Ein fauchender Drache, ein rasender Motorradfahrer oder ein müder Abgeordneter: Der Bremer Künstler Walter Ruffler erweckt mit seinen mechanischen Skulpturen Papier zum Leben. Über eine Kurbel lassen sich die Figuren bewegen. Geliebt werden die Kunstwerke nicht nur in Deutschland.
An den Moment, als er zum ersten Mal um ein Autogramm gebeten wurde, kann sich Walter Ruffler noch genau erinnern. Es war vor 18 Jahren in London im Cabaret Mechanical Theatre, als er eine Ausstellung zu kinetischer Kunst besuchte – also mit Kunstobjekten, die sich bewegen. Da trat ein Geschäftsmann aus Japan auf den Besucher aus Bremen zu und rief erfreut: „Sie sind Walter Ruffler! Ich liebe Ihre Papiermaschinen.“ Der Japaner fragte nach einem Autogramm und bot an, Rufflers Bastelbögen für mechanische Papierskulpturen in Japan zu vertreiben. „Bereits im nächsten Jahr bestellte er 1200 meiner Bausätze, und die Geschäftsbeziehung bestand viele Jahre“, erzählt Ruffler.
Papierfiguren lassen sich über eine Kurbel bewegen
Walter Rufflers Kunst ist eine Besondere, denn wer ein Werk von ihm besitzen möchte, muss erst einmal zu Schere oder Cutter, Kleber und Lineal greifen. Bögen müssen ausgeschnitten, gefaltet und geklebt werden. Drei bis fünf Seiten umfassen seine Ausschneidebögen mit Anleitung. Die Bastlerinnen und Bastler benötigen Ausdauer: „Je nach Komplexität braucht man sechs bis sieben Stunden, Anfänger vielleicht noch etwas länger.“
Doch der Aufwand lohnt sich: Am Ende kommt ein fauchender Drache zum Vorschein, ein rasender Motorradfahrer mit Beifahrerin oder ein Angler mit Möwe auf dem Hut. Über einen Kurbelmechanismus lassen sich die Papierfiguren bewegen: Der Drache reißt sein Mal auf und schlägt mit den Flügeln, der Motorradfahrer rast über Stock und Stein, der Angler müht sich, einen Fisch an Land zu ziehen. Rund 60 Modelle hat Ruffler bereits entwickelt.
Der Volksvertreter fand sogar im „Spiegel“ eine Erwähnung
Seine bekannteste Papiermaschine ist der Volksvertreter. Der 71-Jährige holt ein Exemplar aus einem der dicht gefüllten Regale in seinem Atelier in Bremen-Hastedt hervor: Ein Abgeordneter sitzt an einem Pult, sein Kopf und seine Arme hängen herunter. Ruffler dreht an der seitlichen Kurbel am Sockel. „Jetzt geht es um die Abstimmung im Parlament“, erklärt der Künstler das Motiv während er weiterdreht. Der Parlamentarier schreckt auf, hebt einen Arm zögernd zur Abstimmung und lässt ihn danach wieder fallen, der Kopf sinkt auf die Brust: „Er hat abgestimmt und ist völlig fertig.“
Ruffler saß vier Jahre als Abgeordneter in der Bürgerschaft
Die Figur ist eine humorvolle Anspielung an seinen eigenen Ausflug in die Politik. Anfang der 1990er Jahre saß er für vier Jahre als Abgeordneter in der Bremischen Bürgerschaft. Der „Volksvertreter“ schaffte es 2002 ins Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“. „Dieser Abgeordnete ist sogar käuflich“, hieß es dort zweideutig - und weiter klarstellend: „für 7,50 Euro in ausgewählten Bastelbogen- oder Museumsshops“. Solche kleinen Dinge zum Schmunzeln gefallen Walter Ruffler. Inzwischen kostet der Bastelbogen 10 Euro.