Von Mietbienen und Digitalbienen: Bremen – die heimliche Honighauptstadt
Nahrungs- und GenussmittelwirtschaftImporteure, Labore, Forscher und Miet-Bienen: Bremen ist die heimliche Honighauptstadt
Er ist süß und reich an Spurenelementen, Mineralstoffen und Vitaminen: Bienenhonig. Für Bremen hat die gesunde Leckerei eine besondere Bedeutung. In der Hansestadt sitzen Importeure, Forscherinnen und Forscher, Labore und einfallsreiche Unternehmen in Sachen Bienen und Honig. Das alles hat Bremen die inoffizielle Bezeichnung „Honighauptstadt“ eingebracht.
Bremen: Stadt der Honigimporteure und Bienenforschenden
Bei Bremen denken viele zuerst an Stadtmusikanten, Raumfahrt oder Kaffee. Doch Bremen ist auch Honighauptstadt. Die Stadt ist Sitz vieler Honigfirmen, so wie der Walter Lang GmbH, Europas größtem Biohonig-Importeur.
Zwar greifen Firmen wie Lang auch gerne auf heimischen Honig zurück. Doch was die hiesigen Imkerinnen und Imker aus den Waben schleudern, deckt längst nicht den bundesweiten Bedarf. Der Pro-Kopf-Konsum von Honig liegt nach Angaben des Deutschen Imkerbundes (D.I.B.) bei rund 1,1 Kilo – Tendenz steigend. Allein die Mitglieder des D.I.B. ernteten 2019 über 25.000 Tonnen Honig.
Das süße Gold kommt per Schiff
Laut Deutschem Honigverband werden pro Jahr etwa 85.000 Tonnen Honig importiert, hauptsächlich über den Seeweg. Darunter sind ganz besondere Sorten wie der auch von Walter Lang aus Neuseeland eingeführte Honig des Manuka-Baums. Aus Nordportugal importiert Lang Wild-Lavendel-Honig, aus Brasilien Eukalyptus-Honig. Das Unternehmen arbeitet viel mit traditionell arbeitenden Familienimkereien zusammen und unterstützt so ebenfalls den Erhalt wertvoller Naturräume. In der Hansestadt fühlt sich das Unternehmen gut aufgehoben. „Bremen ist ein guter Standort, wir werden in neue Gebäude investieren“, sagt die Unternehmenssprecherin Maren Walter.
Emsige Bienenforschung
Der Aufstieg zur Honighauptstadt ist auch der Forschung zu verdanken. An der Uni Bremen wurde in der AG Kognitive Neuroinformatik unter der Leitung von Professorin Kerstin Schill ein besonderer Ansatz der Bienenforschung verfolgt. Fachliche Unterstützung holte sich das Informatikteam von der Biologin und Bienenexpertin Dr. Dorothea Brückner. Die Pilotphase rund um die digitalen Bienenstöcke ist bereits abgeschlossen. Nun wird das Vorhaben mit Menschen jenseits des Campus in zwei bürgerwissenschaftlichen Strängen praktisch weiter entwickelt.
Verkabelte Bienenvölker für mehr Lebensqualität
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und interessierte Bürgerinnen und Bürger gehen im vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projekt „Bee Observer“ der Frage nach, wie die Faktoren Feuchtigkeit, Temperatur und Akustik das Verhalten und die Gesundheit der Bienenvölker beeinflussen. Die Bienenwohnungen – sogenannte Beuten – sind zwecks Datenerfassung mit Sensoren gespickt und verkabelt. Das Ziel ist die Entwicklung einer App, die Imkern Informationen über den Zustand des Bienenvolks geben soll – ohne wie bislang die Beute öffnen zu müssen. Denn das stresst die emsigen Bestäuber.
Die Forschenden hatten in der Pilotphase zunächst zwölf Bienenvölker „verkabelt“, die meisten stehen nach wie vor direkt neben dem Institut für Neuroinformatik. Mittlerweile sind deutschlandweit Völker von Hobbyimkerinnen und -imkern mit Sensorbeuten ausgestattet worden. „In diesem Jahr kommen wir bei 200 an, wir spannen ein Netz auf“, sagt der Wissenschaftler Thorsten Kluß. „Wir möchten am Ende gerne 300 Sensorbienenstöcke haben, die senden.“ Die Imkerinnen und Imker geben den Forschern viele Erkenntnisse zurück. „Sie sammeln die Daten für uns und arbeiten an der Gestaltung der Kits. So kommt wertvolles Erfahrungswissen zusammen“, sagt Kluß. Manch Teilnehmerin oder Teilnehmer entdecke auch neue Bereiche für sich. So habe ein Schreiner Freude am Programmieren gefunden.
Nicht nur die Daten aus den Beuten werden mit speziell entwickelten Algorithmen ausgewertet. Auch Daten zum Wetter oder zu Pestizideinsätzen werden in Bremen eingespeist. „Wir wollen außerdem damit beginnen, Satellitenbilder auszuwerten um zu sehen, was wann und wo blüht“, sagt Kluß.
Bienen sind so intelligent wie Hunde
Ein Bienenvolk besteht im Sommer aus rund 50.000 Tieren: „Eine Königin, zehntausende Arbeiterinnen und zu bestimmter Zeit des Jahres hunderte Drohnen“, sagt Brückner. „Die Königin wird vier Jahre oder älter.“ Sommerbienen schlüpfen von Mai bis Juni und werden wegen des starken Verschleißes nur etwa sechs Wochen alt. Winterbienen lassen es deutlich ruhiger angehen und können ein halbes Jahr alt werden. Bienen lieben es trocken und sonnig. Zu ihrer Überlebensstrategie gehört es, Regengüsse zu meiden. „Bienen werden regelrecht durch große Regentropfen erschlagen“, sagt Brückner. „Bienen sind ganz außerordentliche Tiere. Das sind soziale Insekten.“ Ein Bienenvolk ist in den Augen der Biologin „ein Superorganismus, weil die Strukturen zusammenarbeiten“. August-Wilhelm Schinkel vom Bremer Imkerverein von 1875 ergänzt: „Das Bienenvolk kann es in der Intelligenz mit jedem Hund aufnehmen“.
Zahl der Bienenvölker und Imker steigt
Das Interesse am Imkern wächst. 2018 wurden hierzulande laut D.I.B. rund 915.000 Bienenvölker gehalten, 2019 die Millionengrenze geknackt. „Bei uns brummt es“, freut sich Schinkel. „Die Imkerei ist zurzeit im Umbruch. Die Mitglieder werden immer jünger und immer weiblicher.“ Der Bremer Imkerverein ist nach eigenen Angaben der größte in Norddeutschland. Er betreibt auf dem idyllischen Lür-Kropp-Hof in Bremen-Oberneuland einen Lehrbienenstand und ein kleines Museum. Kürzlich hat der Verein auch einen neuen Lehrbienenpfad angelegt.
Jungimker brauchen viel Geduld
Erfahrene Bienenzüchter des Vereins nehmen Imker-Neulinge unter ihre Fittiche. „Den Jungimkern wird ein Coach an die Seite gestellt, das hat sich bewährt“, so der Vorsitzende. Die Schulung ist aufs ganze Jahr verteilt, damit die Anfänger „alle Arbeiten praktisch mitbekommen“. Nach dem Imkerkurs haben Bienenfreunde längst nicht ausgelernt. „Es gibt zu viele Stellschrauben in der Imkerei“, sagt Schinkel. „Man braucht etwa fünf Jahre, bis man einigermaßen fit ist.“
Gemietete Bienen im Rundum-sorglos-Paket
Nicht alle Bienenfreunde müssen selber in die Imkerrolle schlüpfen. Sie können sich alternativ an den Bremer Dieter Schimanski wenden. Seine 2015 gegründete Firma „Bee Rent“ vermietet Völker im Rundum-sorglos-Paket. Vor allem Unternehmen nutzen das Angebot. Sein Service reicht vom Aufstellen der Bienenstöcke auf dem Firmengelände über die Betreuung bis hin zum Ausschleudern und Verpacken des Honigs. „Wir fahren zehn bis 15 Mal im Jahr zum Kunden“, sagt er. „Bienen sind sehr pflegeintensiv.“ Für seine Geschäftsidee wurde Schimanski Ende 2019 mit dem KfW-Award in der selten verliehenen Sparte „Social Entrepreneurship“ ausgezeichnet. Inzwischen hat das Unternehmen fast 30 Franchise-Nehmer. „Wir sind jetzt nahezu flächendeckend in Deutschland vertreten“, sagt Schimanski. Bei manchem Bienenmieter und seiner Belegschaft erwache das persönliche Interesse an der Imkerei, freut sich der Firmengründer.
Insektenhotels für Wildbienen
Insektenhotels für Wildbienen Bee Rent erweitert demnächst sein Angebot um Insektenhotels für Wildbienen. Die Hotels haben verschiedene Ebenen, einen speziellen Schlupfbereich, 1.200 Löcher und verfügen über eine Lehmwand und einen Hummelkasten. Die Ebenen sind mit Plexiglas voneinander getrennt. „In den 15 Zentimeter tiefen Gängen könnte die Mauerbiene beispielsweise etwa acht Eier legen“, sagt Schimanski. „Bee Rent“ kümmert sich im Herbst um die Kokons. Sie werden von Parasiten befreit, gereinigt und „überwintern bei drei, vier Grad Celsius“. Im Frühjahr kommen sie dann wieder zurück ins Hotel. Auch die Oberneuländer Landwirte Bea und Hajo Kaemena haben ein Herz für Wildbienen. Sie bieten Blühflächenpatenschaften an.
Mittel gegen die Varoa-Milbe
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Kognitiven Informatik starten übrigens gerade ein neues Bienenprojekt. Im Zusammenarbeit mit dem Institut IMSAS werden Maßnahmen gegen die Varoa-Milbe erforscht. Der Parasit befällt die Brut und vernichtet ganze Bienenvölker. Das Institut der Universität Bremen will die Milben nun auf individueller Ebene bekämpfen: Eine Kamera soll befallene Bienen erkennen und eine Mikrodüse gezielt Behandlungsmittel ausstoßen.
Erfolgsgeschichten
Prof. Dr. Karen Struve ist Professorin für Frankoromanistik an der Universität Bremen. In ihrem Forschungsfeld beschäftigt sie sich unter anderem mit postkolonialen Literatur- und Kulturtheorien sowie mit den Narrativen der Angst und der weltweiten Anxiety Culture. Was Karen Struve an ihrer Arbeit besonders begeistert, verrät sie bei „Wissenschaft persönlich".
Mehr erfahrenSeit 2018 setzen die Themenjahre in Bremen innovative Impulse für Stadtmarketing und regionale Wirtschaftsförderung. Sie stärken den Tourismus in der Hansestadt und fördern vielseitige Kooperationen. WFB-Projektleiterin Kristina Brandstädter weiß, was das Bremer Modell erfolgreich macht und welche Ansätze andere Städte nutzen können.
Mehr erfahrenVor seiner Pensionierung war er wissenschaftlicher Geschäftsführer des Instituts für Interkulturelle und Internationale Studien sowie Leiter des Arbeitsbereich Wahlen und Parteien am Institut für Politikwissenschaft. Heute engagiert er sich beim Hannah Arendt Institut für politisches Denken und führt außerdem seine Forschung im Bereich "Regieren und Politik in Bremen" fort.
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