Großes Kino! – Filmunterhaltung als Gesamterlebnis
TourismusBen Becker und Dani Levy sind regelmäßig Gast im Hause, Fatih Akin, Katja Riemann und Wim Wenders waren auch schon da, der vielleicht prominenteste Besucher ist Michel Piccoli. Die Rede ist von der Schauburg, Bremens ältestes, noch bestehendes Kino. Ich hab den Inhaber getroffen und durfte hinter die Kulissen des Arthouse-Kinos schauen.
Inhaber Manfred Brocki sitzt mir gegenüber. Er hat hier Anfang der 80er Jahre an der Kinokasse gearbeitet. Dem damaligen Kulturverein ging es finanziell nicht all zu gut und da habe es irgendwann geheißen: „Da sitzt dienstags doch immer ein Betriebswirt an der Kasse, fragen wir den doch mal, was man besser machen kann – diese Person war ich“, erinnert sich Manfred Brocki lachend. Zwei Jahre später war aus dem Verein eine GmbH geworden und aus dem ehemaligen Kinokartenverkäufer der Geschäftsführer. Heute sind unter dem Namen Bremer Filmkunsttheater drei Häuser zusammen gefasst, für ein viertes – nämlich das Cinema Ostertor – wird seit einiger Zeit das Programm mit geplant.
Wenn man mit Manfred Brocki über all die Begegnungen mit Stars der vergangenen drei Jahrzehnte spricht, betont er vor allem jene, die ganz unkompliziert und ohne große Allüren daher kamen. Armin Müller-Stahl sei so einer gewesen – „Der ist hier noch am Tag vor Weihnachten zu einer Premiere aufgetaucht“, erinnert sich der Kinobetreiber. Auch Michel Piccoli folgte einer Einladung des Kinos und sei an einem Sonntag morgen wie ein ganz gewöhnlicher Besucher alleine in die Schauburg geschlendert.
Fotowand als Archiv
Wir stehen inzwischen vor einer riesigen Fotowand – wenn man so will, das Herzstück des Kinos im Gastrobereich. Eingerahmte Autogrammkarten, Fotos von Filmpremieren, Zeitungsartikel bilden eine Art offenes Archiv zur Zeitgeschichte des Hauses. An der schmalen Wand am Eingang hängen noch alte Fotos des Gebäudes, das 1929 gebaut und als Lichtspielhaus eröffnet wurde. Manfred Brocki zeigt auf einen Zeitungsartikel: „Wir haben natürlich von Zeit zu Zeit auch mal Premieren von Bremer Filmemachern. Diese hier war zum Beispiel sehr spannend.“ Im Titel lese ich den Namen Marita Lorenz – und da klingelt etwas bei mir. Vor langer Zeit verschlang ich mal ein Buch über ihre Lebensgeschichte, die mich sehr faszinierte. Die Bremerin war nämlich die Geliebte Fidel Castros. Der Journalist und Regisseur Wilfried Huismann machte 2001 einen Film darüber und zur Premiere in der Schauburg war auch die Protagonistin selbst vor Ort und erzählte von ihren Erlebnissen. Da wäre ich gerne dabei gewesen, denke ich.
Die Welt der Geschichten
Ich stelle schnell fest, dass hier wirklich hinter jedem Foto eine Geschichte steht. Apropos Geschichten: Filme seien schon immer eine seiner Leidenschaften gewesen, erzählt Manfred. Dicht gefolgt von gutem Wein. „Den kann man genauso wenig blind kaufen wie Filme“, zieht er die Parallele. Regelmäßig ist er auf Filmfestivals wie der Berlinale und in Cannes sowie auf Messen zugegen und stellt aus den dort gesehenen Filmen sein Programm zusammen. In seinen Kinos vereint er die filmische Vorliebe mit der für Kulinarisches, denn auch die Gastronomie ist ein zentraler Aspekt. „Es geht einfach um das Gesamterlebnis“, erklärt er. Ein gemütliches Ambiente, ausgewählte Getränke und Speisen – oft von regionalen Anbietern – gehören für Manfred Brocki zu einem Kinobesuch dazu.
Die Quelle des Lichts
Ich darf auch noch einen Blick hinter die Kulissen werfen. Das ist anders als im Theater ja bekanntermaßen nicht hinter dem Vorhang auf der Bühne, sondern der Vorführraum am anderen Ende des Kinosaals. Erst einmal geht Manfred mit mir in den Raum für den kleinen Saal. Die Lüftung des digitalen Projektors rauscht laut. Früher hörte man hier noch das Rascheln der „echten“ Filme und die Lager der Rollen, über die der Film lief. Doch seit vier Jahren hat die Schauburg sowie auch alle anderen Häuser der Bremer Filmkunsttheater auf digitales Abspielen umgestellt. „Irgendwie hatte die Schauburg in Bremen schon immer eine Art Vorreiter-Rolle: In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts war es das erste Tonfilmtheater der Stadt“, erzählt der Kinoinhaber. „Wir haben auch als erste auf digitalen Ton und schließlich auf digitales Bild umgestellt.“ Er zeigt auf einen großen Metall verkleideten Kasten – quasi ein überdimensionierter Rechner, mit dem man minutiös einen ganzen Tag im Kino voreinstellen kann und dann einfach nur noch auf „Play“ drückt. „Von Romantik ist da nicht mehr viel übrig geblieben“, stellt er fest. Auch ich muss sagen, dass mich der alte Projektor, der direkt daneben noch aufgebaut ist, deutlich mehr interessiert.
Auch im Vorführraum für den großen Saal sieht das Bild inzwischen nicht anders aus – nur größer eben. Um dorthin zu gelangen, müssen wir einmal um die Ecke des Gebäudes laufen und dann durch das große Holztor, das ein Bild des Films „Blade Runner“ schmückt. Beim Eintreten stellen wir fest, dass wir beide den Film von 1982 zu unseren Lieblingsfilmen zählen. Über ein paar Treppen gelangen wir in den großen Vorführraum. Hier treffen wir zufällig auf Robert Erdmann, den Theaterleiter. Er weiß, dass der Projektor in diesem Raum sogar noch einmal zwanzig Jahre älter ist als der im kleinen – er stammt nämlich aus den 1950er Jahren. Auch dieser ist seit vier Jahren nicht mehr in Betrieb.
Etwa 200.000 Besucher im Jahr haben die Bremer Filmkunsttheater. Viele von ihnen kommen auch zu den regelmäßigen Reihen, die in den einzelnen Häuser angeboten werden. Montags zum Beispiel sehr beliebt: Die OV-Sneak, bei der immer ein Film in Originalsprache gezeigt wird, der noch nicht in den Kinos angelaufen ist. In der Gondel in Schwachhausen, wo es auch kulinarisch eher französisch zugeht, gibt es einmal im Monat die französische Sneak.
Detailverliebtheit führt zum Erfolg
Als ich aus der Schauburg ins gleißende Licht der Herbstsonne trete und mich noch einmal umdrehe, fallen mir die Filmplakat über dem Eingang auf. Das Besondere an ihnen: Sie sind handgemalt! Die Künstlerin Katrin Wulfers stellt seit über zwanzig Jahren im Auftrag etwa alle drei bis vier Wochen Plakate für die aktuellen Filme her. Wie an vielen Stellen während meines Besuchs stelle ich auch hier fest, dass die Details das Gesamtpaket erst rund machen. Hier ist über drei Jahrzehnte vor allem auf Qualität geachtet worden: Sei’s bei der Auswahl der Filme oder beim Wein.
Nochmal im Überblick
Die vier Häuser der Bremer Filmkunsttheater
Schauburg Bremen (Siehe Karte unten)
Gondel (Siehe Karte unten)
Atlantis Kino (Siehe Karte unten)
Cinema Ostertor (Siehe Karte unten)
Kommunalkino
Weitere Kinos in Bremen
Erfolgsgeschichten
Seit 2018 setzen die Themenjahre in Bremen innovative Impulse für Stadtmarketing und regionale Wirtschaftsförderung. Sie stärken den Tourismus in der Hansestadt und fördern vielseitige Kooperationen. WFB-Projektleiterin Kristina Brandstädter weiß, was das Bremer Modell erfolgreich macht und welche Ansätze andere Städte nutzen können.
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