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8.7.2016 - Anette Tautz

Purpose Stiftung – Unternehmen, die Eigentum und Management neu denken

Erfolgsgeschichten

Wie der Bremer Achim Hensen mit dem Purpose-Netzwerk Unternehmen begleitet

Der Bremer Achim Hensen, Mitgründer des Purpose Netzwerks
Der Bremer Achim Hensen, Mitgründer des Purpose Netzwerks © artundweise/Dennis Wellbrock

Ganz hoch im gesellschaftlichen Diskurs stehen aktuell Fragen zu Eigentum, Umverteilung und alternativen Formen des Arbeitens. Bücher wie „Das Kapital im 21. Jahrhundert“ des französischen Ökonomen Thomas Piketty zeigen dies deutlich. Im Gespräch erläutert der Bremer Achim Hensen, Mitbegründer des Purpose-Netzwerks, wieso Purpose dafür arbeitet, dass die Wirtschaft ihre eigentlichen Aufgaben besser wahrnehmen kann.


Wie kam es zur Gründung von Purpose?

Purpose ist aus einem gemeinsamen Gefühl und einer übereinstimmenden Überzeugung entstanden: Wir haben als Unternehmer, Berater, Juristen und aus vielen weiteren Perspektiven sich wiederholende Irrsinnigkeiten beobachtet. Uns verbindet das Gefühl, dass vieles heute falsch läuft – dass die Wirtschaft häufig nicht für den Menschen und die Gesellschaft da ist – und die Überzeugung, dass Wirtschaft mehr kann. Wir haben Purpose gegründet, um für entscheidende Aspekte der Gestaltung eines Unternehmens Alternativen anzubieten, die es ermöglichen, Eigentum und Management konsequent neu zu gestalten. Konkret geht es hier um die Fragen der Finanzierung, der Rechtsform und der Organisation und Zusammenarbeit.


Vor welchen Herausforderungen stehen Firmen heute?

Die größte Herausforderung ist, dass sich das Umfeld, in dem viele Unternehmen heute agieren, fundamental verändert hat. Die zentralen Grundannahmen der Gestaltung eines Unternehmens aber stammen aus einer vergangenen Zeit. Diese Diskrepanz macht es Firmen oft schwer, Antworten auf die Fragen unserer Zeit zu finden. Sind wir wirklich für die Komplexität der Anforderungen, die an uns gestellt werden, gerüstet – sind wir für die Geschwindigkeit bereit, mit der wir tagtäglich operieren müssen? Sind wir tatsächlich auf die Auswirkungen der Globalisierung vorbereitet? Wie können Potentiale von Mitarbeitern bestmöglich genutzt werden? Wie können wir auf die veränderten Anforderungen des Arbeitsmarktes reagieren? Wie können wir nachhaltige Innovationskraft schaffen und auf dynamische Märkte reagieren? Wir wollen Unternehmen dabei helfen, in diesem Umfeld Lösungen zu finden, um effektiver und erfolgreicher zu sein und in all ihrem Handeln am Sinn und Zweck der Unternehmung zu arbeiten.


Eigentum, Verantwortung und Vermögensumverteilung sind zentrale Themen der aktuellen Debatte. Welche Antworten hat Purpose darauf?

Wir glauben, dass es nicht das Ziel sein kann, dass Menschen dafür arbeiten, den Shareholder Value zu maximieren.

Es ist unserer Ansicht nach nicht der eigentliche Sinn eines Unternehmens, Gewinne einzelner Menschen zu maximieren. Der Sinn liegt vielmehr im Zweck des Unternehmens selbst. Diesen gilt es zu fördern.

Deshalb haben wir drei zentrale Anliegen:

  1. Eigentümerschaft = Unternehmerschaft.
  2. Gewinne dienen dem Unternehmen.
  3. Unternehmen gehören sich selbst. Das heißt, sie werden unverkäuflich, unvererbbar und gehören den Personen, die im Unternehmen Verantwortung übernehmen.


Indem diese Dinge umgesetzt werden, stellen wir sicher, dass das Unternehmertum und der Sinn und Zweck im Unternehmen bleiben. Wir haben in unserem Netzwerk viele Unternehmer, die bei der Frage des Unternehmenseigentums schon neue Wege gegangen sind und gehen. Diese Erfahrung möchten wir weitergeben: Wie kann man die heutigen Rechtsformen umstrukturieren, so dass ein Unternehmen wirklich sich selbst gehört und sein Zweck nicht ist, das private Vermögen Einzelner zu maximieren.


An welche Unternehmen wendet sich die Purpose Stiftung konkret?

An kleine, mittelständische Unternehmen und Start-ups. Gerade bei Start-ups sieht man oft, dass Kapitalgeber Exit-orientiert sind – es ihnen also nur darum geht, zu einem Zeitpunkt in der Zukunft mit möglichst hohem Gewinn zu verkaufen.

Wir finden jedoch, wenn der Sinn eines Unternehmens darin besteht, später einen möglichst profitablen Exit zu machen, gleicht dies schon zu Beginn der Ankündigung, Sinn und Zweck aus dem Unternehmen herauszuziehen. Deshalb bietet die Purpose-Stiftung alternative Finanzierungsmodelle für KMUs und Start-ups an. Wir nennen das „Purpose Equity“. Unternehmen, die von externen Investoren gehalten werden, helfen wir bei einem „Purpose Management Buy-Out“.

Ein weiterer wichtiger Beratungsschwerpunkt, ist die Frage von Zusammenarbeit und Organisation. Wir wollen ermöglichen, dass Eigenverantwortung und Vertrauen im Mittelpunkt stehen und nicht überkommene Arbeitsmodelle, die heute keinen Sinn mehr ergeben. Für viele Unternehmen wird außerdem die Frage der Nachfolge wichtig.


Weshalb berät die Purpose-Stiftung Unternehmen zu Nachfolgelösungen?

Häufig haben Unternehmer keine natürliche Erben, die sich für das Unternehmen interessieren oder die entsprechenden Fähigkeiten mitbringen. Sie möchten ihr Unternehmen jedoch nicht verkaufen, weil damit eine Investorenmentalität Einzug erhält, die oft die eigentliche Identität des Unternehmens zerstört. Wir helfen sozusagen, ein Familienunternehmen 2.0 zu schaffen - das Unternehmen wird an die fähigsten Nachfolger, die zwar nicht bluts-, aber ideen- und werteverwandt sind, übertragen oder geschenkt. Damit aber ein ausscheidender Unternehmer sicher ist, dass die so ausgewählten Nachfolger nicht im nächsten Augenblick das Unternehmen verkaufen, helfen wir, rechtliche Strukturen zu schaffen, die das Unternehmen der Spekulation entziehen. Nachfolger werden Treuhandeigentümer, oder wie wir sagen: Purpose-Eigentümer. Sie halten die Stimmrechte (nicht die Gewinnrechte) aber nur, solange sie aktiv sind. Sie können natürlich eine gute Kompensation bekommen, auch wenn sie dann ausscheiden. Aber sie können die Treuhand-Eigentums-Regeln nicht ändern. Das sichern wir durch einen einprozentigen Anteil an solchen Unternehmen, der Veto einlegen kann, wenn die Unternehmensnachfolge die Treuhandeigentumsregeln ändern wollten.

Achim Hensen: „Wirtschaft muss wieder ihrer eigentlichen Rolle gerecht werden.“
Achim Hensen: „Wirtschaft muss wieder ihrer eigentlichen Rolle gerecht werden.“ © artundweise/Dennis Wellbrock

Welche Firmen arbeiten mit diesen alternativen Eigentumsmodellen?

Unsere Grundgedanken werden von zahlreichen Firmen geteilt. Dazu gehören beispielsweise das saarländische Familienunternehmen Globus, das Warenhäuser, Baufach- und Elektromärkte im In- und Ausland betreibt. Weitere Beispiele sind die Triaz Group als größter Anbieter von ökologischen und fair gehandelten Produkten oder die Bremer Softwarefirma UJAM, die schon heute Organisation und Zusammenarbeit neu denkt. Diese Unternehmer bewegt die Frage, wie sie Strukturen schaffen können, die nachhaltig dem Unternehmen dienen und damit ihre Innovationskraft erhalten können. Einer der großen Vorreiter ist auch ZEISS, mit 40.000 Mitarbeitern. Der Eigentümer Ernst Abbe hat vor seinem Tod sichergestellt, dass das Unternehmen sich selbst gehört und gründete dafür die erste Unternehmensstiftung.


Was können Firmen strukturell verändern?

Um konsequent den Sinn und Zweck zu erhalten und für den Menschen und die Gesellschaft da zu sein - eine ganze Menge: Wir konzentrieren uns auf die Bereiche Finanzierung, Eigentum und Zusammenarbeit. Grundsätzlich geht es uns darum, dass Verantwortungsübernahme entsteht. Wir wollen ermöglichen, dass Menschen möglichst nah an der Umsetzung sind und die Konsequenzen ihrer Entscheidungen tragen. Diese Prozesse liegen in vielen Unternehmen heute so weit auseinander, dass die Person, die am Ende etwas umsetzt, gar nichts mit der Planung zu tun hatte. Auf diese Weise entsteht eine strukturelle Verantwortungslosigkeit. Unsere Kernaussage ist daher, dass wir Entscheidungen, Ausführung und Konsequenzen zusammen bringen wollen.


Welchen Vorteil hat es, dem Einzelnen mehr Verantwortung zu geben?

Wenn der Einzelne die Möglichkeit hat, für sich selbst Entscheidungen zu treffen und für diese verantwortlich zu sein, wird die ganze Organisation verantwortlicher und sinnorientierter sein. Wenn genug Organisationen verantwortlicher und sinnorientierter sind, wird die ganze Wirtschaft verantwortlicher und sinnorientierter sein.


Wie politisch ist der Ansatz der Purpose Stiftung?

Wir glauben, dass Wirtschaft einen gesellschaftlichen Auftrag hat. Wir glauben, dass man Gesellschaft, Wirtschaft und Wohltätigkeit nicht voneinander trennen sollte. Sie gehören zusammen. Viele Aktivitäten der Purpose-Stiftung sind daher gesellschaftlich motiviert – man kann das sicherlich politisch nennen. Doch wir sind unbedingt überparteilich. Wir sind sicher, dass Menschen mit ganz unterschiedlichen politischen Ansichten zu diesem Thema zusammenkommen können. Damit wir unsere Gestaltungsspielräume wahrnehmen und sich etwas in der Wirtschaft verändert. Wir glauben aber, dass das, was wir mit Unternehmern aus unserem Netzwerk schon tun und was ZEISS schon seit über 100 Jahren tut, eigentlich einer eigenen Rechtsform bedarf - wir schaffen nur behelfsweise Konstrukte. Eigentlich braucht es eine Rechtsform für Unternehmen die gewissermaßen nur treuhänderisch im Eigentum von Menschen sein können und sich eigentlich selbst gehören.

Herr Hensen, vielen Dank für das Gespräch!



Purpose Stiftung c/o Damia GmbH, Karl-Marx-Str. 88, 12043 Berlin
Telefonischer Kontakt
Achim Hensen: 0179 73 49 517

Adrian Hensen: 0179 73 49 516

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