Aus Leidenschaft für die Pflege
PressedienstRicarda Möller geht wissenschaftlich und beruflich ungewöhnliche Wege
Schlechte Bezahlung, Überstunden, Stress: Die Arbeit in der Pflege finden viele Menschen unattraktiv. Für Ricarda Möller jedoch ist sie Lebensthema: als Studierende im bundesweit ersten Studiengang seiner Art in Bremen, als Referentin im Berufsverband und als Geschäftsführerin eines Vereins. Was die 30-Jährige antreibt.
Die Mutter war ausgegangen, das Kind stieß sich heftig den Kopf, und der Vater war völlig überfordert: Es war dieses Erlebnis in ihrem Jahr als Au-pair in Irland, das die damals 19-Jährige beschließen ließ: „So hilflos willst du niemals sein!“
Die Eltern sind Unternehmer – sie waren entgeistert, als Ricarda Möller ihnen mitteilte, in einem großen Bremer Krankenhaus Gesundheits- und Krankenpflege erlernen und parallel an der Uni Bremen Pflegewissenschaft studieren zu wollen. Das änderte sich allerdings schnell: „Meine Oma wurde dement, und ich war die Einzige, die wusste, was zu tun war“, erklärt die junge Frau, warum ihre Familie schon bald voll hinter ihr stand.
Mit dem Bachelor-Abschluss in Pflegewissenschaften war nicht Schluss. Ricarda Möller begann den viersemestrigen Studiengang „Community Health Care Nursing“ an der Universität Bremen, was in etwa „Kommunale Gesundheitsversorgung“ bedeutet. Bremen nahm dabei eine Vorreiterrolle ein, denn der Studiengang in der Hansestadt war seinerzeit der erste in Deutschland – inzwischen gibt es ihn an vier Standorten. „An den anderen geht es um die Primärversorgung in den Gemeinden, bei uns um Versorgungsforschung und Planung“, erklärt die gebürtige Bremerin.
Hausärztemangel zwingt zu neuem Denken
Hintergrund sei der wachsende Hausärztemangel, der besonders auf dem Land herrscht, aber auch in den Städten. „In anderen Staaten teilen sich Pflegende und Ärztinnen sowie Ärzte oft viele Aufgaben – anders als bei uns“, sagt Ricarda Möller. Zwar wolle die Bundesregierung sich ein Beispiel am Vorgehen jenseits der Grenzen nehmen, und auch Bremen steuere in diese Richtung. Alle Projekte stünden aber noch am Anfang.
Aktuell schreibt die Studentin nun gemeinsam mit Kommilitonin Katharina König ihre Master-Arbeit über Aufgabenfelder für die Gesundheitspflegenden am Beispiel Bremen und Bremerhaven. „Wir fragen Expertinnen und Experten zum Beispiel, wo die Community Health Nurses Gesundheitspflegenden angesiedelt sein sollen oder wie sich die Fachleute die Vernetzung der Angebote vorstellen“, berichtet sie. Und dann entfährt der hochgewachsenen Frau, die sonst meist freundlich lächelt, ein Seufzer: „Hoffentlich sind wir bald fertig!“ Sie kann sich nämlich nur nach ihren diversen beruflichen Aktivitäten an die Master-Arbeit setzen. Zum einen ist sie Referentin für junge Pflege – also Auszubildende und Studierende – beim Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe in Hannover. Ebenfalls in Teilzeit führt sie zum anderen seit 2020 die Geschäfte des Bremer Vereins „Ambulante Versorgungsbrücken“.
Eine Versorgungslücke stand am Anfang
Gegründet wurde er 2009 von der ehemaligen Krankenschwester Elsbeth Rütten infolge einer erheblichen Versorgungslücke. Nach einer Fuß-OP aus dem Krankenhaus entlassen, musste sie allein in der Wohnung zurechtkommen – zum Beispiel durch Kriechen über den Fußboden. Glücklicherweise hätten Freundinnen für sie einkauft oder Wäsche gewaschen. Doch was, wenn ein solches soziales Netzwerk fehle, erinnerte sich Elsbeth Rütten einmal in einem Interview für das Online-Portal „Ihre Vorsorge“. Sie startete eine Petition, sammelte 25.000 Unterschriften. Mit Erfolg: Heute müssen die Krankenkassen gegebenenfalls vier bis sechs Wochen lang eine hauswirtschaftliche Unterstützung finanzieren. Mit dem Verein konzentrierte sich Elsbeth Rütten anfangs auf Beratung zu Gesundheits- und Pflegethemen. „Zunächst arbeitete sie vom Wohnzimmer aus. Bald stand das Telefon nicht mehr still, und sie realisierte, dass viele einfach nur schnacken wollten“, berichtet Ricarda Möller, die während ihre Pflegausbildung ein Praktikum bei dem Verein machte. Ein neues Projekt ging an den Start: die „Wohlfühlanrufe“ für Menschen, die jemanden zum Reden suchen – ein Ansatz, der bereits bundesweit Anerkennung und Nachahmung fand. Beide Projekte verfolgen die drei Hauptamtlichen und die rund 50 ehrenamtlich Tätigen bis heute. Doch hat sich das Angebot des Vereins, der inzwischen über kleine Büroräume im Bremer Szeneviertel verfügt, über die Jahre ständig erweitert.
„Chancenpatenschaften“ zwischen Jungen und Alten
Ganz wichtig ist den Aktiven der Dialog der Generationen. So vermittelt Ricarda Möller seit einiger Zeit „Chancenpatenschaften“. 51 Paarungen aus Jung und Alt haben sich über den Verein aus Bremen 2023 bereits gefunden. „Da ergeben sich ganz neue Arten von Beziehungen“, hat die Organisatorin beobachtet. „Zum Beispiel zwischen einer alten Dame und einer jungen Ukrainerin. Sie hatten zusammen die Stadt erkundet. Dann brach sich die Seniorin den Arm – ihre junge Partnerin schleppte ihr fortan die Wasserkisten.“
Ein wichtiges Anliegen sind auch „Digitale Versorgungsbrücken“, etwa umfangreiche Schulungen an Smartphones, Tablets oder Smart-TVs, um Seniorinnen und Senioren niedrigschwellig an den Umgang heranzuführen. Zudem gibt es ein „Café WLAN“ und „Digitale Ausflüge“, bei denen Interessierte unter Anleitung zum Beispiel Routenfinder- oder Fahrplan-Apps ausprobieren können. Vorträge etwa zu Wohnformen im Alter oder Vorsorgevollmachten sind ein weiteres Feld, auf dem sich Ricarda Möller engagiert. „Ich nutze solche Gelegenheiten, um für unseren Verein zu werben“, berichtet sie. „Und ich bin ganz stolz: Seit ich die Geschäftsführung nach Elsbeths Tod übernommen habe, hat sich die Mitgliederzahl von 100 auf mehr als 200 gesteigert.“
Jüngster Ableger der Aktivitäten ist die Möglichkeit, eine kostenlose Tour mit der vereinseigenen Rikscha zu unternehmen, die über einen auf Bodenhöhe absenkbaren Einstieg verfügt. Das findet viel Anklang bei Älteren, die gehbehindert sind oder sich nicht mehr selbst aufs Fahrrad trauen. Weitere Projekte aus Bremen sind in der Pipeline. „Wir möchten etwas in Bremerhaven aufbauen“, berichtet die Geschäftsführerin. „Und wir wollen versuchen, Wohlfühlanrufe auch in anderen Sprachen anzubieten.“ Da geht die Arbeit also nie aus? Ricarda Möller: „Ich werde hier nicht mein Leben lang bleiben, aber ich finde die Vision sehr wichtig, Brücken zu bauen für ein selbstbestimmtes Leben im Alter und zwischen den Generationen.“
Kontakt für Redaktionen: Ricarda Möller, Ambulante Versorgungsbrücken e.V., Tel. 0421 – 69 64 200,
Mail: info@ambulante-versorgungsbruecken.de
Bildmaterial: Das Bildmaterial ist bei themengebundener Berichterstattung und unter Nennung des jeweils angegebenen Bildnachweises frei zum Abdruck.
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