Was Britinnen und Briten an Bremen schätzen
InternationalesBritish Chamber of Commerce in Germany e.V. engagiert sich für deutsch-britische Beziehungen
Auch ein Jahr nach dem Brexit spüren Firmen die Auswirkungen des EU-Austritts. In Bremen heißt das für Ubbo Oltmanns viel Arbeit. Der Chairman der British Chamber of Commerce in Germany (BCCG) will die gegenseitigen, wirtschaftlichen Beziehungen stärken. Denn er weiß: Briten und Bremer sind sich näher, als viele denken.
Seit Juli 2013 ist die BCCG in Bremen/Niedersachsen mit einem eigenen Regionalbüro aktiv – den deutschen Verein gibt es schon seit 1919. Die bisher mehr als 600 sowohl deutschen als auch britischen Mitgliedsunternehmen wollen die wirtschaftlichen, aber auch persönlichen und politischen Beziehungen zum Vereinigten Königreich fördern. Trotz, oder gerade wegen, des Brexits sind die zahlreichen Aktivitäten gefragter denn je.
In Bremen wirbt Ubbo Oltmanns für die deutsch-britische Freundschaft. Wir haben uns mit dem Chairman über den Brexit, Chancen und neue Absatzwege für Unternehmen unterhalten.
Herr Oltmanns, wie haben Sie von der BCCG den Brexit empfunden?
Ubbo Oltmanns: Auf persönlicher Ebene bedauern wir natürlich den Brexit sehr. Wir versuchen weiter die Fahne der deutsch-britischen Beziehungen hochzuhalten. Der Brexit war aber für uns, trotz der Schmerzhaftigkeit, sehr förderlich. Als Organisation waren und sind wir sehr gefragt, weil es viel Erklärungsbedarf gab und noch gibt. So bitter der Austritt auch ist und so viel Geschrei es gegeben hat: England bleibt ein Teil Europas und ein wichtiger Partner in vielen Bereichen, ob nun NATO, G7, Klimaschutz oder in wirtschaftlichen Fragen
Haben sich die deutschen Unternehmen auf den Brexit eingestellt?
Oltmanns: Die neuen Formalitäten, etwa in Zollfragen, haben natürlich eine Bremswirkung in den Außenhandelsbeziehungen. Ein Teil der deutschen Unternehmen hat das Geschäft mit Großbritannien eingestellt oder substituiert, wie eine KPMG-Umfrage vom April 2021 ergeben hat. Vor allem die ersten beiden Monate dieses Jahres, nachdem der Brexit zur Tatsache wurde, waren ein harter Einschnitt, aber der Handel hat sich im Laufe des Jahres wieder größtenteils gefangen. Deutschland als Exportnation tut sich mit den jetzt geltenden Drittlandregelungen im Geschäft mit dem Vereinigten Königreich auch nicht so schwer.
Wie sieht es bei den britischen Unternehmen mit Deutschlandgeschäft aus?
Oltmanns: Bei kleinen und mittelständischen Unternehmen sieht die Lage dramatischer aus. Denen fehlen die Erfahrung und die Mittel, mit den neuen Formalitäten umzugehen. Es gibt das berühmte Beispiel einer britischen Käserei, die für 25 Pfund britische Käsepakete wie Cheddar verschicken will, aber 180 Pfund für ein Gesundheitszertifikat vom Veterinär bezahlen muss. Das lohnt sich dann für viele kleine Unternehmen logischerweise nicht mehr. Dieser Verlust macht sich bemerkbar.
Welche Chancen gibt es für sie, doch noch europäische Geschäfte zu machen?
Oltmanns: Kleinere Unternehmen können natürlich keine Dependancen oder Auslandsstandorte aufmachen. Aber man könnte eine Plattform für englische Unternehmen schaffen, eine Agentur, die als ein One-Stop-Shop für englische Unternehmen arbeitet, viele Aufgaben sammelt und übernimmt. Daran wollen wir hier in Bremen unter anderem arbeiten. Die BCCG kooperiert deshalb eng mit Bremeninvest und der hiesigen Handelskammer.
Wie sieht die Zusammenarbeit aus? Haben Sie noch weiteres geplant?
Oltmanns: Zusammen mit meinen britischen Vereinskollegen im Vereinigten Königreich arbeite ich schon mit Peter Decu von Bremeninvest zusammen, der ja in London sitzt und seit Januar für Bremen wirbt. Wir wollen dort als Netzwerkorganisation gemeinsame Veranstaltungen machen – auf Sicht auch physische Veranstaltungen. Das können Symposien mit unseren Mitgliedern sein, zum Beispiel zu Standortfragen: Was ist Unternehmen wichtig, die in Deutschland einen Standort aufmachen wollen? Und wie können wir sie für Bremen begeistern?
Gute Frage … was glauben Sie denn, was macht Bremen attraktiv für britische Unternehmen? Gibt es da Gemeinsamkeiten abseits des gemeinsamen Leids über das Wetter?
Oltmanns: Die geografische Nähe ist natürlich das eine, Bremen und die Bremer Häfen sind nicht weit entfernt von England. Wer von London nach Bremen fliegt, braucht mitunter länger auf dem Weg zu einem der Londoner Flughäfen, als er tatsächlich fliegt. Ganz zu schweigen von den berühmten kurzen Wegen in unserer Hansestadt. Vom Flughafen ist man bekanntlich per Straßenbahn in wenigen Minuten überall in Bremen. Das kommt Geschäftsleuten natürlich entgegen.
Ich habe zwei Herzen in der Brust, ein bremisches und ein britisches!
Und abseits der geografischen Nähe?
Oltmanns: Es gibt auch eine mentale Nähe – im Sinne von kulturell. Ich sage immer gern: Der Süden unseres Landes ist frankophil, der Norden anglophil. Die Bremerinnen und Bremer sprechen in der Regel sehr gut Englisch, das fällt vielen britischen Geschäftsleuten auf, die zum ersten Mal hierherkommen. Das kommt ihnen natürlich entgegen.
Gibt es auch ganz konkrete Anknüpfungspunkte? Als Finanzplatz ist Bremen im Gegenzug zu London nicht bekannt…
Oltmanns: Die britische Wirtschaft bietet ja natürlich noch sehr viel mehr. England plant derzeit acht oder sogar mehr Zollfreihäfen. Das ist dort “the next big thing“. Hier in Bremen haben wir damit langjährige Erfahrungen, wir haben hier Hafenkompetenzen.
Chancen haben wir auch im Bereich Offshorewind, das Königreich will bis 2030 etwa 40 Gigawatt an Kapazität ausbauen von heute elf – sie müssen fünf Milliarden Pfund pro Jahr investieren und da sehe ich für norddeutsche Unternehmen viele Gelegenheiten. Wasserstoff als Branche kommt da hinzu, im Oktober gab in Bremen ja eine europäische Messe dazu. Dann aber auch in anderen Bereichen wie Automotive, Bau- oder im Gesundheitswesen.
Sehen Sie sich als Türöffner nach Deutschland?
Oltmanns: Ja, auf jeden Fall. Wir unterstützen bei der Standortwerbung sowohl im UK als auch hier in Deutschland. Zudem suchen wir den Kontakt zu bereits bestehenden englischen Investoren. Wir haben viele Anfragen von englischen mittelständischen Unternehmen, die über uns Kontakt nach Deutschland suchen. Die meisten unserer Mitgliedsunternehmen haben einen direkten Kontext ins Vereinigte Königreich. Dazu gehören Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, Rechtsanwaltskanzleien, Automobilproduzenten, Logistikunternehmen oder Banken.
Noch eine letzte Frage, wie sind Sie persönlich zum Englandfan geworden?
Oltmanns: Von Haus aus bin ich Banker, habe nach meiner Ausbildung und ersten Jahren in Bremen auch in Frankfurt, Hamburg und im englischsprachigen Singapur gearbeitet. Eine frühere Kollegin, heute unsere Geschäftsführerin in Berlin, hat mich in 2013 angesprochen, ob ich nicht bei der BCCG mitmachen will. Ich empfand das als gute Sache und engagiere mich seither ehrenamtlich, gemeinsam mit dem Vorstand unserer Region. Ich bin ein Freund der englischen Sache, habe viele Bekannte dort und viel Spaß an der Kultur. Über die Jahre ist dann ein spannendes Netzwerk entstanden, dass viel Arbeit macht, aber auch viel Freude. Ich habe sozusagen zwei Herzen in der Brust, ein bremisches und ein britisches!
Herr Oltmanns, vielen Dank für das Gespräch!
Über den Verein BCCG
Mit über 600 Mitgliedsunternehmen im Vereinigten Königreich und in Deutschland, aufgeteilt in insgesamt 12 Regionen, tritt die Netzwerkorganisation als Plattform des deutsch-britischen Austauschs auf. Neben Netzwerkveranstaltungen, die dem gegenseitigen Kennenlernen dienen, organisiert der Verein Podiumsdiskussionen, Online-Seminare oder Workshops, unter anderem zu Steuer- oder Zollfragen, oder die Mitgliedsunternehmen diskutieren aktuelle Umfragen und Stimmungsbilder. Mit der britischen Botschafterin in Deutschland, Jill Gallard, als Schirmherrin pflegt der Verein zudem enge Kontakte in die Politik.
Seit 10 Jahren veranstaltet die hiesige Region gemeinsam mit den Berlinern dort jeweils im Februar eine Internationale Kohlfahrt nach bremischer Tradition, die inzwischen sehr beliebt ist.
Im September 2021 vergab der Verein erstmalig den „German-British Freundship Award“, um Personen zu ehren. die sich um die gegenseitigen Beziehungen verdient gemacht haben und so Aufmerksamkeit auf das Thema zu lenken. Preisträger im ersten Jahr war Jürgen Klopp.
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