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9.11.2016 - Jann Raveling

Industrie 4.0 funktioniert nur mit dem richtigen Unternehmergeist

Digitalisierung / Industrie 4.0

BEGO zeigt, was mit 3D-Druck möglich ist

Heinz Lambrecht, Leiter Geräteentwicklung und Dennis Wachtel, Leiter Produktmanagement
Heinz Lambrecht, Leiter Geräteentwicklung und Dennis Wachtel, Leiter Produktmanagement © BEGO

April 2016, Darmstadt. Bei der Verleihung des Innovationspreises der deutschen Wirtschaft steht ein Bremer Unternehmen auf dem Siegertreppchen: BEGO. Nicht der erste Preis für das 3D-Drucksystem Varseo des Dentalunternehmens und ganz sicher nicht der letzte. Aber ein wichtiger. Denn er honoriert drei Jahre Entwicklungsarbeit und einen Innovationsprozess, an dessen Ende ein neues Geschäftsmodell entstanden ist, welcher der BEGO und ihren Kunden einen Marktvorteil bringt.

Zurück in Bremen, im Technologiepark an der Universität: Zwischen wissenschaftlichen Instituten wie dem Fraunhofer IFAM oder dem BIBA-Bremer Institut für Produktion und Logistik liegt die Hauptzentrale der BEGO. Hier sitzen Dennis Wachtel, Leiter Produktmanagement, und Heinz Lambrecht, Leiter Geräteentwicklung. Beide sind mitverantwortlich für die erfolgreiche Entwicklung des 3D-Druckers. Zusammen mit ungefähr zwanzig weiteren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, dem gesamten Projektteam.


Auf die Frage, worauf sich der Erfolg begründet, der mit dem Innovationspreis honoriert wurde, antworten die beiden eindeutig: Die Innovationskultur der BEGO. „Bei uns werden Ideen und Verbesserungen gefördert und gefordert“, berichtet Wachtel. „Eine innovationsfördernde Unternehmenskultur ist entscheidend dafür.“ Sein Kollege Heinz Lambrecht pflichtet dem bei, „das Management hat Vertrauen in die Abteilung Forschung und Entwicklung. So hat diese den nötigen Freiraum, um neue Ideen zu testen und kreativ zu denken“.

Der digitalisierte Zahnersatz: Neue Herausforderungen für die Zahnmedizin und Zahntechnik

Um zu verstehen, was Varseo so besonders macht, muss man einen Blick in den Alltag der Zahntechniker werfen. Die Digitalisierung verändert auch diesen Beruf zunehmend: Während früher in Handarbeit Kronen, Brücken und Prothesen modelliert wurden, erledigt dies der Zahntechniker heute mit der Maus, dem „digitalen Wachsmesser“ sozusagen. Die Produktion übernehmen dann Maschinen. Zuvor werden Zahnabdrücke vom Techniker eingescannt und die Daten dann zum Beispiel an BEGO verschickt. Mittels CNC-Fräsen oder durch 3D-Druckverfahren wie das selective laser melting erstellen sie aus den Daten Halbfertigteile. Der Techniker kümmert sich am Ende um die patientenindividuelle Verblendung mit Keramik und erledigt damit die anspruchsvolle Feinarbeit.

Durch die Digitalisierung verändert sich das Berufsbild der Zahntechniker: 3D-Druck wird Standard
Durch die Digitalisierung verändert sich das Berufsbild der Zahntechniker: 3D-Druck wird Standard © WFB/Frank Pusch

Der in Darmstadt prämierte 3D-Drucker ergänzt diesen Service: Mit ihm können Zahntechniker Bohrschablonen, zahntechnische Modelle, Schienen, CAD/Cast-Modellgussgerüste und Abformlöffel direkt vor Ort anfertigen und verwenden. BEGO versteht sich so als die „verlängerte Werkbank“ der Dentallabore, ob mit ihren zentralen Dienstleistungen oder den 3D-Druckern für die Fertigung im Labor. Zahntechnikern wird die Arbeit erleichtert, sie haben mehr Zeit, um beispielsweise Kunden zu beraten. „Wir haben mit Varseo den 3D-Drucker für den Dentalmarkt marktfähig gemacht“, sagt Dennis Wachtel stolz.

Systemgedanke ist entscheidender Erfolgsfaktor

Der 3D-Druck ist keine neue Erfindung – auch nicht in der Zahnmedizin. Was Varseo so auszeichnungswürdig macht: Es ist eine Systemlösung, die einfach zu bedienen ist – quasi das Apple der Zahntechnik. Der Drucker ist schnell installiert, Einzelteile wie Kartuschen mit dem Druckmaterial lassen sich mit wenigen Handgriffen austauschen. Dazu gibt es wissenschaftlich abgesicherte Materialien, Software-Tools und Services.

Auch Wissen und Fähigkeiten von Studierenden genutzt

Drei Jahre dauerte die Entwicklung, an dessen Anfang Studierende, Absolventen und Absolventinnen der Bremer Hochschulen standen. Um den Markt und die Möglichkeiten des 3D-Drucks zu erforschen, lobte die BEGO Bachelor- und Masterarbeiten aus, die Teilprobleme ergründeten.

Ein Projekt mit beidseitigem Nutzen: Das Unternehmen gelangte an frisches Wissen aus der Forschung und einige der Absolventen wurden gleich eingestellt. „Über die Studenten hat sich ein noch intensiverer Kontakt zu den Hochschulen und Instituten entwickelt, wir kamen ins Gespräch mit Professoren, haben so neue Ideen und Ansätze entwickelt“, sagt Lambrecht. Und weiter: „Wir haben hier durch die räumliche Nähe zu den wissenschaftlichen Einrichtungen einen Standortvorteil, man kann tatsächlich von einer ‚innovation area‘ sprechen“. Area of Innovation – das steht auf einem Schild am Eingang des Technologieparks.

Varseo-System von BEGO
Varseo-System von BEGO © BEGO

Neben dem Nachwuchsprogramm und der Innovationskultur machen die beiden Abteilungsleiter aber noch weitere Faktoren für das erfolgreiche Industrie 4.0-Projekt verantwortlich: Etwa die gute Integration aller Geschäftsbereiche. Schon im frühen Stadium der Entwicklung holte das Projektteam den Vertrieb mit ins Boot. Und noch vor Projektende stellte die BEGO ausgewählten Kunden die Idee vor – und nahm, neben deren Begeisterung für das System, auch wichtige Anregungen für die Weiterentwicklung und Vermarktung mit.

Auch von großem Vorteil: Das Projektteam war interdisziplinär aufgestellt und arbeitete immer an schlanken Prozessen, mit einem „lean management“-Ansatz. Etwas, dass die BEGO sich nun auch für die gesamte Unternehmensgruppe vorgenommen hat.

Veränderungsprozess aktiv gestalten statt hinterherzulaufen

„Mit unserem Produkt ändern wir Prozesse nicht nur für unsere Kunden, sondern auch für unsere Lieferanten. Das erforderte ein gutes Changemanagement im eigenen Betrieb und bei unseren Zulieferern“, erläutert Dennis Wachtel. Denn gerade in der Medizin sei es immer wichtig, das Vertrauen in die eigenen Produkte zu erhalten – eine Aufgabe der Markenbildung. Hierbei nicht nur die Kunden im Blick zu behalten, sondern alle Stakeholder, vom Mitarbeiter bis zum Dienstleister, ist eine wichtige Aufgabe.

Und so lassen sich gleich eine ganze Reihe an Erfolgsfaktoren für das Industrie 4.0-Projekt festmachen: Interdisziplinäre Teams, Nähe zu Kunden und Forschungseinrichtungen, gute Vernetzung zum Wissenschaftsstandort, Vertrauen in den Nachwuchs und nicht zuletzt eine innovationsfördernde Kultur, die Raum zum Entwickeln, Testen, Ausprobieren und Verbessern lässt.

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