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11.1.2018 - Artikel aus der Dezember 2017-Ausgabe der Logistics Pilot / Claudia Behrend

Kontrolle bis zum Übermaß

Maritime Wirtschaft und Logistik

Ein Besuch beim Tally Service Runge in Bremerhaven

Moderne Autotransporter fassen mehr als 8000 Fahrzeuge. Der Stellplatz jedes einzelnen muss von den Tallys genau geplant werden.
Moderne Autotransporter fassen mehr als 8000 Fahrzeuge. Der Stellplatz jedes einzelnen muss von den Tallys genau geplant werden. © K-Line

Im berühmten Banana Boat Song von Harry Belafonte rufen die Hafenarbeiter nach ihm: „Come, Mister tally man, tally me banana.“ Der Tallymann soll kommen, um die auf das Schiff verladenen Bananen zu zählen, damit sie ihre Schicht beenden können und ihren Lohn bekommen. Die Berufsbezeichnung hat sich inzwischen zwar mehrfach geändert – zeitweilig hieß sie Seegüterkontrolleur, inzwischen Fachkraft für Hafenlogistik. Nach wie vor möchten sie aber am liebsten Tallys genannt werden. „Den Namen versteht man in jedem Hafen der Welt“, betont Björn Deis, Obertally vom 1644 gegründeten Bremerhavener Tally Service Hermann Runge, der zu den ältesten Hafenunternehmen Bremens zählt.

Vor der Verladung wird vermessen

Beim Umschlag von Fahrzeugen für den Transport auf einem RoRo-Schiff beginnt die Arbeit der Kontrolleure bereits vor der Ankunft des Schiffs: „Drei bis vier Tage vorher fangen wir damit an, die High-and-Heavy-Ladung für das Schiff zu vermessen“, berichtet Stauplanzeichner Lukas Neumann vom Tally Service Runge. Eine Vielzahl von Nutzfahrzeugen muss von Neumann und seinen Kollegen in ihrer Breite, Höhe und Länge auf dem Autoterminal vermessen werden. Hier ist Genauigkeit unerlässlich, denn die ermittelten Zahlen sind die Basis der Frachtberechnung durch die Reederei.

Manchmal müssen sich die Tallymänner allerdings erst einmal auf die Suche nach den zu verladenen Fahrzeugen machen. „Wir bekommen zwar eine Platzliste von der BLG“, sagt Neumann, „diese ist aber nicht immer vollständig aktuell, da sich oft noch kurzfristig Änderungen ergeben.“ Wenn das Fahrzeug auf dem Terminalparkplatz lokalisiert ist, geht es ans Vermessen. Allein kann Neumann das jedoch für kaum ein Fahrzeug oder andere Ladung auf Mafi-Trailern durchführen, es sei denn, sie ist kastenförmig beziehungsweise man kann die Abgrenzungen vom Boden aus sehen. Ansonsten sind immer zwei Kontrolleure gemeinsam unterwegs. „Unser wichtigstes Arbeitsmittel ist dabei nach wie vor das Maßband“, berichtet Deis. Meist seien zehn Meter ausreichend, gelegentlich kommt auch eine Messlatte zum Einsatz. Anspruchsvoll wird es dann, wenn beispielsweise die Ladung bei Mafi-Trailern nicht kastenförmig und so voluminös ist, dass man den höchsten Punkt nicht sehen kann. Dann behelfen sich die Tallymänner damit, dass einer von ihnen auf ein anderes Fahrzeug steigt und eine Stelle zum Peilen suchen und finden muss. „Einen Laser haben wir natürlich auch schon ausprobiert, aber das hat nicht gut funktioniert und dauert länger“, berichtet Deis. „Im Schuppen und für Kisten geht das prima, aber hier draußen blendet zum Beispiel die Sonne oft zu stark.“

Auch wenn viele Hersteller Neufahrzeuge mit Maßangaben versehen, heißt dies noch lange nicht, dass diese auch hundertprozentig exakt und korrekt sind. Um das zu beweisen, muss Deis nicht lange suchen: Neuman und er vermessen einen Traktor, dessen Länge mit 660 Zentimeter Länge angegeben ist – tatsächlich sind es allerdings 664 Zentimeter. Bei Gebrauchtfahrzeugen fehlen diese Angaben in aller Regel ohnehin. „Gemessen wird daher immer“, betont Deis. Hilfreich sind dabei natürlich die Erfahrungswerte von ähnlichen Fahrzeugtypen. Routine ist auch aus einem anderen Grund wichtig: Viel Zeit pro auszumessendes Fahrzeug haben die Tallymänner nicht. Am Schreibtisch muss zudem alles genau dokumentiert werden, was vor Ort mit Stift auf einem Zettel notiert wurde. Meist kommen allerdings auch ein paar Fahrzeuge verspätet an oder werden nachgebucht, sodass die Kontrolleure immer mal wieder von ihren Büroräumen im nahe gelegenen Gatehouse zum Terminal fahren.

Steht alles am richtigen Platz? Das kontrollieren die Tallys akribisch
Steht alles am richtigen Platz? Das kontrollieren die Tallys akribisch © Logistics Pilot/bremenports

Jeder Pkw wird gescannt

Wenn das Schiff dann am Pier liegt, wie am 2. Oktober der RoRo-Carrier „Höegh Trigger“ der norwegischen Reederei Höegh Autoliners, haben die Tallymänner und -frauen ebenfalls gut zu tun. Vor einer Holzbude, die sie vor Wind und Regen schützt, steht Christina Froese und scannt mit einem Handgerät jeden Pkw, bevor er über die 45 Meter lange Rampe auf das 8.500 CEU (Car Equivalent Unit) fassende Schiff mit seinen 14 Decks fahren darf. Am Auto hat die BLG Logistics dafür auf der linken Seite der Windschutzscheibe einen Aufkleber mit einem 17-stelligen Barcode angebracht. Auf diesem befinden sich zudem die Tallynummer, die Chassisnummer des Fahrzeugs und sein Gewicht. Zusätzlich gleicht Froese zur Sicherheit auch noch die letzten sechs Ziffern, die ihr der Handscanner anzeigt, mit denen auf dem Sticker ab. Um 10:45 Uhr sind bereits 251 Autos an Bord, 193 weitere muss Froese bis 14 Uhr noch mit ihrem Scanner erfassen. Die Pkws verschiedener deutscher Automobilhersteller werden zu den Häfen von Durban (Südafrika), Le Port (La Réunion), Port Louis (Mauritius) und Toamasina (Madagaskar) transportiert. In welcher Reihenfolge sie an Bord gefahren und wo sie dort gestaut werden, hat der Port Captain der Reederei festgelegt, der für die Stauplanung verantwortlich ist.

Tallys erstellen Stauplan und Manifest

Dafür, dass die richtige Ladung auf dem richtigen Schiff verladen wird, müssen allerdings die Tallys geradestehen. Auf dem Car Carrier wiederum kümmert sich dann die BLG Logistics um das Einweisen und Laschen. Den Ladungskontrolleuren kommt freilich auch hier eine wichtige Aufgabe zu: Neumann muss als Stauplanzeichner die bereits verladenen Fahrzeuge und Mafi-Trailer sichten, mit seiner Liste abgleichen und danach auf einem Schiffsplan exakt einzeichnen, wo die Ladung gestaut wurde. Zudem notiert er bei den Pkws die Anzahl pro Destination und das sogenannte Schnittgewicht der Partie, bei High and Heavy ebenfalls die Menge, aber das tatsächliche Gewicht. Gefragt ist dabei neben dreidimensionalem Vorstellungsvermögen vor allem sicheres Rechnen, gutes Augenmaß und Zeichentalent, denn gerade die Nutzfahrzeuge stehen nicht immer ausschließlich in geraden Reihen. Was Neumann in seiner Skizze mit dem Bleistift bereits ziemlich akkurat eingezeichnet hat, überträgt er anschließend im Büro durch Abzeichnen noch einmal auf einen finalen Schiffsplan. Voraussetzung ist, dass man recht klein schreiben kann. „Wer als Stauplanzeichner arbeitet, sollte das ABC auf der Querseite einer Zigarettenschachtel notieren können“, so Neumann. „Mit dem Computer ginge es nicht schneller und besser, und außerdem möchte auch Höegh einen handschriftlichen Stauplan von uns bekommen.“ Bei anderen großen Reedereien, für die der Tally Service arbeitet, sei das auch so.

Nicht immer sind die an Bord vergebenen Stauplätze fix. Durch Umbuchungen oder den Wegfall von Ladung muss der Port Captain ab und zu auch sehr kurzfristig den Stauplatz für einzelne Fahrzeuge verändern. „Meist bekommen wir dazu eine Information, aber manchmal bleibt leider nicht genügend Zeit dafür, in jedem Fall müssen wir alle Änderungen genauestens berücksichtigen“, berichtet Neumann. Er muss also während des gesamten Verladungszeitraums die komplette Ladung im Blick behalten, immer wieder zählen und mit ein Auge darauf haben, dass die tatsächlichen Stauplätze mit seiner Skizze übereinstimmen. „Manchmal ist es ganz schön hektisch, dann muss man die Ruhe bewahren“, so Neumann. Heute ist nicht sicher, ob für neun Pkws, die sehr kurzfristig gebucht wurden, noch rechtzeitig die Zollformalitäten für den Export abgeschlossen werden können. Sollten diese am Nachmittag, wenn die Verladung für Pkws eigentlich bereits abgeschlossen ist und die Rampe für High and Heavy reserviert ist, noch an Bord gefahren worden sein, muss Neumann seine Skizze also kurzfristig wieder updaten. Er ist die Hektik allerdings gewohnt: „Bis zu zehnmal pro Tag fahre ich ohnehin zwischen unserem Büro und dem Terminal hin und her.“ Im Normalfall bringt Neumann als Stauplanzeichner – so ist es üblich – aber rechtzeitig vor Abfahrt des Schiffs die Skizze und die Manifeste für die komplette Ladung an Bord. (cb)


Dieser Artikel stammt aus der Dezember-Ausgabe des Magazins Logistics Pilot, herausgegeben von bremenports.

Weitere Informationen zum Logistikstandort Bremen und Bremerhaven erhalten Sie hier oder bei Andreas Born, Innovationsmanager Maritimes Cluster Norddeutschland und Industrie 4.0 , Tel. 0421 361-32171, andreas.born@wah.bremen.de

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