Handel zwischen Taiwan und Deutschland – wie Wirtschaft und Industrie profitieren
InternationalesLangjährige Freundschaft: Handelsbeziehungen zwischen Deutschland und Taiwan am Beispiel Bremen
Taiwans Wirtschaft ist geprägt durch einen großen Anteil Industrie und einen starken Dienstleistungssektor. Der Inselstaat ist ein attraktiver Handelspartner – für Unternehmen aus Bremen wie aus ganz Deutschland.
Die Demokratie Taiwan liegt im Westpazifik zwischen Japan und den Philippinen. Nach dem Jahresbericht des in der Schweiz ansässigen International Institute for Management Development (IMD) rangiert das Land auf Platz 16 der wettbewerbsfähigsten Volkswirtschaften der Welt. Einem weiteren Bericht des Weltwirtschaftsforums (WEF) zufolge sticht Taiwan in der Kategorie "Innovationsfähigkeit" hervor und ist nach Deutschland, den USA und der Schweiz die viertwettbewerbsfähigste Volkswirtschaft der Welt.
Inhaltsverzeichnis
Taiwans Wirtschaft - ein Überblick
Taiwan gehört zu den 25 größten Volkswirtschaften der Welt, obwohl die Insel nur so groß wie Nordrhein-Westfalen und von hohen Bergketten durchzogen ist. Die 23 Millionen Einwohner erwirtschaften ein jährliches Bruttoinlandsprodukt (BIP) von rund 25.000 Dollar pro Kopf – kaufkraftbereinigt höher als das von Deutschland. Die taiwanesische Ökonomie setzt stark auf Exporte, rund 65 Prozent der Wirtschaftsleistung (BIP) gehen ins Ausland. Hauptexportland ist China (28 Prozent), vor Hongkong, den USA und der EU an vierter Stelle. Mit einem Güter-Exportwert von 335 Milliarden Dollar und einem Importwert von 286 Milliarden Dollar (2018) erwirtschaftet das Land regelmäßig einen Exportüberschuss.
Der Inselstaat ist vor allem bekannt für seine Elektronikproduktion. Ein Großteil aller Laptops weltweit und viele Computer-Chips stammen von taiwanesischen Unternehmen. Weitere wichtige Wirtschaftssektoren sind Chemikalien, Textilien, Maschinen sowie die Erdölaufbereitung. Dabei findet die Produktion nicht nur auf der Insel statt, viele Unternehmen betreiben Produktionsstätten auf dem chinesischen Festland. Taiwans Wirtschaft ist eng verwoben mit dem Reich der Mitte, sowohl über persönliche als auch geschäftliche Beziehungen.
Die Industrieproduktion macht heute rund 30 Prozent der Wirtschaftsleistung aus – recht hoch, als Tigerstaat setzte Taiwan lange Zeit auf eine exportorientierte Leichtindustrie in Kombination mit niedrigen Löhnen, die zum Boom der Industrie führte. Sie ist stark von wenigen Branchen und wenigen Außenhandelspartnern geprägt, was die taiwanesische Wirtschaft anfällig für Konjunkturkrisen macht. Wie viele andere Volkswirtschaften setzt Taiwan daher verstärkt auf wissens- bzw. innovationsbasierte Technologien und forscht und produziert in Richtung Robotik, künstliche Intelligenz und Digitalisierung. Eine wichtige Rolle in der Diversifizierung und der Zukunftsfähigkeit spielt dabei die gut ausgebildete Wissenschaftslandschaft mit Leuchttürmen wie dem ITRI Industrial Technology Research Institute, dass mit seinen 6.000 Beschäftigten industrienah forscht und regelmäßige Spin-offs gründet, die sich über die Jahre bis hin zu Milliardenkonzernen entwickelt haben, wie etwa TSMC, weltweit drittgrößter Halbleiterproduzent.
Taiwan hat eine der weltweit niedrigsten Geburtenraten (Platz 217 von 223) und eine schnell alternde Bevölkerung sowie einen hohen Stand an Akademikern. Durch verschiedene Programme versucht die Regierung, die Zahl der Arbeitskräfte im Land zu erhöhen.
Zehn Große Unternehmen in Taiwan
Die größten Unternehmen in Taiwan kommen aus dem Technologiesektor, Finanzen, Petrochemie und der Kunststoffindustrie. Alle Zahlen stammen aus der Forbes 2000 Liste (2019) und sind nach Umsatz sortiert.
#1 Hon Hai Precision Dieses Unternehmen dürfte vielen eher unter „Foxconn“ bekannt sein. Es gehört zu den weltweit größten Herstellern von Elektronik- und PC-Komponenten und arbeitet als Auftragsfertiger unter anderem für Apple oder HP. Mit seinen 600.000 Angestellten zählt es zudem zu den mitarbeiterstärksten Unternehmen der Welt.
#2 Pegatron Auch Pegatron fertigt Computerteile und Geräte wie Notebooks, Konsolen oder Fernseher im Auftrag an, für bekannte internationale Marken wie Acer, Asus (ebenfalls Taiwan), Apple, Dell oder Intel.
#3 Taiwan Semiconductor TSMC ist spezialisiert auf die Fertigung von Halbleiterprodukten, das heißt Computerchips, die in Smartphones, Computern, Tablets oder anderen elektronischen Geräten vorkommen. Auch TSMC fertigt im Auftrag von anderen Herstellern, die selbst keine Produktion besitzen.
#4 Quanta Computer Auch Quanta gehört der Elektronikbranche an und fertigt Notebooks, Serverschränke und Rechenzentren- oder Smart-Home-Elektronik.
#5 Compal Electronics Auch an fünfter Stelle keine Überraschung: Compal Electronics reiht sich in die Riege der Unterhaltungselektronik-Hersteller ein. Es produziert Komponenten für Internet-of-Things-Geräte, Laptops, Wearables, Smartphones, Server oder Autoelektronik.
#6 Wistron Wistron ist ebenfalls ein Auftragsfertiger für Elektronik in allen Bereichen, ob Unterhaltungs- oder Industrieanwendungen.
#7 Cathay Financial Das erste Nicht-Elektronik-Unternehmen in den Top Ten ist eine Bank, zugleich die größte in Taiwan.
#8 Formosa Petrochemical Die Petrochemie ist ein wichtiger Exportsektor Taiwans und Formosa deren größter Vertreter. Das Unternehmen raffiniert Rohöl zu verschiedenen Produkten, wie Autotreibstoffen, Schmierstoffen, Flüssiggas oder Ausgangsprodukten für die Kunststoffproduktion.
#9 Fubon Financial Fubon ist die zweitgrößte Bank des Landes, die auch im Versicherungsgeschäft tätig ist. Wie Cathay Financial, ist auch Fubon im gesamten asiatischen Raum im Banking- und Investmentgeschäft aktiv.
#10 WPG Holdings Nummer Zehn schließt den Kreis: WPG Holdings ist wiederum mit zahlreichen Subunternehmen in der Halbleiterindustrie aktiv.
Vorteile, Nachteile, Chancen und Risiken einer Ansiedlung in Taiwan
Chancen einer Ansiedlung in Taiwan
Das deutsche Wirtschaftsbüro der Außenhandelskammer Taipei sieht in Taiwan einen Standort, der durch Faktoren wie beispielsweise spezialisiertes Wissen in Hightech-Branchen, Rechtssicherheit und die Verfügbarkeit von qualifizierten Fachkräften punkten kann. Unternehmen in den Bereichen Internet of Things, Biomedizin, Erneuerbare Energien und Verteidigung sowie moderne Landwirtschaft und Kreislaufwirtschaft haben gute Chancen bei einem Markteinstieg.
Durch seine hohe Kaufkraft ist das Land als Exportmarkt im B2B-Umfeld attraktiv. Aber auch technik- und elektronikaffine Branchen mit neuartigen Produkten, insbesondere Konsumgüterelektronik, Digitales, Gaming, Smart Home Applications, E-Mobility, Sportgeräte und -ausrüstungen, Health Care und Pflegeausrüstungen sind chancenreich.
Die geografische Lage inmitten Südostasiens, der hohe Lebensstandard und die gute Infrastruktur machen das Land zudem zu einem Sprungbrett für den asiatischen Markt, hinzu kommt eine gute Verfügbarkeit von ausgebildeten Fachkräften.
Im „Doing Business“-Ranking der Weltbank, das analysiert, wie gut sich in einer Wirtschaft ein Unternehmen starten und führen lässt (unter Einbeziehung von gesetzlichen Regulierungen, Schutz der Eigentumsrechte, Steuern, Handelshürden, Vertragssicherheiten, Rechtsstreitigkeiten oder Steuern) sieht Taiwan weltweit auf Rang 15, noch vor Deutschland auf Rang 22.
Taiwan steht in vielen Branchen für ausländische Direktinvestitionen offen, nur kleine Teile des produzierenden Gewerbes und des Dienstleistungssektors sind geschützt. Gleiches gilt für ausländische Investitionen in die taiwanesische Wirtschaft, dort sind Schlüsselbereiche (Versorgung, Telekommunikation, Post, Energie) geschützt.
Risiken einer Ansiedlung in Taiwan
Mit seiner starken Exportabhängigkeit ist das Land den konjunkturellen Aufs und Abs der Weltwirtschaft stark ausgesetzt. Das gilt besonders für die konjunkturelle Entwicklung Chinas, da mehr als ein Viertel der taiwanesischen Exportgeschäfte dorthin gehen.
Da Taiwan kein anerkannter eigenständiger Staat ist, gibt es auch kaum Freihandelsabkommen oder offizielle diplomatische Beziehungen zu anderen (westlichen) Ländern, als Mitglied der WTO folgt Taiwan jedoch vielen regulatorischen Übereinkünften.
Die politische Landschaft kann sich zudem – je nach Lage – negativ auf die Wirtschaft Taiwans auswirken. Taiwan folgt dem chinesischen Credo „Ein Staat – zwei Systeme“ nicht, was Spannungen zwischen den beiden Landesteilen künftig verstärken könnte. Das beinhaltet auch eine erhöhte Schwierigkeit, Geschäfte von Taiwan aus in China zu tätigen, da Kommunikations- und Transportwege eingeschränkt werden könnten.
Die hohe Konzentration der taiwanesischen Industrie auf wenige Sektoren (u. a. Elektronik, Petrochemie) macht das Land zudem für Krisen sehr anfällig. Gleichzeitig bietet dies jedoch für ausländische Unternehmen eine Chance: Da Taiwan in den vergangenen Jahren versucht, seine Industrien zu diversifizieren, haben Unternehmen aus anderen Branchen (siehe oben) gute Chancen bei ihrem Markteintritt. Der taiwanesische Binnenmarkt ist sehr klein (wenn auch kaufkräftig) und bietet damit ein begrenztes Absatzpotenzial für das B2C-Geschäft.
Auch wenn die Fachkräfte Taiwans gut ausgebildet und relativ günstig sind, birgt der demografische Wandel das Potenzial einer Abschwächung des Wirtschaftswachstums in Zukunft, da die Zahl der Konsumenten und Arbeitskräfte nachlässt.
Bremer Handelsbeziehungen mit Taiwan
Die Wirtschaftsförderungen von Bremen und Taiwan (die TAITRA) arbeiten seit 1988 eng zusammen. Ziel ist es, Handels-, Kooperations- und Investitions- und Ansiedlungsanfragen zu koordinieren und so für gegenseitige, positive Wirtschaftsbeziehungen zu sorgen. So besuchen regelmäßig Delegationen aus Taiwan Bremen – zu Themen wie Windkraft (2018) oder künstliche Intelligenz (2019).
Über 100 Unternehmen aus Bremen unterhalten regelmäßig Geschäftsbeziehungen mit Taiwan. Dazu gehören vor allem Logistikunternehmen, aber auch technologieorientierte Firmen oder die Windkraftindustrie. Zirka 300 Unternehmen aus Taiwan sind Deutschland niedergelassen. Der bundesdeutsche Schwerpunkt liegt in Nordrhein-Westfalen, im Raum Bremen sind es ungefähr 15 Unternehmen.
Windkraftindustrie in Taiwan
Taiwan tätigt Milliardeninvestitionen im Aufbau von Offshore-Windparks – bis 2035 will das Land 15 Gigawatt installieren. Damit will es unabhängiger von Energieimporten werden, da die Insel selbst über kaum Rohstoffe verfügt (98 Prozent Importe).
Die Straße von Formosa, der Seebereich zwischen China und Taiwan, ist flach und hat hervorragende Windbedingungen, da das chinesische Festland auf der einen Seite und die hohen Gebirgszügen Taiwans auf der anderen Seite einen natürlichen „Windtunnel“ bilden. Bremische Unternehmen wie wpd Windmanager oder die Deutsche Windtechnik sind mit eigenen Büros vor Ort – die wpd ist größter Windkraftdienstleister vor Ort mit einem Marktanteil von über 50 Prozent. Diese Präsenz eröffnet auch weiteren bremischen und deutschen Windkraft-Zulieferern Marktpotenziale.
Ansiedlung in Bremen
Abseits der Großkonzerne ist die taiwanesische Wirtschaft größtenteils mittelständisch geprägt. Viele Unternehmen arbeiten als Auftragshersteller für internationale Markenunternehmen, wollen in Zukunft jedoch verstärkt unter eigenem Markennamen auftreten. Hier kann Bremen als Import- und Industriestandort punkten. Taiwaner schätzen die Zusammenarbeit mit deutschen Partnern sehr und es gibt Handelsbeziehungen bremischer Unternehmen wie Melchers, der BLG-Gruppe oder Eurogate.
Sowohl auf bremischer wie auch taiwanesischer Seite bestehen langjährige Kontakte. Über eine Vertretung durch das Büro der Deutschen Außenhandelskammer in Taipei können Bremer Unternehmen ihre Interessen auf der asiatischen Insel wahrnehmen. Und dank der engen Zusammenarbeit mit der taiwanesischen Außenwirtschaftsförderung TAITRA mit der WFB profitieren auch Unternehmen aus Taiwan, die eine Kooperation mit Bremer Unternehmen oder eine Ansiedlung in Bremen planen.
Matthias Hempen
Akquisition und Projekte
Projektleiter internationale Ansiedlung, Schwerpunkt China
+49 (0) 421 9600-127
Linda Blechert
German Trade Office Taipei (AHK Taiwan)
Senior Manager
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