gibt so einige Hinweise: Etwa die 12.000 Quadratmeter große Halle, bis an die Decke vollgepackt, es duftet herrlich nach frischem Holz.
Zehn 40-Tonner fahren jeden Tag auf den Hof und brummen frisch beladen zu Zielen in ganz Deutschland. Auf der Ladefläche vor allem Terrassenhölzer, Kahrs ist in diesem Segment einer der Marktführer. In der Halle lagern Terrassendielen und Konstruktionsholz mit so wohlklingenden Namen wie Ipé, Cumaru, Garapa und Guyana Teak – und bekanntere Tropenholzarten wie Bangkirai oder Bongossi.
FSC-Zertifikat hilft Wald und Bevölkerung
Kahrs ist spezialisiert auf den Handel mit Tropenhölzern. Die sind aufgrund ihrer Widerstandsfähigkeit besonders beliebt bei den Deutschen. Alle Erzeugnisse sind dabei FSC-zertifiziert oder stammen aus nachhaltiger Forstwirtschaft. „Was viele nicht wissen: Zertifiziertes Tropenholz schützt den Regenwald. Denn es verschafft den Bewohnerinnen und Bewohnern in den Äquatorregionen ein sicheres Einkommen. Sie müssen nicht zu Fackel und Feuerzeug greifen, um Farmland zu gewinnen“, erläutert Kahrs. Im Gegensatz zur nordeuropäischen Waldwirtschaft werden in den Tropen keine Forste aus Monokulturen angepflanzt, sondern einzelne Bäume gezielt aus dem Ökosystem genommen. Kleinere können die entstandenen Lücke nutzen, um nachzuwachsen.
Neben Tropenhölzern führt Kahrs Holzhandel aber auch heimische Arten wie Eiche, Lärche oder Robinie. „Wir liefern Holz für rund 15.000 Terrassen im Jahr. Das Endkundengeschäft macht aber nur die Hälfte unseres Gesamtabsatzes aus. Der Rest geht an andere Holzhändler, Handwerker und Objekteure.“
Darf‘s noch ein Unternehmen sein?
Mit seinen zwei Onlineshops holz-kahrs.de für Businesskunden und holzhandel-deutschland.de für Endkunden ist die Erfolgsstory aber noch lange nicht auserzählt. Als Pionier im Internethandel schufen Michel Kahrs und sein Team in den vergangenen Jahren viele technische Grundlagen, um Holzprodukte online verkaufen zu können. Dieses Wissen hat er zwischenzeitlich in eine eigene Agentur ausgelagert, die Bremer Webcustoms IT Solutions GmbH. Insgesamt 16 Softwareentwickler und Marketingspezialisten bringen hier nicht nur die Kahrs GmbH nach vorne sondern auch deren Marktbegleiter sowie Unternehmen aus verschiedensten Branchen.
Erst belächelt, dann kopiert – es ist nicht die erste Erfolgsgeschichte dieser Art. Aber wohl eine der wenigen, wo der Kopierte auch noch Profit daraus schlägt. „Wir unterstützen den Holzhandel bei der Digitalisierung. Der Markt ist groß genug, dass wir uns dabei nicht in die Quere kommen“, ist der Mehrfach-Gründer überzeugt.
Jetzt produziert er auch noch Möbel
Und mit dem neuesten Unternehmenszugang betritt Kahrs – ähnlich wie es auch Amazon mit mehreren Geschäften derzeit ausprobiert – wieder klassischeren Handelsboden: Mit Timberty hat er einen Onlineshop geschaffen, der in der Bremer Innenstadt zugleich einen Showroom betreibt. „Timberty“ steht für Timber und Eternity, Holz und Ewigkeit. „Wir setzen einen Kontrapunkt zur Wegwerfgesellschaft im Möbelhandel. Wir produzieren Möbel aus Massivholz, die Jahrzehnte halten. Jedes Stück ist dabei ein Unikat“, so der Unternehmer.
In einer Tischlerei formen sie Tische aus Hölzern aus aller Welt. Insbesondere Tischplatten, die aus einen Stück bestehen, sowie sogenannte River Tables mit Einlagen aus Epoxidharz sind die Spezialität von Timberty. Neben Endkunden ist Kahrs mit Timberty auch im Objekt- und Ladenbau tätig und war beispielsweise am Innenausbau vom WK Weserstrand Café in der Bremer Langenstraße beteiligt.
Corona lässt Nachfrage wachsen
Mehrere Unternehmen, explodierendes Wachstum – hält einen da die Coronakrise auf? „Tatsächlich erleben wir gerade einen Boom im Onlinegeschäft. Die Menschen fahren nicht in den Urlaub und haben mehr Zeit und Geld, Haus und Garten zu verschönern“, so der Unternehmer, der sein Wissen auch als Dozent an einer Fachhochschule weitergibt.
Fasst man das alles einmal zusammen, bleibt nur zu sagen: Der hat ganz schön viel Holz im Kopf. „Mir macht es Spaß, Dinge mit anderen voranzutreiben. Und ich brenne für die Holzbranche. Würde es mich nicht mehr täglich aufs Neue motivieren, würde ich wohl etwas anderes machen“, ist er überzeugt. Das kann aber noch lange dauern.
Manchmal ist er dabei über seinen Erfolg selbst überrascht. „In der Branche gibt es kaum einen, der uns nicht kennt, das ist schon der Wahnsinn, wirkt beinahe schon surreal. Geschäftsführer, zu denen ich früher aufsah, wollen heute mit mir sprechen“, erzählt der Holzexperte, während er von seinem Schreibtisch über die weiten Lagerhallenkomplexe des Bremer Industriehafens blickt, stolz auf das, was er geschaffen hat.
Unterstützung durch WFB und BAB
Seit neuestem hat der Shootingstar die Weichen für weiteres Wachstum gestellt: In einer Ecke des Holzlagers steht ein mehrere Meter hoher grauer Klotz, wie eine Art überdimensionaler Kühlschrank. Ein automatisches Kleinteilelager, in dem Schrauben, Nägel, Lacke und Öle oder andere Zubehörteile aufbewahrt werden. Ein Projekt, dass er dank des Landesinvestitionsförderprogramms der BAB – die Förderbank stemmen konnte. „Die Zusammenarbeit mit der Bank hat das Projekt erst möglich gemacht. Das Lager spart Platz und erlaubt es uns, schneller Bestellungen zusammenzustellen“, so Kahrs, der schon zum dritten Mal mit der Förderbank kooperiert. Und wie mit der BAB, arbeitet der Unternehmer auch mit der Wirtschaftsförderung zusammen: Bei seiner Ansiedlung in Bremen vor neun Jahren unterstützte die WFB beratend bei der Standortwahl.
Was die kommenden Jahre bringen werden, dass weiß Kahrs noch nicht. Zweifellos wird er aber wieder ganz vorne dabei sein. Die „Rakete im Holzhandel“, wie jüngst ein Fachmagazin über ihn titelte, ist noch längst nicht ausgebrannt.
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