Logistik und Häfen – das Fundament des deutschen Wohlstands
Maritime Wirtschaft und LogistikWas ist Logistik? Eine Branchenübersicht
Die Logistik ist eine der größten und wichtigsten Wirtschaftszweige in Deutschland. Ohne sie geht nichts - im wahrsten Sinne des Wortes. Aber dennoch wissen viele nicht, was sich hinter der Branche verbirgt.
Die Branche Logistik hat ein großes Problem: Sie ist extrem vielfältig – sowohl in ihren Berufsbildern als auch in ihren vielen Teilmärkten. Deshalb wird Logistik nicht als definierter Wirtschaftssektor wahrgenommen. Dazu kommt: Sie wirkt mit ihren Dienstleistungen eher im Hintergrund, ihre Leistung ist nicht offensichtlich. Schlimmer noch: Das, was die Bürgerinnen und Bürger von Logistik wahrnehmen, ist überwiegend negativ besetzt. Lkw verstopfen die Straßen, große Logistikzentren auf der grünen Wiese erzürnen Bürgerinitiativen, Güterzüge rauben Anwohnerinnen und Anwohnern ihre Ruhe, ebenso Flugzeuge, die Fracht transportieren.
Das, was die Öffentlichkeit vom Wirtschaftssektor Logistik wahrnimmt, ist jedoch ein grobes Zerrbild einer Industrie, die nach Automobil und Handel der drittgrößte Zweig der deutschen Wirtschaft ist. Sie setzt nach den neuesten Zahlen des Standardwerks „Top 100 der Logistik“ der Fraunhofer Arbeitsgruppe für Supply Chain Services (SCS) in Nürnberg 267 Milliarden Euro jährlich um. Die rund 70.000 deutschen Logistikunternehmen beschäftigen dabei rund drei Millionen Menschen. Im Land Bremen beschäftigen rund 1.400 Unternehmen etwa 70.000 Menschen – mit rund acht Milliarden Euro Umsatz steht die Branche für gut ein Drittel der Wertschöpfung des Landes.
Was ist Logistik? Eine Boombranche
Und zuletzt wuchs die Branche deutlich stärker als die Gesamtwirtschaft – vor allem dank des Booms im E-Commerce. Nach absoluten Zahlen beträgt der Anteil der Logistikbranche am Bruttosozialprodukt 7,2 Prozent. Das erscheint wenig. Doch in Wahrheit läuft ohne Logistik gar nichts in der deutschen Volkswirtschaft. Denn die Branche ist mit ihren Dienstleistungen die entscheidende Querschnittsfunktion der Volkswirtschaft.
Der Begriff Logistik kommt ursprünglich aus dem Altgriechischen und bedeutet Rechenkunst. Daraus abgeleitet hat sich das französische Wort Logistique. Es bedeutet Nachschub und war in der Armee für die Versorgung der Truppen eine entscheidende Funktion. In dieser Tradition funktioniert Logistik auch noch in modernen Industrienationen. Die Branche sorgt für den Nachschub – allerdings nicht mehr für Truppen, sondern für Industrie, Handel und Endverbraucher. Anders formuliert: Ohne Logistik und ihre Unternehmen werden keine Autos gebaut, bleiben die Regale in Supermärkten leer und kommen keine Pakete per Mausklick an die Kunden – zum Beispiel von Europas größtem Lagerkomplex im Neustädter Hafen in Bremen aus in die rund 54.000 Verkaufsstellen von Tchibo in ganz Europa. Das Hochregallager wird vom Bremer Logistikdienstleister BLG betrieben. Auf rund 90.000 Quadratmetern Lagerfläche werden jährlich rund zwei Millionen Paletten umgeschlagen.
Kurzum: Ohne die Dienstleistung von Logistikunternehmen funktioniert die deutsche Wirtschaft nicht. Eine Volkswirtschaft ohne Logistik ist ungefähr so, als würde man aus einem Auto den Motor ausbauen oder aus der Küche den Koch entfernen.
Was das bedeutet, ist regelmäßig bei den Streiks von Lokführern und Piloten zu spüren. Wenn Güterzüge nicht fahren, erhalten Fabriken auch keine Rohstoffe oder Einzelteile für ihre Produktion. Und wenn Flugzeuge nicht fliegen, ist das ähnlich. Nebenbei: Das ist auch so, wenn Passagierflugzeuge nicht fliegen. Denn rund die Hälfte der Luftfracht – meist eilige und sehr wertvolle Güter wie Technik, Ersatzteile oder das neue iPhone – wird in Passagiermaschinen transportiert. Fachleute nennen das „Belly-Fracht“.
Gute Infrastruktur ist Lebensader der Logistik
Auf der Straße verzögert wiederum immer öfter die marode Infrastruktur den Transport. Da in Deutschland nach wie vor rund 75 Prozent aller Güter per Lkw transportiert werden, ist das ein besonders sensibler Bereich in der Logistik für die Volkswirtschaft. Mehrere Rheinbrücken in Nordrhein-Westfalen sind beispielsweise nur mit Einschränkungen für Lkw befahrbar. Das zwingt Transporteure zu Umwegen und kostet Zeit und Geld.
Und Zeit ist ein Faktor, der in unserer hocheffizienten Wirtschaft besonders schlecht zu managen ist. Fabriken, etwa in der Metall- und Elektroindustrie, sind auf sogenannte Just-in-Time oder Just-in-Sequence-Abläufe ausgerichtet – selbstverständlich auch das Mercedes-Benz Werk Bremen, das volumenmäßig zweitgrößte Pkw-Werk von Mercedes-Benz weltweit. Das bedeutet, die Teile für die Produktion werden nicht mehr in großen Lägern auf dem Fabrikgelände vorgehalten, sondern von Dienstleistern der Logistik direkt für die Produktion zugeliefert. Und zwar so, dass etwa ein Auto am Fließband schon in der individuellen Konfiguration zusammengebaut wird. Kommt dieser Ablauf ins Stocken, hängt die Produktion. In Bremen betreibt die BLG für Mercedes ein solches Teile-Lager für die Auslandsproduktion. Von dort aus werden ganze Modelle in Kisten über Bremerhaven per Schiff in Mercedes-Fabriken weltweit geliefert. Auch in diesem Fall gilt: Wenn diese Dienstleister nicht fehlerfrei funktioniert, wird im Ausland kein Wagen gebaut.
Apropos Schiff und Hafen: Über die beiden großen deutschen Nordseehäfen Hamburg und Bremerhaven läuft fast der gesamte Export deutscher Unternehmen. Anders formuliert: Die beiden Städte sind sozusagen auch die Häfen für Baden-Württemberg und Bayern und den Rest der Republik. Bremerhaven schlägt jährlich fünfeinhalb Millionen Container um. Dort kommen jedoch im größten Automobilumschlagplatz Europas zudem rund zwei Millionen Pkw pro Jahr dazu. Ohne die Logistik und die nötige Hafeninfrastruktur wäre das alles nicht möglich. Was viele nicht wissen: über den Ro-Ro-Terminal Bremerhaven werden zudem fast sämtliche schweren Maschinen und Fahrzeuge (Kräne, Bagger, Waggons, Züge, Yachten etc.), die in Deutschland produziert werden, in alle Welt verschickt.
Weil Infrastruktur entscheidend ist, um diese Leistung erbringen zu können, wird seit einiger Zeit auch so viel über das Thema Infrastruktur gesprochen. Das Wort kommt aus dem Lateinischen und bedeutet „Unterbau“. Die Infrastruktur ist somit die Basis der deutschen Wirtschaft: Straßen, Brücken, Schienen, Güterverkehrszentren (das GVZ Bremen ist die Nummer 1 in Europa und Deutschlands Top-Logistikzentrum), Häfen, Flughäfen, Energieversorgung, Telekommunikation, Breitbandanschluss – all das gehört in dieses komplexe Geflecht einer modernen Industrienation.
Ohne Logistik keine Wirtschaftsnation
Was passiert, wenn die Infrastruktur nicht so richtig funktioniert, war im Frühjahr 2013 in Norddeutschland zu bestaunen. Damals musste der Nordostseekanal, die Verbindung zwischen Nord- und Ostsee, wochenlang gesperrt werden. Dadurch geriet die Transportkette gehörig ins Stocken. Denn der NOK, wie die Logistiker ihn kurz und bündig nennen, ist die meistbefahrende künstliche Wasserstraße der Welt. Weit mehr Schiffe passieren ihn als etwa die viel berühmteren Wasserstraßen Panamakanal und Suezkanal. Zuletzt waren es knapp 35.000 pro Jahr. Da der NOK den Wasserweg von Hamburg in die Ostsee erheblich verkürzt, ist das für die Transportwirtschaft ein deutlicher Zeitgewinn. Und Zeit ist bekanntlich Geld. Geld, das in Form von günstigeren Raten an die Kunden und am Ende in Form von günstigeren Preisen an die Verbraucherinnen und Verbraucher weitergegeben werden kann. Verlängert sich der Weg, wird der Zeitaufwand größer, dann läuft das Spiel genau anders herum.
Weil Logistikabläufe und Transportketten in Netzwerken organisiert sind, ergeben sich sehr schnell große volkswirtschaftliche Schäden, wenn diese sensiblen Gebilde beeinträchtigt werden. Stellen Sie sich diese Abläufe als riesiges, feinmaschiges Netz vor, das über Deutschland ausgebreitet liegt. Wenn ein Teil davon unbenutzbar wird – wegen eines gesperrten Kanals, einer kaputten Brücke oder eines Streiks – dann hat das sofort Auswirkungen auf das gesamte restliche Netz. So ergeben sich viele Kosten durch Krisenmanagement, Umroutungen und Zeitverlust.
Deutschland ist amtierender Logistik-Weltmeister
Die weit verbreitete Ignoranz gegenüber einer der zentralen Säulen, auf dem der Wohlstand der deutschen Gesellschaft ruht, ist das undankbare Schicksal der Logistikbranche. Eine Branche übrigens, die Deutschland zu einem WM-Titel verholfen hat. In dem zweijährlich vorgelegten Logistics Perfomance Index der Weltbank wurde die Bundesrepublik auch 2018 wieder als Logistikweltmeister ausgezeichnet. Nirgendwo auf der Welt kann Logistik und Transport effizienter, produktiver und leistungsfähiger angeboten werden, als hierzulande.
Meisterleistung Weihnachtslogistik
Das merken die Deutschen meist in einer Zeit, wenn Weihnachten vor der Tür steht. Der Paketdienstleister DHL machte auf seinen Fahrzeugen folgende Werbung: „Wir fahren im Dienst des Weihnachtsmannes.“ Kurier-, Paket- und Expressdienste – kurz Kep-Dienstleister – sind die aktuellen Stars der Branche. Durch das starke Wachstum des Online-Handels werden in Deutschland inzwischen pro Jahr 3,5 Milliarden Sendungen verschickt. Das sind 110 pro Sekunde!
Dass diese riesige Menge an Sendungen ihr Ziel erreicht und das auch oft noch am selben Tag ist eine Meisterleistung der Logistik. Aber auch da gibt es die andere Seite der Medaille: Weil die Kunden im Grunde davon ausgehen, dass der Transport nichts kostet, die Rücksendung eines Pakets erst recht nicht, müssen DHL, Hermes, DPD und Co. schon sehr spitz rechnen, um das kolossale Logistiknetzwerk rentabel betreiben zu können. Eine Zahl: Für ein einzelnes Paket, das von Hamburg nach München transportiert werden soll, bekommt ein Paketdienstleister rund drei Euro. Da sind schon große Mengen nötig, um auf eine akzeptable Marge zu kommen.
Viele Logistiker wünschen sich deshalb mehr Verständnis für ihren Beruf, für ihre Leistung und ihre Bedeutung im Zusammenhang mit der Volkswirtschaft. Ein besseres Image ist für diesen Wirtschaftszweig nämlich aus einem für die Gesellschaft insgesamt bedeutenden Grund wichtig: Nur wenn die Berufe in der Logistik attraktiv erscheinen, können die Unternehmen genügend gute Junge gewinnen. Und nur so bleibt das Fundament der deutschen Wirtschaft auch weiter solide. Gelingt das nicht, blüht ihr das aktuelle Schicksal der Infrastruktur – sie bröckelt dahin...
Iris Geber
Unternehmensservice und Standortentwicklung
Abteilungsleiterin, Prokuristin
+49 (0) 421 9600-120
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