Der Think-Tank für den Gaumen
Nahrungs- und GenussmittelwirtschaftWie culicons hilft, ein Lebensmittel-Start-up in Bremen zu gründen
Mark Timur Budak liebt Eis. Aber gleichzeitig will der junge Gründer sich gesund ernähren, fit sein. Ein Dilemma für den 26-jährigen, mit dem er nicht allein ist. Immerhin 7,9 Liter Speiseeis verdrückt jeder Deutsche im Jahr – die sich schnell auf den Hüften bemerkbar machen.
Wie beides verbinden? Eisgenuss ohne Reue? Noch während seines Studiums setzte Budak sich an die Eismaschine seiner Mutter und testete, mit Agavendicksaft als Ersatz für den Zucker, mit frischen Zutaten, ohne Industriezusätze. Herausgekommen sind drei Sorten Speiseeis unter dem Markennamen „94 Icemen“. Sie verbinden die beliebtesten Geschmacksvarianten Vanille, Erdbeer und Schokolade mit jeweils einem raffiniertem Extra: „Schokoladen-Eis mit Dattelstückchen und gerösteten Kakaonibs“ ist etwa eine davon.
Mit seiner wunderfood GmbH möchte der junge Süßspeisenfan der Industrie Paroli bieten. Die erste Charge mit 50.000 Bechern ist bereits in Produktion. Er liegt damit voll im Trend: Verbraucher legen zunehmend Wert auf gute Zutaten, suchen nach Alternativen zur Convenience-Industrie. „Craft“-Produkte, Handgemachtes aus kleinen Manufakturen und jungen Unternehmen, werden immer beliebter.
Einstieg in Lebensmittelbranche schwer
Eine Nische, in die Start-ups perfekt passen und Foodliebhaber (Foodies) ihre neuen Ideen einbringen könnten – wären die Einstiegshürden nicht so hoch. „Die Nahrungsmittelindustrie hat viele Besonderheiten, hohe Auflagen und viele Vorschriften, die Unternehmen erfüllen müssen. Allein die Investition in eine Produktionsküche ist enorm hoch. Und das geht in anderen Bereichen weiter – etwa Lager oder beim Einkauf. Das können Existenzgründer kaum überblicken und allein finanzieren“, schildert Christian Holz, Gründer von culicons.
Holz kennt sich mit der Lebensmittelindustrie aus. Seine Beratungsunternehmen sitzt in der Bremer Neustadt, in der Alten Schnapsfabrik, einem Haus für Kreative Köpfe aus allen Branchen. Dort betreibt er culicons, einen Dienstleister für die Nahrungsmittelindustrie. Er berät die großen Namen und entwickelt für sie Inhalte – etwa Rezepte, Kochvideos, Foodfotos – die auf Webseiten, in Produkttexten oder in Magazinen erscheinen.
Eine seine Leidenschaften sind aber junge, lokale Food-Start-ups. „Bremen hat ein großes Potenzial für Start-ups in der Lebensmittelbranche, das will ich unterstützen“, sagt er. Darum hat er zusammen mit seinem Geschäftspartner Felix Schubert die culicons Holz & Schubert GbR gegründet, die sich schwerpunktmäßig um junge Food-Start-ups kümmert.
Den Weg ins Regal finden
In der Bremer Neustadt kreuzten sich dann auch die Wege von Christian Holz und dem Eisrevoluzzer Budak. Budak hatte sich zunächst eigenständig auf die Suche nach einem Produzenten für sein Speiseeis begeben, blitzte jedoch bei der Industrie ab. „Auf einem Start-up-Event habe ich dann den Tipp erhalten, mich bei Christian zu melden“, erzählt der Eis-Enthusiast, „ohne ihn hätte ich es nicht geschafft!“
Für Holz ist dieser Werdegang typisch. „Die Märkte sind gesättigt, die Innovationsrate gering, die Produzenten sind auf ihre industriellen Prozesse fokussiert. Für junge Start-ups kann das sowohl eine Hürde als auch eine Chance bedeuten.“
Branchengrößen aus Industrie und Handel wie Mondelez, Metro oder Bahlsen unterstützen regelmäßig Start-up-Wettbewerbe und sind auf der Suche nach neuen Ideen. Wer es jedoch aus eigener Kraft schaffen möchte, für den werde es schwieriger, so Holz. Gerade, wenn es darum ginge, Produkte im Einzelhandel zu platzieren. Diese Erfahrung musste auch Timur Budak machen, ist aber dank der Unterstützung aus der Bremer Neustadt jetzt auf einem guten Weg: In den ersten Edeka- und REWE-Märkten in der Region gibt es bereits „94 Icemen“ zu kaufen.
Ein Think-Tank für die Lebensmittelindustrie
Neuen Ideen den Weg ebnen – Holz ist nicht der einzige, der das in Bremen möglich machen möchte. Darum werden er und sein Geschäftspartner Schubert zurzeit vom Senator für Arbeit, Wirtschaft und Häfen und der BAB – Die Förderbank für Bremen und Bremerhaven gefördert, um eine Machbarkeitsstudie für ein „Food Hub & Think Tank Bremen“ durchzuführen.
Dahinter verbirgt sich eine Gründerschmiede für Lebensmittelenthusiasten. An einem Ort soll alles zusammenkommen: Wissen über die Branche, Weiterbildungsmöglichkeiten, Büroräume, Produktionsküchen und Lager. Gründerinnen und Gründer könnten sich hier ausprobieren, an ihren Ideen feilen und die Produktion aufnehmen. Ein bisschen wie ein Coworking-Space für Foodies. Bremen soll die erste Wahl für Lebensmittel-Start-ups werden, so die Vision.
Der Food Hub soll das Angebot des Starthauses Bremen ergänzen. „Die Lebensmittelbranche hat sehr viele Besonderheiten, da braucht es Spezialisten. Wir von culicons könnten uns vorstellen, einen solchen Think-Tank zu betreiben“, so Holz.
Durch die Nähe zur Lebensmittel-Branche, die sich in Bremen im Interessenverband der Nahrungs- und Genussmittelwirtschaft Bremen (NaGeB) zusammengeschlossen hat, könnten Start-ups und etablierte Industrien im Land Bremen Überschneidungspunkte finden. Dazu kämen die Finanzierungssäulen des Bremer Gründer-Ökosystems, die über Kredite, Beteiligungen oder Investoren jungen Start-ups auch eine finanzielle Perspektive bieten.
Der Wegbereiter für gute Ideen
Die Studie wird Ende 2018 beendet. Bis dahin wird sich Christian Holz weiter persönlich um seine Start-ups kümmern. „Wenn mich eine Idee überzeugt, bin ich dabei“, sagt Holz, „bei den 94 Icemen gefällt mir der Gedanke eines gesunden Eises, ohne unnötige Zusätze. Das hat Potenzial auf dem Markt.“ Neben wunderfood, dem Unternehmen hinter der „94 Icemen“-Marke, unterstützt er noch weitere junge, frische Ideen, etwa der Gewürzanbieter Yummy Organics. Neue Verlockungen für den Gaumen – da wird Bremen mit Sicherheit auch in Zukunft ganz vorne mitspielen.
Mehr zur Nahrungs- und Genussmittelwirtschaft in Bremen bei der Wirtschaftsförderung Bremen oder bei Dieter Voß, Senator für Wirtschaft, Arbeit und Häfen, dieter.voss@wah.bremen.de, 0421 361-32175
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